Ausnahmsweise in eigener Sache: Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist.
Nach über sieben Jahren habe ich im Sommer 2014 die WirtschaftsWoche verlassen. Sie entwickelte sich in dieser Zeit nach Auflage, Reichweite und Anzeigenumfang zum unbestritten führenden Wirtschaftsmagazin Deutschlands. WiWo.de verzehnfachte seine Leserzahlen; über iPad und andere elektronische Dienste erreicht die WirtschaftsWoche eine Million Leser und belegte einen der führenden Plätze im Zitate-Ranking. Ich bin der Redaktion dafür dankbar, dass sie dies möglich gemacht hat. Zahlreiche Journalistenpreise dokumentieren die journalistische Leistung. Wir haben frühzeitig vor der Finanzkrise gewarnt, das Drama des Euro erkannt, viele Trends beschrieben. Wir waren ein tolles Team. So viel Neues liegt vor uns. Es wird spannend und bunt.
Seit Oktober 2014 betreibe ich mein eigenes Unternehmen, das mit digitalen publizistischen Modellen experimentiert. Diese Site hat sich sehr dynamisch entwickelt, ich werde jetzt den größten Teil meiner Kraft darauf verwenden, sie zu einem liberalen Meinungsformat zu entwickeln. Ich bedanke mich bei den Mitstreitern, die hier dabei sind.
Darüber freue ich mich. Die Digitale Transformation ist die wohl größte Herausforderung für Journalisten in diesen Jahren. Da will ich dabei sein, experimentieren, unterstützen, neue Wege für guten Journalismus finden. Ich halte es für falsch, an zwei alte Gesetze zu glauben:
Es ist falsch zu glauben, nur weil etwas auf Papier stünde, sei es überlegen. Qualität hat nichts mit dem Trägermedium zu tun, auf dem sie sich mitteilt: Es gibt großartige Zeitungen und den irrsten Dreck, viele Grüße vom STÜRMER, der Prawda und dem Neuen Deutschland.
Es ist falsch zu glauben, dass mit den Schwierigkeiten des Printgewerbes der Journalismus untergehe, oder die Meinungsfreiheit verschwinde. Im Gegenteil. Noch nie war es so einfach, mit guten Inhalten Menschen zu erreichen. Wir brauchen kein Kapital mehr für große Bürogebäude (dieser Text entsteht auf dem Bettrand sitzend in einem Berliner Hotel); wir brauchen keine teuren Druckereien mehr, kein teures Papier. Wir brauchen nur unser Hirnschmalz.
Es werden sich neue Formen entwickeln. Die Journalistischen Formen haben sich angelehnt an neue Verbreitungswege weiter entwickelt; das gilt auch für das Internet. Es ist weniger autoritär, es kann schneller die Informationen seiner Leser aufnehmen und verarbeiten. Das sind neue Qualitäten. Das setzt Mut voraus: Wir Journalisten können uns nicht mehr verstecken. Wir sind kontrollierbar; die Leser können jedes Argument prüfen, verwerfen, korrigieren – und ich empfinde es als großen Vorteil, wenn sie es mir mitteilen. Nicht ich weiß alles – meine Leser wissen mehr als ich. Wenn sie es mit mir teilen, kann ich es weiterreichen und die Welt bereichern – o.k., nur ein klein wenig. Aber die Welt verändert sich nur in kleinen Schritten. Daher lehne ich es ab, die Leser zu beschimpfen oder ihre Kommentare und Mitwirkung zu beschneiden. Im Gegenteil. Heute ist Journalismus ein Netzwerk; wir Journalisten müssen anregen, vermitteln, prüfen, bewerten, manchmal kämpfen. Zusammen mit unseren Lesern. Daran glaube ich.
Es macht mir einen ungeheuren Spaß, hier Neues tun zu dürfen.
Publizistisch und politisch hören Sie von mir mehr denn je:
Für Bild am Sonntag werde ich Kolumnen schreiben. Auch das ist sehr wichtig: Ein großes, schnelles, erfolgreiches Blatt. Ich betrachte es als Ehre, dabei sein zu dürfen. Und es ist eine Herausforderung. Wirtschaft – das klingt so schwer, so gewichtig. Diese wichtigen Themen leicht und doch richtig, unterhaltsam und doch mit Mehrwert zu erklären, am Sonntag noch dazu: Das ist eine Herausforderung. Meine bisherigen Kolumnen haben mir großen Spaß gemacht und viel Schweiß gekostet. Es ist schwer, kürzer zu schreiben als lang; es ist herausfordernd, einfach zu schreiben als akademisch. Wunderbar! Und die Leser der BamS sind diskussionsfreudig. Sie sind aktiv. Fast schon Internet ….Wir dürfen nicht stehenbleiben. Wir müssen uns verändern
Zudem wurde ich zum Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V. gewählt. Die Stiftung will freiheitliche Grundsätze in Politik und Wirtschaft fördern und die Soziale Marktwirtschaft in Erhards Sinn stärken. Ziel ist eine freiheitliche Ordnung zur Sicherung menschenwürdiger Lebensformen. Die Ludwig-Erhard-Stiftung ist eine gemeinnützige Einrichtung. Sie ist unabhängig von Parteien und Verbänden.
Viele Gespräche und Veranstaltungen mit Politikern und Wirtschaftlern haben mir gezeigt: Es ist Zeit, gerade in Deutschland der persönlichen Freiheit wieder Raum zu verschaffen, Initiative zu belohnen, lähmende Bürokratien und Regulierungen zurückzudrängen und den Sozialstaat neu zu erfinden: Weniger Bevormundung, mehr Eigenverantwortung und Stolz auf das selbst Erreichte – nur so können wir die fortwährende Krise des Sozialstaats überwinden und nachhaltig Erhards Idee einer sozialen Marktwirtschaft retten.
Bleiben Sie weiter mit mir in Kontakt – auf www.rolandtichy.de, auf Facebook und Twitter. Es bleibt spannend und wird noch bunter.