Tichys Einblick
Im Trinklied liegt die Wahrheit

Was ist Ihr Motto-Lied für 2024? Wir hätten da was anzubieten

Nein, sie lassen sich nicht bremsen: Egal ob Migration, Energie, Krieg, Klima oder Wirtschaft und „Selbstbestimmungsgesetz“ – die Koalition macht auf große Transformation. Wie gehen wir Transformationsopfer damit um? Denken Sie daran – im Trinklied liegt mehr Wahrheit als in einer Regierungserklärung von Olaf Scholz.

Manche Schlager wollen einfach nicht verschwinden. Hier mein Motto-Song für 2024:

Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen,
ihr klein Häuschen, ihr klein Häuschen.
Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen
und die erste und die zweite Hypothek.

Es war die Inflationshymne der 1920er-Jahre. Der Varietékomiker Robert Steidl, Star im Berliner Apollo- und Metropoltheater, hat es auf die Bretter gebracht, die damals die Welt bedeutet haben. Und es ist nicht totzukriegen. Es wurde umgedichtet zu „Meine Oma fährt Motorrad ohne Bremse ohne Licht“, und der Kinderchor des WDR machte 2019 daraus den Refrain „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“.

Auch wir bei TE haben uns damals darüber aufgeregt. Aber aufregen bringt ja nix. Das Lied hat sich in unserem kollektiven Gehörgang festgefressen, ein echter Ohrwurm. Lassen wir ihn wieder aufleben.

Es ist mehr als ein Karnevalslied zum Schunkeln bei Mainz, wenn es weder singt noch lacht. Es ist mehr. Frank Schirrmacher, der letzte mit einem klugen Kopf in der alten FAZ, schrieb 2004 dazu: „Die Botschaft des Textes liegt klar auf der Hand: es ist der Höhepunkt der Inflation in Deutschland, die Lebensleistung der Alten ist in Zeiten der komplexen Kapitalentwertung gerade gut genug, um verschwendet zu werden.“

Und da sind wir schon da, warum es meine Motto-Empfehlung ist: Unser Oma ihr klein Häuschen wird diesmal nicht von der Inflation aufgefressen, sondern von Robert Habecks Heizungsgesetz. Wenn Oma das Dach isoliert hat, die Wände mit Styropor verklebt, die Fenster dreifach verglast hat, der Kachelofen rausgerissen und die Kellerdecke neu gemacht ist – tja, dann ist keine Kohle mehr da für die Wärmepumpe und man kann den Restwert gerade noch schön an einem Abend versaufen; wenn man Glück hat, ist die Kneipe noch nicht pleite.

Und wenn Oma die Renovierung nicht stemmt, dann kann man das versaufen, was noch übrig ist, nachdem der Caterpillar die alte Bude weggeräumt hat, so unsentimental dröhnend, wie eben so ein Diesel brummt, dem als Alteisen auch bald nur noch den Restwert einer Flasche Korn bleibt, wenn er nicht elektrisch wird. Ein rosa Elefant steht im Raum, reden wir nicht drüber. Das gehört sich nicht. Er macht ja auch die Augen zu.

Die Hymne der Deutschen?

Man soll ja nicht übertreiben, aber vielleicht ist es sogar die Hymne der Deutschen. Das Deutsche Reich war ja ein Erfolgsmodell; wirtschaftlich so wie China heute, technologisch so weit vorne, als hätte Elon Musk vielfach geklont alle Fakultäten beherrscht, nicht übermäßig demokratisch, aber durchaus rechtsstaatlich, mit rotzfrechen Zeitungen wie dem Simplicissimus, deren jeweiliger Chefredakteur ein sogenannter „Sitzredakteur“ war. Sitzredakteur, weil einer musste ja die fällige Strafe für die Majestätsbeleidigung absitzen; meist ein erfahrener Knastbruder. Brauchen wir bei TE auch bald wieder einen Sitzredakteur? Statt Majestätsbeleidigung nennt man es heute „Hass und Hetze“, das Ergebnis ist gleich.

