Seit Mitternacht 0.00 Uhr gilt also das MiLoG – das Mindestlohngesetz. Nun gönnt man ja den Betroffenen gerne etwas mehr Geld – aber das MiLoG ist mehr: Es ist ein neues Gesetz zur Überwachung von Menschen und Wirtschaft, ein bürokratisches Monster. Es drückt die Grundhaltung der Großen Koalition gegenüber der Wirtschaft aus: Jeder Arbeitgeber ist ein potentieller Verbrecher; und die Kontrolle darüber wird jetzt allumfassend und fast flächendeckend ausgerollt. Dazu wird eine „Auftragshaftung“ eingeführt – jedes Unternehmen ist für Subunternehmer und damit viele Lieferanten, Partnerunternehmen und deren Subs verantwortlich. Die Lohnfindung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit Tarifverträgen und dem Zusammenwirkung früherer „Tarifparteien“ – auch das wird beendet und damit ein wesentliches Merkmal der Marktwirtschaft, die Deutschland seit den Zeiten Ludwig-Erhards erfolgreich gemacht hat. Und das alles ist im erklärten Sinne der CDU, sagt einer ihrer Vertreter. Schon jetzt zeigt sich: Viele Regelungen sind unklar, umstritten – und für Unternehmer wie Haushalte wegen der hohen Strafen bis zu 500.000 € hochriskant.
Ausbau des Zolls zur Überwachungsbehörde
1.600 neue Zöllner sollen für jährlich 80 Mio € in den nächsten Jahren eingestellt werden, um die Einhaltung von 8,50 € Mindestlohn zu überwachend Dabei ist das MiLoG nur Anlass für eine generelle Überwachung und Ausweitung der Kontrolle. Der Chef der Zollgewerkschaft, Dieter Dewes, forderte schon 2500 neue Kontrolleure. Klar, für diejenigen, die anderer Leute Arbeit kontrollieren, gibt es viel zu tun: 30 Gesetze sind tangiert, Verordernungen, Tarifverträge und andere Regeln. Alles, alles muss kontrolliert werden; dabei gibt es nur vergleichsweise wenige Tricks, um das MiLoG zu umgehen, etwa durch unbezahlte Überstunden, über Scheinselbstständigkeit bis hin zu Teilzeitstellen, die sich zu Vollzeitstellen addieren.
Und damit das ja nicht geschieht, müssen Arbeitgeber nun bis zu einem Monatseinkommen von 2958 Euro Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit dokumentieren und für zwei Jahre nachweisen.
Bei dieser Grenze geht man davon aus, dass kaum jemand mehr als 348 Stunden im Monat zu je 8,50 Euro arbeitet – was zum Beispiel 29 Tage zu je zwölf Stunden wären. Es ist eine absurde Vorstellung, dass Arbeitnehmer sich das gefallen lassen.
Arbeitgeberhaftung für den Zulieferer des Zulieferers
Aber es geht noch weiter für die wichtigsten Branchen wie Gaststättengewerbe, Bau und Gebäudereinigung sowie anderen verdächtigen Branchen:
„Ein Unternehmer haftet nach § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG) , wenn der von ihm beauftragte Nachunternehmer oder dessen Nachunternehmer“ gegen das MiLoG verstößt. Spätestens dann ist jeder dran und zur Kontrolle verpflichtet. Denn die Haftung ist total – „Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit Dienst- oder Werkleistungen in anderen Branchen beauftragt, haftet gemäß § 13 MiLoG in Verbindung mit § 14 AEntG wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, unabhängig von eigenem Verschulden dafür, dass
•der von ihm beauftragte Unternehmer,
•dessen beauftragter Nachunternehmer,
•ein von diesem Unternehmer oder Nachunternehmer beauftragter Verleiher
einem Arbeitnehmer den Nettolohn bezahlt.“
Man muss es sich auf der Zunge vergehen lassen: Jeder Unternehmer haftet für seinen Subunternehmer, Werkverträge und damit auch für Zulieferer oder für den Zulieferer des Zulieferers und auch für die Taten, die dessen Zulieferer begangen hat. Ein Unternehmen in Arbeitsteilung zu betreiben wird gefährlich. Ein Beispiel: Ein Möbelhaus, das die Schrankwand von einem Dienstleister transportieren läßt ist dafür verantwortlich, dass der Mindestlohn bezahlt wird. Jetzt müssen übrigens noch Gerichte klären, ob Fahrer ausländischer LKWs auf der Durchreise mindestlohnpflichtig sind oder nur wenn sie in Deutschland zu- oder abladen. Das ist wirklich die Kombination von Bürokratie und Total-Kontrolle. http://www.dvz.de/rubriken/management-recht/single-view/nachricht/milog-auftraggeberhaftung-und-einsatz-auslaendischer-fahrer-noch-umstritten.html
Mit dieser Auftraggeberhaftung kann der Zoll dann jedes beliebige Unternehmen knacken – und für die Liefer-Kette davor haftbar machen.
