Tichys Einblick
Eine verquere Schnapsidee

Robert Habeck, die große Leidfigur

Zwei Kernkraftwerke, die nur im äußersten Notfall laufen dürfen. Und das auch nur gelegentlich für längstens vier Monate. Denn das ist die längste Zeitspanne, die ein Politiker der Grünen denken kann: Habeck kann und will sein Amt nicht ausfüllen.

IMAGO/Chris Emil Janßen

Das ist der traurige Kompromiss des grünen Primaklima-Ministers Robert Habeck, der auch für Energie und das wenig Wirtschaft zuständig ist, was in Deutschland noch laufen darf, wenn das Gas aus der Röhre ist. Dafür sollen die AKWs über vier Monate in einem ungewohnten Reservebetrieb gehalten werden, obwohl Europa und Deutschland den Strom dringend brauchen: Das ist eine unfassbar verquere Schnapsidee.

Habecks Verständnis reicht nur für einen Wasserkocher

Hochfahrbar seien sie in „vielleicht ’ner Woche oder so“; wer so spricht wie Habeck, demonstriert seine komplette Unfähigkeit, der Wahrheit ins Auge zu schauen, die da lautet: Ein Kraftwerk, gleich welcher Bauart, ist kein Wasserkocher, den man schnell mal an- oder abstellt, wenn man grünen Tee für sein Müsli braucht. Moderne Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft sind komplizierter als eine Parteitagsregie. Man muss sie nicht wie Habeck gleich als „Hochrisikotechnologie“ verteufeln, aber verstehen: Abschalten und doch weiterlaufen lassen, wird nicht klappen.

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Man kann Habeck nicht verspotten. Man kann ihn nur zitieren: „Wir haben eine hohe Versorgungssicherheit. Wir haben genug Energie in Deutschland.“ Und wenige Momente später: „Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.“ Vermutlich wird er jetzt die Baerbock-Methode aus Prag anwenden müssen: Habe er gar nicht gesagt, Kontext fehlt, Putin war’s. Das geht dann so: Die AKW bleiben in Betrieb, das teure Personal, meist bereits gekündigt, wird teuer zurückgeholt. Sie erzeugen mit ihren Kraftwerken nur keinen Strom. Am Ende werfen sie die nicht verbrauchten Brennstäbe in ein gekühltes Wasserbecken; das dafür notwendige Endlager haben auch die Grünen blockiert. Bis dahin verstromen wir weiter Gas, das wir nicht haben. Und warten auf Wind oder Sonne, auch in der Dunkelflaute.

Habeck bleibt jede Erklärung schuldig: Wenn er Russland den Wirtschaftskrieg erklärt, wieso geht er dann davon aus, dass Russland deutsche Stuben heizt, in diesem Krieg? Damit wir es warm haben im Luftschutzkeller? Und wenn Krieg ist, Wirtschaftskrieg oder richtigen, warum rüsten wir dann ab statt auf? Ist Logik eine so schwere Sache, dass man keinerlei Schlüsse ziehen kann aus dem, was ist und was man anrichtet? Wer kein russisches Gas haben will, braucht andere Quellen; Gas aus Deutschland will er nicht, aus USA oder Katar kriegt er nicht, Atomstrom ist igitt. Und nun, Habeck?

Die Antwort ist: Habeck ist feige. Er scheut die Auseinandersetzung mit den grünen Anti-Atom-Zauseln in Niedersachsen und mehr noch: die mit den alten Trittins und anderen Männern von vorgestern in seiner in Unehren ergrauten Partei der ewig-gestrigen Ideologen.

Leiden mit Habeck

Klar, in Niedersachsen ist am 9. Oktober Landtagswahl, und da wollen die Grünen stehen: aufrecht, gerade, unumstößlich zu ihrer alten Leidensgeschichte vom Atomausstieg. Es wird dann suggeriert, dass Niedersachsen keinen Atomstrom braucht. Der kommt natürlich trotzdem in jede niedersächsische Waschmaschine; er kommt dann halt, wenn er noch kommt, aus dem tschechischen oder vielleicht sogar ukrainischen Kernkraftwerk, oder aus den Niederlanden, Belgien, und vielleicht ist dann das allerneueste Kraftwerk in der Slowakei lieferbereit. Deutschland saugt derzeit aus den europäischen Stromnetzen die Energie weg.

Reservebetrieb für AKWs
Habecks AKW-Plan: Ein Gipfel der Dreistigkeit
 In Prag demonstrieren sie schon gegen die gierigen Deutschen, die den Strompreis treiben, sodass Tschechen ihn bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1.200 € einfach nicht mehr zahlen können. Die Deutschen übrigens auch immer weniger. Dass Habeck Frankreich dafür verantwortlich macht, dass Deutschland zu wenig Energie hat und angeblich andere Staaten sich am deutschen Strom bedienen: Man schüttelt den Kopf. So viel Chuzpe gibt es nicht, es muss schon etwas Tiefgreifenderes nicht richtig sein bei Habeck: Ist es nur Ideologie, die die Wirklichkeit nicht wahrnimmt? Ist es gar Boshaftigkeit, um jetzt ungerührt von Leid und Elend die grünen Phantasien vom CO2-befreiten Deutschland durchzuziehen, Putin sei dank? Reiht er sich ein hinter Schröder, Merkel, Steinmeier; jene Politikerriege, deren Motive, warum sie Schaden über Deutschland gebracht haben, noch nicht letztlich geklärt sind.

In dem neuen Buch über Staatskunst beschreibt Henry Kissinger, der Altmeister der Diplomatie, was den Staatsmann ausmacht: „Die wichtigsten Eigenschaften sind Mut und Charakter. (…) Mut gibt im Moment der Entscheidung Kraft, Charakterstärke sorgt dafür, dass man seinen Werten treu bleibt.“ Große Staatslenker „brauchen auch die Eigenschaften des Künstlers, der spürt, wie er mit den Materialien, die in der Gegenwart verfügbar sind, die Zukunft formen kann“.

Diese Worte sollte man eigentlich nicht an Habeck verschwenden. Nicht einmal als Maßstab. Es ist eine seltsam lächerliche Show, die die große „Leidfigur“ (mit d) Robert Habeck da abzieht, mit der er „die Deutschen für sich einnimmt“, wie DER SPIEGEL kürzlich fabulierte. Er wird jetzt tatsächlich zur Leidfigur: Er leidet – leider sind wir dazu verdammt, mit diesem Mann mitzuleiden.

Dieser Mann will und kann sein Amt nicht ausüben. Er muss weg.


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