Tichys Einblick
Reparatur am SPD-Bus

SPD: Alle im Doppellenker-Bus im Kreisverkehr

Früher soll in E-Loks immer noch ein Heizer mitgefahren sein, aus Gewerkschaftsgründen. Heute sind in der Politik Doppelspitzen beliebt. Sie machen das Einfache so schön kompliziert.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Ein kleiner, grauer Mann steht am Rednerpult und liest stockend seinen Text ab. Man leidet mit ihm, wenn er sich durch die Sätze quält und ist überrascht mit ihm, wenn ein Höhepunkt kommt, bei dem geklatscht werden soll. So sehen deutsche Revolutionäre aus. Wenn Norbert Walter-Borjans dann große Worte spricht, ballt er die Fäustchen oder denkt kurz nach, bis er die Arme hebt, langsam, und nicht zu hoch. Mit trauriger Stimme verkündet er, dass es ihm eine „so große Freude ist“ für den Vorsitz der SPD zu kandidieren. „Saskia und ich“, sagt er „wir wollen als Fahrerin und Fahrer den Bus ans Ziel bringen“.

Zwei Bus-Fahrende

In Zukunft also zwei Fahrende im Bus, ein männlicher und eine weibliche? Ist das gut, so ein Team am Lenkrad? Der eine dreht nach links und die andere nach rechts? Andere Länder reden vom autonomen Fahren, wir verdoppeln die Lenkräder? Quote erhöht die Verkehrssicherheit nicht, auch wenn Norbert und Saskia dann der Reihe nach alle jene umarmen, die sie anschließend bejubeln. Nun gehen ja Sprachbilder schnell daneben, aber will man so einem Schulbus die Kinder anvertrauen? Viel ist von der „Neuen Zeit“ die Rede, in die man ziehen will im Doppellenker-Bus. Oder muss man, SPD- und genderkonform schreiben: Im doppelgelenkten Bus?

Die CDU in der Falle
Die SPD geht vor ins Tal, CDU folgt
Am Ziel, wenn er dahin kommt, der doppelgelenkte Bus, dann will Norbert Walter-Borjans ganz viel umverteilen. Das ist der Hauptteil seiner Rede. Von starken Schultern zu schwachen, von Steuerzahlern zu Nicht-Steuerzahlern, von Steuerzahlern zu Steuerzahlern, von Unternehmern zu Arbeitnehmern, von Allen zum Staat, von dem weniger zurück, weshalb er die Schwarze Null abschaffen und viel Schulden machen will, von der Schweiz nach Deutschland, von Deutschland nach Europa und dann in die ganze Welt, nur Trump soll nix kriegen, da ist der deutsche Revolutionär ganz entschieden. Aber ansonsten?
Es soll etwas geschehen …

Umverteilt muss auch viel werden, noch viel mehr, damit der Klimaschutz nicht spürbar wird bei den vielen Wählern. Das ist ein gutes Rezept, es soll etwas geschehen beim Umweltschutz, aber es darf nicht passieren; das alte selbstironische Schrammellied aus Wien, das pfeift der Revolutionär Borjans ganz laut: Damit die Umwelt geschont wird, soll alles teurer werden, und dafür gibt’s dann Geld zurück, damit die Leute sich wieder leisten können, was man vorher verteuert hat. Also nur idealtypisch; denn dazwischen, aber davon spricht er nicht, sind seine sozialdemokratischen Steuer- und Umverteilungs-Digitalmechaniker, die an allen diesen Schrauben, Entschuldigung, Bits und Bytes drehen und programmieren, bis die Leute sich so bewegen, wie man es von Ratten im Laborkäfig verlangt: Ökoneutral. Dann kriegen sie am Ende des Käfigs ein Zückerchen geworfen.

