Der Euro spaltet Europa – und Deutschland polarisiert: Bewunderung in Frankreich kontrastiert mit Hass in Italien und Griechenland
Einmal pro Minute, errechnete kürzlich „Le Monde“ aus Paris, habe Nicolas Sarkozy Deutschland in seinem Wahlkampf-Auftakt zum Vorbild für Frankreich hochgejubelt. Das Modell Deutschland also ist Sarkozys Wahlprogramm für die wirtschaftlich lahmende Grande Nation? Da reibt man sich verwundert die Augen und erinnert sich an die Montagsdemonstrationen gegen die jetzt so vorbildlichen Hartz-Reformen und an den neuen Revisionismus in der SPD, die die eigenen Veränderungen wieder zurückdrehen will. Aber gut, es läuft ja tatsächlich gut in Deutschland, und gerne gönnt man dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder die späte Genugtuung. Aber diese Bewunderung, die auch in Großbritannien, Norditalien, den Niederlanden und sogar in Spanien geäußert wird, kontrastiert mit einem ganz anderen Deutschen-Bild, das in Griechenland und Teilen Italiens gemalt wird: Da nennt “Il Giornale” die Bundeskanzlerin “Fettarsch”, Angela Merkel kommt in Zeitungen als Nazi-Schlampe oder mit Hitler-Bärtchen vor. Werden Hilfsmilliarden nicht bedingungslos überwiesen, wird dies in Griechenland als Einmarsch der Wehrmacht diffamiert. Das ist so befremdlich wie die obszöne Gleichsetzung von millionenfachem Mord mit einer Debatte um die richtige monetäre und fiskalische Politik. Der Lack der europäischen Völkerfreundschaft ist dünn und schnell zerkratzt; schnell bricht der alte Hass hervor, der Europa so lange zerfetzt hat.
Man muss es leider auch so sehen: Die Verbrechen der Vergangenheit werden kühl und berechnend zum Zweck der moralischen Erpressung instrumentalisiert. Denn in Europa tobt ein Kampf zwischen einer auf Geldwert und an Haushaltsdisziplin orientierten Stabilitätspolitik, für die Deutschland steht, und der Reformverweigerung in Athen, aber streckenweise auch in Rom und Lissabon. Dabei ist der Süden auf der Straße des Erfolgs: Die Europäische Zentralbank hat sich binnen weniger Wochen vollständig aus ihrer Aufgabe verabschiedet für einen stabilen Geldwert zusorgen. Sie betreibt vielmehr direkte Fiskalpolitik, indem sie Hunderte von Milliarden an Euro für die klammen Staatshaushalte druckt. Der wahre Umfang dieser Finanzierung über die Druckerpresse ist der deutschen Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt geworden. Die Bundesregierung beschönigt dies, um ihr Versagen nicht offenkundig werden zu lassen. Und Medien, Sozialdemokraten und Grüne haben es nicht begriffen oder schlimmer noch: verschweigen es, um nicht als Anti-Europäer gebrandmarkt zu werden. Denn klar ist auch: Deutschland haftet dafür, wenn neuerdings die griechische Zentralbank Schrottpapiere griechischer Pleitebanken als scheinbar solide Anleihen annimmt, dafür Milliarden an Euro hergibt, die dann wiederum in der Staatskasse landen und für die Deutschland bürgt.
Jetzt schlägt die Tabuisierungsstrategie zurück: Mit der Formel “Euro oder Krieg” wurde die Debatte über Fehler der Wirtschafts- und Fiskalpolitik totgeschlagen und wurden Kritiker mundtot gemacht. Die schrillen anti-deutschen Ausbrüche sind nur Exzesse eines viel tiefer gehenden Konflikts: Die wirtschaftliche Logik erzwingt ein sofortiges Austreten aus der Euro-Zone. Aber die politische Logik verbietet genau dies, weil dann Deutschland als der Zerstörer Europas an den Pranger gestellt werden würde. So sitzt Deutschland in der Falle: Da mag sich die Bundeskanzlerin über ihren europäischen Fiskalpakt freuen – ihr Erfolg wird sofort über die Geldschleuder der EZB hintertrieben.
Es ist dies eigentlich die Stunde der Außenpolitik: Deutschland müsste eine Allianz der Vernunft mit jenen Staaten bilden, die sonst mit in den Strudel gerissen werden: Frankreich vor allem, auch der wirtschaftlich vernünftige Teil Italiens, die Niederlande, Finnland. Diese Länder könnten einen Stabilitätskern bilden, solide Haushaltspolitik betreiben, und sie hätten die Kraft, die Europäische Zentralbank aus ihrer Geiselnahme durch den Club Med zu befreien.
(Erschienen auf Wiwo.de am 04.02.2012)