Auch das Wohnzimmer im Visier des Zolls
Man fragt sich natürlich – gab es bisher keine Lohnvereinbarungen? Keine Tarifverträge, deren Einhaltung von den Betroffenen, Betriebsräten usw. überwacht wurden? Ohnehin kann jeder seinen Mindestlohn drei Jahre rückwirkend einfordern; das wird teuer für Arbeitgeber, weil sie dann auch alle Sozialabgaben nachentrichten müssen. Aber der Arbeitsministerin Andrea Nahles geht es um Kontrolle.
Selbst Haushalten droht eine Kontrolle der Zollfahndung, Hausdurchsuchung und saftige Strafen bis zu 500.000 € für zu niedrige Lohnzahlung und 30.000 € für Fehler beim Stundenaufschreiben. Auch für sie gilt, dass ab 1. Januar jeder, der einen Minijobber beschäftigt, verpflichtet ist, „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen“. Diese Aufzeichnung muss „spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung erfolgenden Kalendertages” erfolgen. Diese Arbeitszeit-Kontrollblätter müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden, heißt es in §17 des Mindestlohngesetzes (MiLoG). Dabei müssen auch die gesetzlich feststehenden Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von 6, und von 45 Minuten bei 9 Stunden Tätigkeit minutiös erfaßt und namentlich abgezeichnet werden. Eine Ausnahme gibt`s nur für Minijobs: „Eine Aufzeichnungspflicht besteht für geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme der geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten im Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.“ Aber ist der Minijob wirklich mini? Oder nur getürmt mini? Schon ist wieder der Zoll gefragt. Das böse Spiel zu Lasten der Haushalte und zu Gunsten der Bürokratie geht weiter. Alles klar?
Arbeitgeber müssen ansonsten nun bis zu einem Monatseinkommen von 2958 Euro Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit dokumentieren und für zwei Jahre nachweisen. Nur so könne man den ertappen, der mehr als 348 Stunden im Monat zu je 8,50 Euro arbeitet – was zum Beispiel 29 Tage zu je zwölf Stunden wären. Es ist eine ziemlich irrwitzige Grenze: Faktisch wird sie dazu führen, dass flächendeckend Stechuhren eingesetzt werden – anders ist das MiLoG nicht zu erfassen. Die von vielen als wunderbare neue Arbeitswelt herbeigesehnte Lockerung des Anwesenheitszwangs durch Digitalisierung und Flexibilisierung; Vertrauensarbeitszeit statt Kontrollwahn – das wird zurückgedreht. Es ist dies schon immer der Wunsch von Gewerkschaften und Betriebsräten gewesen: Ständige, lückenlose Kontrolle der vermeintlich entrechteten Arbeitnehmermassen, um die eigene Wichtigkeit zu dokumentieren; zurück ins 19. Jahrhundert, marsch marsch. Die Stechuhr kommt zurück und damit auch die Kontrolle von Arbeitnehmern, die weit mehr als 8,50€ verdienen und damit in der Sache nicht berührt sind. Eigentlich. Aber Andrea Nahles will ja zurück ins schöne 19. Jahrhundert der Totalkontrolle und des Kollektivismus. Möglicherweise gehen auch Arbeitsplätze verloren.