… aber es darf nichts passieren

Klimaschutz ist die neue Verteilungsfrage, und sie unterscheidet sich von dem, was vor Borjans war nur global und historisch. Die Wähler der SPD sollen, so erzählt es Borjans, auf Kosten der Entwicklungsländer und der Zukunft so gut gelebt haben. Das soll sich auch ändern. Es muss also noch mehr umverteilt werden, die Jungen sollen nicht so belastet werden, die Alten aber schon, weil sie so gut gelebt haben auf Kosten der Kinder und deren Zukunft. Allerdings sollen dafür die Renten erhöht werden, das auch, ganz klar. Es soll ja viel geschehen, aber es darf nichts passieren. Es ist eine gewaltige Rechnung, die er da aufmacht. Irgendwie haben diese Olaf Scholz‘, die Gabriels und die Steinbrücks und die Schröders und die vielen anderen Sozialdemokraten alles falsch gemacht, was der Walter und die Saskia jetzt richten müssen. Das ist bemerkenswert, ehrlich gesagt, nicht ganz verkehrt. Hier, an dieser Stelle werden Sozis nur verteidigt, wenn es sich gar nicht anders machen lässt. Also raus aus der GroKo, die alles falsch gemacht hat? Doch so direkt hat der Borjans es jetzt auch nicht gemeint. Die SPD bleibt in der GroKo, damit sie das besser macht, was sie nicht richtig gemacht hat. Früher galt die SPD als Reparaturbetrieb des Kapitalismus. Wer SPD wählt, repariert die SPD, und die CDU, die SPD heißt, auch gleich mit. Unter der neuen Führung ist die SPD der Reparaturbetrieb der SPD, während die Doppelspitze gemeinsam den Bus lenkt.

Gut, dass es noch Böses gibt

Gott sei Dank gibt es noch eindeutig Böses, auf das man sich sofort verständigen kann und bei dem alle nicken im Bus. Im Bundestag gebe es eine konservative, rechte Mehrheit, und dagegen muss gekämpft werden, natürlich von der Regierungsbank aus. Aber wenn die Bösen die Mehrheit haben, wie kommen dann die Guten auf die Regierungsbank? Bekanntlich kämpft es sich von oben nach unten immer am besten. Da ist es wie mit dem Bus – Richtung und Lenkung sind Glückssache wie in der Politik Logik.

Als die Frau spricht, wird es nicht besser. Sie lässt sich als Aufsteigerin feiern, aber es ist bloß der Aufstieg von schlecht bezahlter Arbeit zu sehr guter staatlicher Versorgung. Wenn das bloß nicht das neue Aufstiegs-Narrativ der Sozialdemokraten wird: Völker, hört die Signale, auf zum Bundestagsmandat! Natürlich digital, denn wer digital nicht kann, soll trotzdem darüber bestimmen. „Die Regierungsmitglieder versammeln sich hinter dem Willen der Partei“, hat sie gesagt, vorher. Demokratie ist lästig, und vor allem: überflüssig, wo wir doch den SPD-Bus haben, der die Richtung kennt und alle fahren hinterher.  So wie damals, als die Partei alles bestimmte und alle folgten brav, denn wir sitzen ja alle in einem Bus. Soll keiner sagen: Das ist kein Fortschritt im Vergleich zum Marschieren! Und dann noch doppelgelenkt! Und so findet die Revolution nicht einmal im geheizten Saal statt; alles bleibt wie es ist und selbst Kevin klammert schon an einem Mandat im Bundestag, das er noch gar nicht hat. Der leise Mann mit der dicken Brille und seine gemächliche Rede und Saskia mit ihrer sichtbar forschen Verbitterung in eigener Sache – sie sind kein Aufbruch. Die Zukunft gehört leider den Bildern von Instagram, und ehrlich: Robert und Annalena sind da meilenweit voraus. Personen und Bilder der SPD sind wie ein altes Fotoalbum; grau, vergilbt, zerknittert, ein rappelnder alter Bus auf Seniorenfahrt zum Heizdeckenhändler, Kaffee- und Pipipause eingepreist. Aber sie kommen nie an. Sie fahren ja im Kreisverkehr.

Und so quält sich der Marsch per Bus in die neue Zeit, und wenn sie nicht abgewählt sind, singen sie noch immer: Mit uns zieht die neue Zeit, Seit an Seit im Kreisverkehr.
Sie hoffen bloß, dass kein Bus mit Wählern vorbeikommt.

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