Wenn Intelligenz so leicht zu bekommen wäre wie die dort grassierende Grippe – ich wäre weit vorne. Denn Davos spielt gerne das Hirn der Welt; die Nobelpreis-Träger-Dichte ist so hoch wie sonst nirgendwo. Chemie, Physik, Biologie – dazu die vielen Wirtschafts-Nobelpreisträger wie Untergangs-Prophet Nouriel Roubini und Paul Krugman: Das sind die gerne vorgezeigten Gäste. Hirn trifft Macht trifft Geld. Aber hauptsächlich geht es in Davos um Big Money. Die Eintrittskarte kostet pro Person 19.000 Dollar. Dazu kommt der Jahresbeitrag: Für 200.000 € darf der Chef nur mit einem Mitarbeiter kommen. 600.000 € kostet die Vollmitgliedschaft. Das Zimmer nicht unter 4.000 Euro.
Für Manager lohnt sich das, weil sie im Halbstundentakt Gesprächspartner treffen – in winzigen, licht- und luftlosen Kabuffs etwa wie Post-Chef Frank Appel, der sich daneben noch das Neueste zur Hirnforschung anhört, da ist er Doktor drin. Andere tagen in umfrisierten Eisdielen oder in einer leergeräumten Boutique; oberedel empfängt mitten im reichen Kunstmuseum SAP-Chef Bill McDermott. Die traditionsreiche Konditorei Schneider vermietet alles – vom Café (Indien) bis zum Personalaufenthaltsraum (IT-Unternehmen).
Lange stand die Finanzindustrie in Davos im Vordergrund. Nach der Finanzkrise war es eine Zeit lang stiller um sie. Jetzt ist sie wieder präsent. Money makes the world go round, die alte Ordnung ist wiederhergestellt.
Das Herz ist eine Ruine – aber vergoldet
Das Herz des Weltwirtschaftsforums schlägt im alten Jugendstil-Hotel „Belvedere“, außerhalb der innersten Sperrzone. Dort kostet der Eintritt nur 50 €, weswegen dort viele ihr „Badge“, ihre Eintritts-Hundemarke verbergen. Denn an der Farbe der Einlasschips erkennt man, wer Macher, Mitmacher oder nur geduldeter Mitläufer ist. Vor 100 Jahren war das Belevedere ein Grand-Hotel, heute eine Ruine, aber für diese Woche die lukrativste der Welt: Alle Zimmer, jede Ecke, sämtliche Nischen und Keller-Löcher vermietet. Die Säle werden alle zwei Stunden an einen anderen vergeben, bis 4 Uhr morgens.
Im Belvedere treffen sich diskret deutsche Konzernlenker mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu einer Runde, die in Berlin so nicht zu organisieren wäre. Nikolaus von Bomhardt, Chef der Münchner Rückversicherung (bei ihm versichern sich Versicherer), besucht mit seiner Frau den wissenschaftlichen Teil. Dass die Münchner-Rück als erstes Unternehmen vor Klimawandel warnte, ist der Davos-Effekt: eine Volkshochschule für Manager. Die Jets fliegen nach Zürich – aber wegen zu vielen Jets und zu wenig Parkplätzen müssen die in Militärflughäfen zwischenparken.
Bürgerinitiativen beschweren sich über Schmutz und Lärm. Der Sozialneid ist auch in der Schweiz zu Hause. Auf den US-Vizepräsidenten Joe Biden, Aussenminister John Kerry und Verteidigungsminister Ashton Carter passen US-Soldaten in 3 Apache-Kampfhubschraubern auf. Der eigentliche Präsident der Vereinigten Staaten ist auch da: Oscar-Preisträger Kevin Spacey erzählt, wie er Star wurde und für „House of Cards“ von Bill Clinton lernte, wie man Präsident spielt. Spacey soll die meisten Zuhörer gehabt haben, melden die Davos-Statistiker. Klar, Hirnforschung ist weniger sexy als ein Oscarpreisträger. Davos muss etwas bieten, damit die Begleite-Ehefrauen auf ihre Rechnung kommen – Spacey eben.
