Kommt nach der Energiewende jetzt die „Verkehrswende“? Nicht nur Bundesumweltministerin Barbara Hendricks fordert, „dass wir endlich damit beginnen müssen, die Verkehrswende zu organisieren“.
Deckung, die Wende kommt
Nun sind Fehler von Teilen der Auto-Industrie offenkundig und der Betrug einer Gruppe von Managern hauptsächlich im halbstaatlichen VW-Konzern nicht zu beschönigen. Aber ist die Energiewende wirklich ein gutes Beispiel?
Gerade in diesen Monaten wird die Hilflosigkeit der Energiewende-Macher immer deutlicher: Sie ist längst ein Trümmerhaufen, ein sehr, sehr teurer sogar. Auf rund 1.000 Milliarden Euro schätzte Kanzleramtsminister Peter Altmaier die Kosten; jede vierköpfige Familie ist mit derzeit 300 € im Jahr dabei und die Kosten steigen ständig weiter. Die Gefahr eines buchstäblich vernichtenden Blackouts steigt – schrittweise werden auch die letzten Kernkraftwerke in Süddeutschland abgeschaltet; aber bis der Strom aus den Windparks im Norden kommt, wird es noch ein dutzend Jahre dauern. Und bis es so weit ist? Was geschieht, bis es endlich Stromspeicher gibt, für die derzeit keine belastbaren Projekte existieren, außer einiger Batterien im Haushaltsbereich ohne Systemwirkung? Französische Kernkraftwerke haben auf Bitten der Deutschen um die Jahreswende wohl an der Grenze des gerade noch Zulässigen gearbeitet und auf fällige Wartungen verzichtet, weil Strom nach Deutschland geliefert werden musste. Das ist Wende bekloppt.
Im Winter schickt die Sonne keinen Strom und der Wind will nicht wehen. Daran ändert auch nichts, wenn mehr Dächer mit Solarzellen und Mittelgebirge mit Windrädern verschandelt werden: „Zwei mal Null ist Null ist Null“, so lautet ein rheinischer Karnevalsschlager. Will heißen: Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, hilft auch die doppelte, die dreifache oder die vierfache Anzahl von Solaranlagen und Windkrafträdern nicht – dann kommt der Strom aus herkömmlichen Kraftwerken: im Januar in Baden-Württemberg übrigens zu 98 Prozent. Und diese Altkraftwerke müssen bereitstehen für diese Zeit und auch bezahlt werden – auch dann, wenn sie bei Sonne und Wind stehen. Das ist das eigentliche Drama der Energiewende: Noch höhere Kosten und noch höhere Anstrengungen und noch höherer Landschaftsverbrauch verbessern die Lage nicht, sondern spreizen nur das Missverhältnis zwischen ständigem Bedarf und gelegentlicher erneuerbarer Leistung weiter auf eine Lücke, die herkömmliche Kraftwerke dann teuer schließen müssen.
Deshalb sinkt auch der Ausstoß von Klimagasen in Deutschland nicht, sondern steigt – ohne Braunkohle droht der Blackout; aber der Neubau effizienterer Werke lohnt nicht für den stundenweisen Betrieb. Immer mehr Bürger wehren sich gegen die Zerstörung ihrer Heimat, die unter dem Schatten der Wind-Riesen zur unwirtlichen, unbewohnbaren Industriebszene verkommt – alles übrigens nicht überraschend – es wurde präzise prognostiziert.
Wer jetzt leichtfüßig vom Elektro-Auto als Lösung aller Probleme schwärmt, steht vor einem ähnlichen Dilemma: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens, aber nicht die Lösung. Woher kommen die Massen an chemischen Rohstoffen für Batterien und wo werden sie nach ihrem Gebrauch landen; woher kommt der Strom – das derzeitige Energiesystem würde eine Verdreifachung der ohnehin unerträglichen Anzahl von Windrädern erfordern. Wer legt die vielen Kabel, wo ist das Kupfer dafür, wo werden die Ladestationen betoniert? Wie wird die Reichweite erhöht – oder müssen wir zukünftig zu Hause bleiben, wenn es kalt wird und das Elektromobil streikt? Fragen über Fragen.
Wer von der Energiewende jetzt auf die Verkehrswende überleitet, der macht mir Angst. Riesenangst.