Ein Gemüse-Bauer aus Düren bei Köln, der bislang in der Saison Mitarbeiter aus Osteuropa beschäftigte, schreibt mir: „Quintessenz der Story ist, das wir den Anbau zurückfahren oder gar einstellen werden.
Heimische Lebensmittel werden knapper und teurer.
Aber wozu braucht ein (sozial) hochentwickeltes Deutschland überhaupt noch Obst-und Gemüseanbauer, Landwirte und Gärtner, wo es doch einen gut funktionierenden Überwachungsstaat und sowieso alles im Discounter gibt?“ Ein anderer Landwirt stellt die Frage, warum ausländische Arbeitnehmer, die doch freiwillig und gerne nach Deutschland zur Erntezeit kamen, jetzt mit einem Mindestlohn beglückt werden müssen, den sie eigentlich gar nicht erwarten – und der ihre Jobs gefährdet.
Hochrisikofaktor Putzfrau
Aber es geht weiter. Jede Putzfrau im Haushalt wird zum Risikofaktor. Denn das MiLoG gilt für alle Tätigkeit, außer es handelt sich nicht ausdrücklich um eine Tätigkeit, die “sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts” erledigt wird. Das ist die einzige Ausnahme. Darin liegt die eigentlich Gefahr: Wer Minjobber beschäftigt gilt bei Arbeitsministerin Andrea Nahles von Haus aus als möglicher Krimineller. Denn die Regeln des MiLoG können von den Zollbehörden auch in Ihrem Wohnzimmer geprüft werden. Unter Juristen ist diese Ausnahmeregelung umstritten. Ist Fensterputzen noch Haushaltstätigkeit im Sinne des MiLG, wenn etwa ein älteres Ehepaar dies schon aus gesundheitlichen Gründen bisher nicht selbst machte? Hier schlägt der Nahles-Kontrollwahn zu und wird nur eines bewirken: Das Haushaltstätigkeiten gleich wieder schwarz bezahlt werden; was dann natürlich wieder den Zoll auf den Plan ruft. Der bekämpft ja schon längst keine Schmuggler mehr, sondern am liebsten und möglichst bequem Schwarzarbeiter in der Nachbarschaft.
Der Zoll wird so zu flächendeckenden Überwachungs-Polizei aufgestockt. Er ist überall und kontrolliert überall, bis in Küche und Wohnzimmer. „Schon heute arbeitet die Finanzkontrolle Schwarzarbeit an der Belastungsgrenze“, plappert Spiegel-Online beispielsweise das Gejammer der Zollgewerkschaft ungeprüft nach. Klar, Kontrolleure sind immer der Ansicht, dass sie noch viel mehr kontrollieren könnten. Wenn sie nur mehr Mitarbeiter hätten, was die eigene Wichtigkeit erhöht. Tatsächlich, so die Polizeigewerkschaft, seien insgesamt 30 Gesetze und Vorschriften tangiert – was hochspezialisierte Beamte erfordere. Wie immer im Bürokratie-Land Deutschland wird das Pferd von hinten aufgezäumt: Die Kontrolleure klagen über Arbeitsbelastung durch Überregulierung – aber die Wirtschaft soll es irgendwie stemmen. Die Beschäftigung von Mini-Jobbern, Haushaltshilfen und Mindestlöhnen wird angesichts der grotesken Strafen zum Hochrisikogewerbe. Das ist beschäftigungsfeindlich und wird unweigerlich zum Jobverlusten führen.
