Nun platzt also die Dubai-Blase, wird der Traum von 1001 Nacht zur abgewrackten Shoppingmall. Scheich Mohammed bin Raschid al Maktum hat sein Emirat verzockt, und mit ihm bangen nun Banken und Investoren um ihre Milliarden. Eigentlich hätte man es ja gleich wissen können – die Arabische Halbinsel ist einer der lebensfeindlichsten Orte der Welt, und die hochgejubelten künstlichen Inseln aus Sand und Schlick haben den Charme von Sträflingskolonien. Angepriesen wurde das als Urlaubsparadies im XXL-Format, bombastisch-fantastisch.
Was heute Dubai ist, waren gestern US-Immobilien; ein paar Jahre früher waren es Internet-Aktien, ganz früher Eisenbahn-Papiere, und angefangen hat es mit der Spekulation um Tulpenzwiebeln: Wir alle waren dabei und hätten auch wissen können, dass eine Aktie der Deutschen Telekom niemals 100 Euro wert sein kann. Heute freut man sich schon, wenn sie an der Elf-Euro-Grenze kratzt.
Wenn Optimismus Kapital anlockt und Träume zu Gebäuden und Fabriken verfestigt – dann nennt man es Gründerzeit. Solche Zeiten leben vom Kredit, denn der ist in Zahlen geronnenes Zukunftsvertrauen. Wenn es gut geht, und anfangs geht es meistens gut, gibt es mehr Kredit, und Volkswirtschaftsprofessoren schreiben vom selbsttragenden Aufschwung. Erfolg schafft neue Fantasien, der Optimismus nährt sich aus den fantastischen Gewinnen der ersten Investoren. Die Grenzen des Wachstums und Bilanzregeln sind Bedenken der grauen, mutlosen Männer von gestern.
PR-Tricks und Medien befeuern die Gier und den Traum vom schnellen Profit bis zum Totentanz. Früher nannte man es Dienstmädchen-Hausse, heute ist es der Promifaktor in den Bilderblättern. Angeblich wohnen David Beckham und seine Victoria da, auch Michael Schumacher mit Corinna. Tatsächlich aber urlauben die wahrscheinlich lieber am Genfer See – nur wir glaubten sie am Golf.
Irgendwann platzt dann der Schwindel. Vielleicht bleibt in Dubai was über: ein großer Flughafen mit Shoppingmall, ein paar Büros und Hotels. Das wäre schon viel mehr, als vorher war in dieser Wüstenei. So sind auch nach den Eisenbahnpleiten die Züge weitergefahren. Der Wahn der Investoren hinterlässt produktive Strukturen, denn damit wurde Unmögliches ermöglicht. Wer die Pleitezeit überlebt, gilt als grandioser Gründer und visionärer Unternehmer, als Erbe der Krupps, als würdiger Nachfolger von Siemens, mit einem Platz in der Hall of Fame des Unternehmertums. Wer Pech hatte, wird als Hasardeur vergessen oder zur tragischen Figur wie Carl Friedrich Wilhelm Borgward, der nach der Pleite seiner Autofirma durch den Zaun auf sein Werk geschaut hat, das dann von einem Staatskommissar liquidiert wurde. Erinnert Sie die Story an, sagen wir: Madeleine Schickedanz oder Wendelin Wiedeking? The winner takes it all.
Investitionen sind in die Zukunft gerichtet, mit unbekanntem Risiko aufgeladen und ihre Erträge unberechenbar. Es gehört Mut dazu, der nicht die schmale Grenze zur Gier überschreiten darf, und Zukunftsvertrauen, das nicht in Wahn umschlagen sollte. Aber noch gibt es keinen GPS-gesteuerten Navigator durch die unübersichtlichen Gefilde von Spekulation, Investition und Zukunft.
Ist das alles Wahn, der wegreguliert gehört? Oder gehören nicht Übertreibungen und Pleiten dazu wie der Katzenjammer nach der Party?
Die Kanzlerin beklagt die Kreditklemme? Aber nicht Kapital ist knapp – uns fehlt nur der Mut zur Gründerzeit. Stattdessen regiert die Angst vor unternehmerischem Risiko. Aber Wohlstand kommt nicht vom Sozialamt. Sondern vom unternehmerischen Traum, auch von Gier und dem Beharren auf einer Vision, die Skeptiker Wahn nennen. Nur im Altersheim ist selten Rambazamba, und deshalb gibt’s auch selten Katzenjammer.
(Erschienen am 05.12.2009 auf Wiwo.de)