Der Sturm, aus dem die Wenden sind
Leider ist das alles der Sturm, aus dem in Deutschland Wenden zum Schlechteren gemacht werden. Die Automobilindustrie erlebt einen wahren Monstersturm. Ihr eigenes Gemurkse in der Dieselkrise hat Kredit vernichtet. Aber es muss mehr zusammenkommen, um die Lage unbeherrschbar zu machen. Es ist ein Sturm im Blätterwald und eine Politik, die sich ertappt fühlt und jetzt von einigen Medien getrieben wird, wie die FAZ plötzlich erschrocken feststellt – im Medienteil, nicht im Wirtschaftsteil. Diese drei Zutaten sind zu beobachten. Wer in diesen Zeiten liest oder elektronische Medien konsumiert, lernt: Es gibt ein Diesel-Kartell, das die Autofahrer betrügt und aussaugt. Nur gut, dass Rettung naht – in Gestalt der Elektroautos, die alles, alles besser machen. Selbst früher abwägende Blätter sind dabei; die FAZ und das Handelsblatt beispielsweise.
Selbst bei diesen Wirtschaftsblättern gehen die Begriffe lustig durcheinander: Ein Kartell dient der Preis- oder Mengenabsprache, um höhere Preise zu erzielen; es ist nicht zu vergleichen mit einem Standardisierungs- oder Entwicklungskartell, das einheitliche Normen festlegt – das ist nämlich ziemlich im Interesse des Verbrauchers. Und tatsächlich ist die Automobilindustrie da mit der Kartellierung ziemlich weit: Überall ist das Gaspedal rechts, und die Bremse links. Andersherum wäre orginell, aber selbstmörderisch. Den Kartellbehörden waren die Arbeitsgruppen wohl seit 2014 bekannt – passiert ist aber nichts. Nach einem handfesten Skandal sieht das bis jetzt nicht aus.
Das Geheimkartell, das jeder kennt
Und es gibt eine Steigerung: Ein „geheimes Kartell“. Dumm nur, dass der SPIEGEL selbst schon 1996 darüber geschrieben hat. Sogar fordernd: Das „Kartell“ der fünf deutschen Autobauer Porsche, Volkswagen, Audi, Daimler und BMW agierte offenbar doch nicht so sehr im Verborgenen, wie die Berichterstattung im SPIEGEL jetzt nahelegt. Zum Thema Abgasreinigung betreiben die fünf Hersteller seit 1996 sogar ein Gemeinschaftsunternehmen mit Namen „Abgaszentrum der Automobilindustrie“ (ADA). Die Gesellschaft mit Sitz im Porsche-Entwicklungszentrum Weissach hat eine eigene Steuernummer und eine eigene Website.
Aber nicht nur um das Kartell geht es. Es geht um ein neues Narrativ: Die Zukunft fährt elektrisch“, weiß der sonst bedächtige Carsten Knop von der FAZ. Und dafür wird die Wirklichkeit zurecht gebogen; oder wie man heute sagt: Ein neues Narrativ wird herbeigeschrieben, bis die Fakten krachen. Frankreich und Großbritannien wollten bis 2040 den Verbrenner verbieten. Bislang haben allerdings nur die jeweiligen populistischen Umweltminister in Paris und London diese Forderung erhoben. Aus ihrem Gerede wurde in der deutschen Presse ein Faktum: „Großbritannien: Ab 2040 Verkaufsverbot für Verbrenner“, titelt die WELT. Aha, die WELT wird hier nur stellvertretend genannt; „Großbritannien verbietet Verbrenner“, weiß Auto-Bild und das Manager Magazin anklagend: Auch Briten wollen Diesel und Benziner ab 2040 verbieten – und was macht Deutschland?
Ja, was macht Deutschland?
Fährt die Zukunft elektrisch?
Vielleicht, weil sie in Deutschland gerade heubeigeschrieben wird, und Politiker aufspringen. Oder meinen, aufspringen zu müssen. Öffentlichkeitswirksam kritisiert Umweltministerin Barbara Hendricks VW, deren Aufsichtsratsvorsitzender ihr Parteifreund Stefan Weil, im Nebenberuf Ministerpräsident von Niedersachsen ist. Verkehrsminister Alexander Dobrindt zaubert flugs ein Zulassungsverbot für ein zahlenmäßig eher seltenes Auto aus der Tasche, nachdem der Hersteller selbst Korrekturen angemeldet hat; und in Stuttgart erklärt ein Gericht Fahrverbote für Rechtens.
Es ist der perfekte Sturm.
Aber nicht weil die Fakten so sind, sondern weil sie so gestaltet werden, oder weil das neue Narrativ der Medien lautet: die Zukunft fährt elektrisch, weil es sauber ist und Energie spart, und die Deutschen haben diese Zukunft verschlafen. Deshalb muss der Staat sie dazu zwingen. „Nicht mehr lange, dann wird auch die deutsche Autoindustrie den Liebesentzug zu spüren bekommen. Die jüngste Krise hat für sie Züge von Fukushima“, schreibt die Süddeutsche Zeitung gewissermaßen in eigener Sache.