Den richtigen Lohn kennt nur der Staat
Und es wird immer mehr; immer mehr Kontrolle und Staat. Mittlerweile hat das Kabinett auch die Mindestlohnkommission ernannt, die über künftige Anhebungen entscheidet. Den Vorsitz übernimmt der frühere Hamburger Bürgermeister und SPD-Politiker Henning Voscherau, den Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam vorgeschlagen haben. Die Kommission soll erstmals 2016 über eine Erhöhung des Mindestlohns im Jahr 2017 entscheiden. Zukünftig werden also immer mehr Löhne nicht mehr am Markt bestimmt, sondern staatlich festgelegt. Kommissionen wissen ja mehr, als Gewerkschaften oder Unternehmer vor Ort. Funktionieren wird das nicht; das MiLoG ist der Einstieg in Arbeitslosigkeit und staatlichen Kontrollwahn. Hübsch ist, dass etwa DIE ZEIT heute darüber jammert, dass das MiLoG „nicht für alle“ gelte und bei der Aufzählung die wichtigste Ausnahme auslässt: Die Zeitungsverlage. Zeitungsträger erhalten keinen Mindestlohn, so ziemlich als einzige Ausnahme. Und DIE ZEIT nimmt das Sonderrecht natürlich für sich in Anspruch….nennt man das Doppelmoral?
Der Bundestag hat mal wieder gepennt
Es zeigt aber auch, wie unkontrolliert die Regierungs-Politik der GroKo operiert: Der Bürokratie-Wahn MiLoG wurde hier enthüllt. Im November wurden die Bundestagsabgeordneten von der Bundestagsverwaltung in Person der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth angehalten, für ihre Hilfskräfte die MiLoG-Kontrollen und Aufzeichnungen vorzunehmen. Vermutlich ist die Bundestags-Verwaltung die einzige Stelle im Land, die noch einen Überblick über die heiß laufende Gesetzesmaschine hat. Darauf alarmierten mich Abgeordnete. Keiner hatte im Verlauf der Lesungen im Bundestag diese Total-Kontrolle bemerkt. Ein Gesetz unbemerkt durch den Bundestag mit seinen über 700 Abgeordneten zu schleusen – das ist wirklich ein Lehrstück in Sachen Demokratie. Aber die MdBs von SPD,CDU und CSU heben eben zu jedem Gesetz brav die Hand; und die Opposition aus Grünen und Linken ist ohnehin aus ideologischen Gründen für Bürokratie und Ausbau des Überwachungsstaates. Das nennt man parlamentarisches Totalversagen.
Damit wird das MiLoG ein Lehrstück für den Abbau von Selbstbestimmung, den Verlust wirtschaftlicher Vernunft und den schnellen Übergang in die Staatswirtschaft.
Oder ist es viel schlichter? Auch die Union will den Nahles-Wahn uneingeschränkt?
Dazu schreibt mit Prof. Dr. Matthias Zimmer, der als CDU-Bundestagsabgeordneter wesentlich an der Durchsetzung des Wahnsinns-Gesetzes Verantwortung trägt:
“ Natürlich wusste das jeder, dass es auch Aufzeichnungspflichten gibt. Auch die Helden des Wirtschaftsausschusses, die sich vermutlich bei Ihnen beschwert haben. Und es war klar: Das kommt auch auf den Bundestag zu. ich war Berichterstatter meiner Fraktion zu dem Thema. Das kann mir also keiner erzählen.
Gleichzeitig bin ich Mitglied der Mitarbeiterkommission im Ältestenrat, die Frau Roth leitet. Dort kam das Thema im Spätsommer an und wir haben empfohlen, dass die MdBs über das gesetzlich Notwendige hinaus die Arbeitszeitkonten nicht nur führen, sondern auch vom MdB (oder Büroleiter) und dem Mitarbeiter abzeichnen lassen. Das haben wir deshalb getan um eine Diskussion etwa wie: Die MdBs fälschen Arbeitszeitkonten oä erst gar nicht aufkommen zu lassen. Gleichzeitig haben wir eine Handreichung gegeben, wie so ein Formblatt aussehen könnte. Also auch nichts Überraschendes. (Meine Güte, wie einfach haben es denn meine Kollegen, Sie aufs Glatteis zu führen??)
Letztlich: Natürlich müssen Gesetze auch kontrolliert werden. Gesetze zu erlassen und sie nicht zu kontrollieren gilt im Bundestag als eine Art italienische Lösung. Für die Außendarstellung „bella“, aber doch nicht so ganz befriedigend. In anderen Bereichen tun wir das auch. Also auch nichts, was wirklich überrascht.“
Ich bedanke mich dafür, es bleiben keine Fragen hinsichtlich der Verantwortlichkeit offen.