Der sozialdemokratische Vorwärts verkaufte damals Rekordauflagen, weil er die in der Sache harten und im Ton scharfen Reichstagsdebatten abdruckte. Sollten wir das auch mal versuchen, bei TE? Der Untergang des Magazins durch Langeweile wäre programmiert. Der Reichstag war schärfer, entschiedener, frecher als die müde Veranstaltung, die heute in seinen zu Tode renovierten Mauern ihr Ja und Amen leiert zu dem, was die Regierung vorhat: Regierungstreuer und ergebener geht es kaum. Die amtliche Langeweile der Regierungsabgeordneten wird nur unterbrochen, wenn Beatrix von Storch einen Mann einen Mann nennt. So was aber auch! Da hagelt es Strafgeld und Aufregung auch von der braven Opposition. Wahrheit geht gar nicht.

Aber wir wissen ja, perdu. Tand, Tand, ist alles von der Deutschen Hand. Ein verlorener Weltkrieg, Opa tot und der Oma ihr klein Häuschen noch einen Saufabend wert. Dann ging’s kurze Zeit aufwärts, die Inflation schien überwunden, da kam der blöde Adolf und dann die Royal Airforce, da war das Häuschen auch gleich weg, da war nichts mehr mit Versaufen.

Dann Wirtschaftswunder, die Oma fuhr im Hühnerstall Motorrad, auch auf die Melodie vom kleinen Häuschen. Später sogar Wiedervereinigung, und ab 2000 das Jahrzehnt der Häuschen-Bauer in den neuen Bundesländern. Es hätte so schon sein können; deutsche Geschichte im Schnelldurchlauf ist die Abfolge von ungeheurer Leistung und grandiosem Vernichtungswillen; wir haben es geschafft, regelmäßig das Land in einen riesigen Haufen Vogelschiss zu verwandeln. Sind wir wieder so weit?

Drink doch ene mit

Oh nein, keine Sorge, es folgt keine volkswirtschaftliche Abhandlung, heute ist Silvester, oder ist es schon Neujahr? Wer zählt schon die Stunden, nennt die Tage? Es ist ja auch noch nicht alles verloren, hören Sie auf mit ihrem Pessimismus. Das grüne Wirtschaftswunder steht schon vor der Tür, wir wissen nur nicht, vor welcher. Vielleicht kauft auch die Stadt das Häuschen, und siedelt die vielen neu hinzugekommenen Familien darin an, während die Enkel sich zeitgemäß mit legalem Cannabis der Realität entrücken, zu irgendwas muss auch ein Lauterbach gut sein. Schließlich brauchen wir nach „wir haben Platz“ Platz!

Wie in den 1920ern stockt ja die Bauwirtschaft. 400.000 „Flüchtlinge“ und Familienangehörige allein in diesem Jahr, eine mittlere Großstadt mit so vielen Einwohnern wie Kassel und Rostock zusammen und allein der in 2024 erwartbare Familiennachzug bringt noch einmal neu Mainz oder Lübeck dazu: Da kommen die kleinen Hütten der Omas gerade rechtzeitig und billig auf den Markt. Der regelt alles, wenn man ihn richtig einfädelt. Der Staat lenkt jetzt den Markt, sagt Habeck, aber es ist keine Planwirtschaft. Wir wollen es ja so.

Weil wir schon dabei sind: Trink, Brüderchen trink, und ihr Schwestern auch! Wer denkt schon an morgen, da ist noch Zeit genug. Zum Schluss: etwas schwierig zu entziffern, das Lied der Kölner Bläck Fööss. Aber probieren Sie es mal, nach 2, 3 Herrengedeck geht es lockerer:

Ne ahle Mann steht vür der Wirtschafftsdür,
Der su jern ens ene drinken däät,
Doch he hätt vill zu wennisch Jeld,
Sulang he uch zällt.

In der Wirtschaff is die Stimmung jrus,
äver keiner sück der ahle Mann,
doch do kütt ene mit enem Bier,

Und sprisch en enfach an.

Drink doch ene met,
Stell dich nit esu ann,
Du stehs he die janze Zick erüm.
Hässt du och kei Jeld,
Dat is janz ejal,…

Stimmt. Es ist ganz egal. Es gibt doch Bürgergeld. Und wer sagt schon, dass nur wir dafür die Steuern aufbringen müssen? Ist das Häuschen erst weg, steht dem neuen privaten Wirtschaftswunder nichts mehr entgegen. Da schaut Oma mit ihrer Rente echt alt aus, und der Staat zahlt auch die Miete.

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