Auf dem Flaggschiff der Ampel ist das Chaos ausgebrochen. Kapitän Scholz hat sich in seiner Kajüte eingesperrt; ob er dort seinen Frust wegen der näherrückenden Cum-Ex-Einschläge in Alkohol ertränkt, ist reine dichterische Phantasie, die vermutlich der Wahrheit näher kommt als ein Tagesschau-Bericht. Sein Steuermann Karl Lauterbach irrlichtert über das Schiff, als wäre er auf dem Fliegenden Holländer; Befehle oder vernünftige Ansagen werden von dem nicht mehr erwartet. Panik steht ihm ins Gesicht geschrieben. Die FDP drängelt sich um ihren alten Bootsmaat Wolfgang Kubicki, der schon an den knallgelben Rettungsbooten fingert. „Liberale zuerst“ ist die Devise bei jedem Untergang, wenn es in die Boote geht.
Griff in die Kasse des Reeders
Das Schiff der Grünen fällt zurück; dies nicht nur wegen der für die Mannschaft mittlerweile sichtbaren Inkompetenz. Tatsächlich müssen alle Offizier*innen fürchten, bei Erreichung des Heimathafens wegen Untreue verhaftet zu werden – ein ziemlich einzigartiger Vorgang, dieser gemeinschaftlich begangene Raubzug in die Kasse des Reeders.
Der kaum hochseetüchtige Chiemsee-Raddampfer Bayern schert schon aus dem Konvoi aus; die Bürger seien „verunsichert“, hat der Kapitän auf dem Voralpensee, Markus Söder, erkannt. Er handelt nach dem Motto: In der Politik darf der Kapitän nicht einem abgesteckten Kurs folgen, sondern dem Wind, wie er gerade weht und wohin er einen auch treibt. Auf die Fahrtgeschwindigkeit kommt es an, nicht auf einen Zielhafen. Das muss auch so sein, weil sein Zickzack-Kurs nirgendwo hinführt, außer zum Ausgangspunkt. Auf dem Chiemsee ist das auch nicht so schlimm. Sonst schon.
Die Scholz-Flotte funkt Seenot, der Admiral schweigt.
Ende einer Seefahrt
Damit allerdings endet die fröhliche Kahnfahrt. Die politische Realität ist hart genug: Olaf Scholz muss von seinem harten Corona-Kurs abkehren. Das widerspricht den Regeln, die sich die Politik in den letzten Jahren verschrieben hat. Sie folgt ja nicht mehr den Interessen der Wähler, sondern ihren globalen Ideologien, die Wähler stören nur. Jede Kurskorrektur erscheint als Kapitulation vor denen, die man nur sehr gern und schnell „Populisten“ oder „Rechte“ schimpft. Dass es davon immer mehr werden und die Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen brave Bürgerlein wie alte Linke gleichermaßen erfasst, hat bislang nur Markus Söder erkannt. Gegen die Wähler zu regieren klappt aber nur, wenn die wie der Frosch im Kochtopf nicht merken, dass das Wasser langsam wärmer und bald zu heiß fürs Überleben sein wird.
Genau das aber, den ständigen Temperaturanstieg bis zur Lebensfeindlichkeit, erfahren die Bürger derzeit da, wo das politische Erdbeben am zuverlässigsten gemessen wird: im Geldbeutel.
Die Energiepreisexplosion frisst den bescheidenen Wohlstand auf. Der Klimaschutz bedeutet im Alltag, dass die Wohnung nicht mehr warm wird, und die Lebensmittel wegen der klimapolitisch erwünschten „Greenflation“ unbezahlbar zu werden drohen. Die Mobilitätswende bedeutet nicht, dass endlich die Bahn pünktlich fährt oder das Netz am Stadtrand dichter, sondern nur, dass das Auto unbezahlbar wird.