Bei dem Spiel um die Zukunft sind die Karten nicht fair gemischt, warum auch. Die Politiker beherrschen nicht die Sache; die ist ihnen egal. Hier geht es um Wiederwahl, ohne Wiederwahl ist Alles nichts. Und zu diesem Zweck beherrschen sie das Zusammenspiel mit den Medien, die bekanntlich ohnehin ihre eigene grüne Agenda verfolgen. Man muss nicht den WDR-„Experten“ zitieren, der der „Automafia“ vorwirft, Menschen „zu vergasen“ – diese Trivialisierung des Holocaust ist jedem peinlich. So entsteht im Ping-Pong zwischen Redaktionen und Politik diese Fukushima-Stimmung: Es muss etwas geschehen, etwas grünes, zukunftsweisendes – zu Lasten der Konzerne, selbstverständlich. Bei der Energiewende hat Angela Merkel vorgeführt, wie man das macht: Sie ist die begnadete Intendantin des politischen Illusionstheaters. Es wird etwas vorgegaukelt, was die Realität nicht bieten kann. Wird das offenkundig, wird der Mitteleinsatz zur Fortsetzung der Vortäuschung erhöht, und eines ist sicher.
Die Medien klatschen Beifall
Die Autokonzerne sind längst an die Kette gelegt. Wegen der Kartellvorwürfe sind sie zum Schweigen verurteilt, jedenfalls meinen das die Rechtsabteilungen. Flugs konstruiert das Handelsblatt (Nr. 144/28.7.) daraus auch noch ein „Schweigekartell“.
Die Autobosse haben verlernt, öffentlich zu kommunizieren. Sie kämpfen nicht auf offener Bühne, sie argumentieren, wenn überhaupt, hinter verschlossenen Türen. Das ging ja auch gut so in der Vergangenheit. Denn da lief es so ab: die Wirtschaftspolitik in der EU, in Form von Wirtschafts-, Verkehrs- und Umweltminister legten für die Abgaswerte Grenzwerte fest, die industriepolitisch gerade noch machbar erschienen. Die Umweltminister konnten sich dabei nicht durchsetzen.
Aber wer zahlt die Rechnung?
Für Deutschland im Besonderen und Europa sieht die Lage nicht lustig aus. Der Diesel ist der industriepolitische Versuch, über niedrigen Verbrauch CO2 zu sparen. Fällt der Diesel weg, steigt der durchschnittliche Flottenverbrauch der verkauften Fahrzeuge, und das zieht Strafen nach sich. Die USA waren an Verbrauchswerten nie besonders interessiert; die Gallone ist aus europäischer Sicht ohnehin kurz vor gratis zu tanken. Drüben ging es um Stickoxide, nicht CO2. Jetzt wurde letztlich klar gemacht: Der europäische Weg führt in den USA nicht zum Erfolg. Mit dem jetzt ruinierten Ruf des Diesels sind die italienische (so weit es sie noch gibt), spanische, französische und deutsche Autoindustrie schwer getroffen. Ihr Weg mündet in eine Sackgasse. Nun gut, bauen wir halt Elektro! Sie können es, Elektro ist eine Kunst, die seit 1910 beherrscht wird. Aber klar ist: Die Entwickler-Horden braucht dann keiner mehr, und auch nicht die aufwändigen Fabriken. Die eigentliche Krise des Elektro-Autos liegt nicht in seiner technischen Dimension – den Schaden hat der Kunde, der damit liegen bleibt. Der Schaden liegt in den Abfindungslasten, die auf die Autokonzerne zukommen, je schneller sie sich umbauen. Das reduziert ihre Fähigkeit, zu investieren – zu investieren in das autonome Fahren, denn das ist die eigentliche Herausforderung.
Der Sieg über den Diesel ist damit ein Sieg – nun ja, von Tesla, Google, Apple und auch noch vom guten alten GM. Es ist eine industriepolitische Schlacht, die Europa verloren hat. Und das sogar gerne und unter Jubelgeschrei von Medien und Politik. Und wie zur Bestätigung faselt der Wirtschafts-Stichwortgeber der SPD Michael Fratscher von „guten, neuen Jobs“. Das erinnert ebenso fatal an die gefälligen Gutachten von McKinsey und Roland Berger über Hunderttausende von grünen Jobs wegen der Energiewende. Es gibt sie schlicht nicht.