Frauenknappheit. Männer retten die Welt.
Knapp in Davos: Frauen. Immerhin hat sich der Frauenanteil von 17 auf 18 Prozent erhöht. In 2 Jahren 2 Prozent – was allen populistischen Bekenntnissen zum Trotz zeigt: Ganz oben hat sich wenig geändert. Den „Zustand der Welt verbessern“, so das Motto von Davos, ist eben doch mehr eine Sache für Kerls. Frauen gibt es hauptsächlich als Partyschmuckwerk. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt nicht mehr, obwohl Deutschland dort gerade als „bestes Land der Welt“ gefeiert wurde. Frauen sollen durch die Roboter-Revolution die nächsten Verlierer am Arbeitsmarkt sein, ist eine Davos-Behauptung. Dafür sind 3 Königinnen da (Maxima der Niederlande, Mathilde aus Belgien, und Rania aus Jordanien) und eine Prinzessin (Norwegens Mette-Marit), aber nur ein König (Philippe von Belgien).
Direkt durchs Herren-WC führt ein Geheimgang vom diskretenTreffen der deutschen Wirtschaftselite bei der norddeutschen Hummerparty mit eher leisen Gesprächen zur lauten Party des Verlegers Hubert Burda. Da trifft sich die Internet-Welt; Oliver Samwer („Schrei vor Glück“) hat sich so über Schlagzeilen geärgert, dass er früh ins Bett flieht, obwohl seine Frau noch tanzen will. Hier trifft man wirklich die neuen Shaker und Disruptoren, wie es heißt. Es ist schrill, es ist heiß, es ist eng, es wird geredet und gestritten. Das ist schon gut. Nun ist es ja nicht so, dass in Davos nur Party gefeiert wird. In Davos fordert man auch ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, weil doch zukünftig die Roboter so viele arbeitslos machen. Dafür wirbt ein tanzender Roboter. Klar – die Ausgestoßenen der Welt werden abgefüttert, irgendwie. Die wachsenden Gewinne oben, ein mageres Grundeinkommen unten – das ist die Welt von Davos: Eine Show für die oben.
Der Star ist ein Rapper
Star ist der Rapper Will.i.am. Im Beifallgekreische hat er Paulo Coelho überholt; Rap schlägt Schmonzes. Die Zahlen müssen groß sein. Roten Zahlen stören keinen. Hauptsache groß. Deutsche Bank-Chef John Cryan labert entspannt über die Abschaffung des Bargelds und verkündet am Abend: Der Bank fehlen davon gigantische 6,7 Milliarden. Die Aktie stürzt ab. Finanzchef Marcus Schenk feiert am Abend fröhlich weiter – es ist ja das Geld der anderen.
Euro-Chef Mario Draghi ist da mit 6 Leibwächtern; er redet von „Entschlossenheit“ und „Willen“ und schon fällt der Euro zum Dollar und steigen die Aktien wieder; da wurden einige Reiche noch reicher. Dabeisein ist alles. Der Spekulant George Soros glaubt, dass Europa noch vor Russland kollabiert; mit solchen Sprüchen vor gläubig schreibenden Journalisten bereitet er jedes Jahr seine weltgefährlichen Spekulationsgeschäfte vor. Soros ist einer der Altväter des Forums. Er benutzt es gekonnt als Bühne, um seine Geschäfte einzufädeln, was er natürlich dementieren und mit angeblichen Wohltätigkeitswerken in der Ukraine chamouflieren lässt. Nichts ist Zufall in Davos, immer geht es um Geld,Geld, Geld.
Die Kellner sind trotz der Tortur rund um die Uhr freundlich – für 29 € die Stunde steuerfrei plus Zuschläge: In Davos kriegen auch die vielen Gastarbeiter, meist aus Deutschland und mit sächsischem Akzent, was ab: Trinkgeld von der Superparty des Geldes.