Viele Bürger aber erleben, wie wenig Aussagen der Politik wert sind: Wer gestern noch an „Impf Dich frei“ geglaubt hat, steht plötzlich draußen vor der Tür. Plötzlich sind es nicht die Ungeimpften, die diesen Staat bis zur Unkenntlichkeit verändern, sondern die Regierenden. Prügelnde Polizisten, ständig neue Märchen über Okkupationen der Spaziergänge in West und Ost durch eine zu offensichtlich angeblich immer weiter zunehmende Anzahl Reichsbürger und Rechtsextremisten sowie Innenstädte, belagert von langen Polizeikolonnen und flackerndem Blaulicht, dröhnenden Helikoptern wie in München, die die Bevölkerung einzuschüchtern versuchen: „Das ist nicht mehr unser Land“, sagen Woche um Woche immer mehr aus der Mitte der Gesellschaft.
Tatsächlich ist unter der Koalition von SPD, Grünen und FDP die liberale, offene und freiheitliche Bürgergesellschaft vor die Hunde gekommen. Jüngster Höhepunkt ist Dresden, regiert von einem FDP-Oberbürgermeister: Dort wird offen auf den Verordnungsweg zurückgegriffen, den viele Dresdner seit der Wiedervereinigung für überwunden geglaubt haben:
„Untersagt sind alle Versammlungen, welche den gemeinschaftlichen Protest gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie (Hygienemaßnahmen, Impfungen etc.) zum Gegenstand haben bzw. darauf Bezug nehmen.“
Bemerkenswert ist dabei eine Wortschöpfung der Behörde: Versammlungen von „maßnahmenkritischem Klientel“ seien für den Tag generell untersagt.
Nur noch Jubel-Versammlungen erlaubt
Damit setzt die Verwaltung das Versammlungsrecht für einen Teil der Bevölkerung faktisch aus. Das liegt auf der politischen Linie des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), der vor einigen Tagen verkündete: „Gegen Schutzmaßnahmen zu sein ist kein Grund, auf die Straße zu gehen“.
Auch die SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser versucht, das Grundrecht auf Demonstration auszuhebeln:
„Man kann seine Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln.“
Nach dieser Logik waren in der Vergangenheit AKW-kritische Demonstrationen ebenso überflüssig wie heute Protestumzüge gegen Windräder; hätte Faeser in den 1960ern regiert, wären die Ostermärsche ebenso verboten wie die Aufzüge der Arbeiterklasse zum 1. Mai: Alles kein Grund mehr, auf die Straße zu gehen?
Der Protest gegen Corona-Maßnahmen, ob man sie noch für vernünftig, weit überzogen oder grundfalsch hält, wird zunehmend ersetzt durch einen, der sich gegen die Abschaffung der Grundrechte richtet.
Mittlerweile rücken selbst die fanatischsten Befürworter von Dauerzwangsimpfungen von diesem Ziel ab; Omikron macht es möglich, die Sache entspannt anzugehen – und die Nachbarländer machen es vor. Auch immer mehr Bundestagsabgeordnete rücken im Vier-Augen-Gespräch davon ab; aber nur zitieren darf man sie nicht, noch nicht: Offene Worte zu pflegen und eine eigene Meinung zu formulieren, ist keine Tugend mehr, die im gegängelten und entmündigten Parlament gepflegt werden darf.
In der politischen Logik bräuchte es jetzt einen, der als erster vorprescht mit dem Satz: „Stoppt den Schwachsinn“. Üblicherweise wäre das der Oppositionsführer; der fällt aus, weil in Deutschland dafür nur Friedrich Merz zur Verfügung stünde. Der fühlt sich aber nur seinen Freunden in der Finanzindustrie verpflichtet, denen er im Konflikt mit Russland den lukrativen Swift-Mechanismus retten will, über den die profitablen Finanzgeschäfte mit Putins Reich weiter ablaufen sollen.
Der erste aus den Reihen der Ampel, der zum Handeln aufruft, muss befürchten, als Verräter mit dem Dolch im Gewand selbst politisch erledigt zu werden, ehe er Recht bekommt. In der selbstbezüglichen Berliner Politikblase der sich gegenseitig bestätigenden Anhänger der „großen Transformation“ wohin auch immer bräuchte der Überbringer der Wahrheit ein schnelles Pferd. Aber es gibt nur den Fuhrpark des Bundestags.
So schlingert und schaukelt die von Olaf Scholz geführte Flotte disparat vor sich hin wie ein Haufen Badeenten im Atlantik.