Tichys Einblick
Totalitarismus-Alarm

Nancy Faesers Sehnsucht nach der gleichgeschalteten Gesellschaft

Bundesinnenministerin Nancy Faeser gerät immer mehr in Konflikt mit dem Grundgesetz. Ihr schwebt eine gleichgeschaltete Gesellschaft vor, die der Politik auf Pfiff folgt. Es ist die Demontage der pluralistischen Gesellschaft.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Deutscher Bundestag. Berlin, 30.11.2023

IMAGO / photothek

Vielleicht sollte Bundesinnenministerin Nancy Faeser folgende Sätze in ihr Morgengebet aufnehmen:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Erraten, es sind die Artikel 3 und 4 des Grundgesetzes. Sie könnte noch Artikel 1 beten:

„Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“

Nancy Faeser fuhrwerkt durch dieses erhabene Gesetz wie ein Ochs im Porzellanladen, der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen strahlt verglichen mit ihr mehr Eleganz und Würde aus.

Sie will, dass unsere private Kommunikation in den modernen Medien zu kontrollieren ist und hat für diese „anlasslose Chatkontrolle“ sogar einen führenden Beamten auf hinterhältigste Weise entsorgt, der sich dieser Missachtung entgegengestellt hat, wie es seine Pflicht war. Es soll, auf EU-Ebene, die Überwachung und Kontrolle der sozialen Medien folgen. Nancy Faeser fehlt jedes Verständnis für Vielfalt, Freiheit und Machtbegrenzung.

Findet Zensur neuerdings doch statt? 

Nun hat Nancy Faeser die Vertreter der Wirtschaft aufgefordert, „Haltung gegen die AfD“ zu zeigen. Egal, ob einem die Partei behagt oder nicht: Es geht um Grundrechte, und die gelten uneingeschränkt. Das muss man auch SPD, Grünen, FDP und CDU vorhalten, die alle applaudiert haben. Es ist nicht Aufgabe eines Bundesministers, eine Partei zu preisen oder zu verdammen. Parteipolitische Neutralität gehört zu den Pflichten der Regierung, auch wenn jedem Minister die eigene Partei am nächsten stehen mag.

Die pluralistische Gesellschaft kommt ohne „Wir“ aus

Aber Nancy Faeser legt ein uns fremdes Staatsverständnis an den Tag. Sie pflegt ein totalitäres Staatsverständnis, das nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und einer pluralistischen Gesellschaft steht.

Die pluralistische Gesellschaft kann man für schlichte Geister auch mit differenziert und divers umschreiben. In einer pluralistischen Gesellschaft gibt es kein absolutes Machtzentrum, Macht wird auf verschiedene Institutionen verteilt. Entscheidungsbefugnis kann zudem nur auf Zeit an einzelne Personen delegiert werden. In der pluralistischen Gesellschaft gibt es Platz für vielerlei Gruppen, Ansichten und Lebensweisen und eine ständige Konkurrenz um politische Entscheidungen.

Es gibt aber auch eine strenge Aufgabenteilung: Die Parteien dürfen bei der politischen Willensbildung „mitwirken“, nicht sie bestimmen, Frau Faeser. Ihre Aufgabe ist beschränkt auf die Sphäre des Politischen. Daneben gibt es andere, in die die Politik nicht einzugreifen hat: etwa die private Lebensführung und die Familie. Auch die Wirtschaft ist nicht Büttel des Staatsapparats. Eingriffe in das Wirtschaftsleben sind streng zu begrenzen. Der Staat ist für die Politik da, die Wirtschaft für das Wirtschaften. Wissenschaft und Kirchen bilden andere politikferne Bereiche. Das „Wir“, das neuerdings Olaf Scholz so betont, gibt es nicht – es gibt keine Einheit von Bürger, Politik, Gesellschaft und Staat.

Faeser, und mit ihr immer mehr Ampel-Politiker vermengen diese Bereiche, aus denen sie sich rauszuhalten haben. Familienminister regieren in die Familien hinein, versuchen zu beeinflussen, wie sich Ehepartner die Arbeit teilen, wer also den Müll wegbringt. In Kitas und Schulen erfolgt in wachsendem Maße eine gezielte Manipulation der Kinder, deren Geschlechtlichkeit in Frage gestellt werden soll; eine Art Ironie, dass man sich dabei auf ein „Gleichstellungsgesetz“ beruft. Die evangelische und katholische Staatskirche haben sich längst dieser Politik unterworfen. Sie öffnen und schließen ihre Kirchen nach staatlichen Vorgaben, folgen den Ansagen der Politik in so umstrittenen Themenbereichen wie Migration und Kimapolitik. Gläubige mit anderen Sichtweisen sollen aus der Teilnahme am kirchlichen Leben ausgeschlossen werden, fordert beispielsweise der katholische Bischof Marx. 

Man kann aus der Kirche austreten

Aus der Kirche kann man, auch wenn es bürokratisch erschwert wird, austreten. Aus diesem Land nicht, auch nicht aus seinem Wirtschaftsleben oder den Unis.

Nancy Faeser fordert so etwas wie den totalen Staat, in dem alle Bereiche im Sinne ihrer Ideologie gleichgeschaltet werden. Wir sind auf dem Weg dahin, auf dem Weg zum Staatsgulasch, indem alles verkocht, vermengt und nach dem Willen der Politik abgeschmeckt werden soll.

Mit dem Grundgesetz, siehe die Einleitung, hat das nichts mehr zu tun.

Erst hat man das Grundgesetz im Zuge der Corona-Politik auf eine Art Gnadenrecht reduziert, dessen wesentliche Elemente gewährt oder genommen werden können, ganz wie es der Politik gefällt. Offensichtlich sind sogar die Richter am Bundesverfassungsgericht erschrocken über das Maß an Gleichschaltung, dem auch sie sich unterworfen haben. Jedenfalls deutet das Urteil über die Missachtung des Haushaltsrechts in die Richtung, dass sie sich wenigstens in Teilbereichen auf ihre Aufgabe zurückbesinnen, den Bürger vor einem übergriffigen Staat zu schützen.

Nun ist es ein deutscher Irrglaube, die Welt durch Paragraphen ordnen zu können. Sie können dabei helfen. Aber es ist die Aufgabe der Bürger, ihre Freiheiten zu verteidigen. Das kann ihnen kein Paragraph und kein Gesetz abnehmen. In diesem Sinne ist festzuhalten, dass wir uns gegen Faesers Vorstellung des gleichgeschalteten Staatswesens stellen müssen.

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