Laut SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan stimmten 66,02 Prozent der Mitglieder für die GroKo. Alles freut sich, alles jubelt, es gibt sie wieder, die Koalition der größten Verlierer. Deutschland wird so schlecht weiterregiert, wie es schon bisher geschah, und der eigentliche Regierungschef ist der SPD-Parteivorsitzende, den es noch gar nicht gibt. Es ist vermutlich die schrägste Form einer Kanzlermehrheits-Findung, die überhaupt denkbar ist und je stattfand.
Alter Wein in alten Schläuchen
Viel wird von staatspolitischer Verantwortung geredet. Fakt ist: Zwei Wahlverlierer machen weiter wie bisher. Denn in ihrer „Koalitionsvereinbarung“ steht nichts, was nicht schon in der alten Gemeinsamkeit gewesen wäre. Es ist alter Wein in alten Schläuchen:
Zuwanderungspolitik: Keine Änderung der autokratischen Flüchtlingspolitik, keine Begrenzung. Mehr Einwanderung, mindestens 220.000 und ein unbegrenzter Familiennachzug nicht nur für Asylbewerber, sondern auch für zeitweilig Aufgenommene: Das erfreut das Herz der Gutmenschen in der SPD; die Kosten werden pro Jahr zukünftig 100 Milliarden betragen – kein Wort davon in der Koalitionsvereinbarung. Der am schnellsten wachsende Ausgabe-Posten: verschwiegen, verborgen wie ein Staatsgeheimnis – ein neuer Geheimfonds? Das Volk, der große Trottel, soll unwissend gehalten werden in seinem Kaninchenstall, in dem er mit ein paar Tischabfällen gefüttert wird, während die großen Brocken andere verschlingen. Aber auch diese Tischabfälle werden ja schon missgönnt, wie das Geplärre gegen die Essener Tafel zeigt.
Nichts Neues zur Energiepolitik: Das ist zunehmend der Belastungsfaktor für die Wirtschaft wie für Konsumenten. Es wird einfach weiter subventioniert in unwirtschaftliche Formen; der Strom kommt aus dem Ausland, gerne aus deren Kernkraftwerken.
Noch mehr Staat und Regulierung: Mehr Staat, der sich in kleinste Details der Politik einmischen soll. Und weiter vervielfachte Ausgabenprogramme, als ob die derzeitige Hochkonjunktur für immer gälte: Geld hier, Geld da, Geld dort – von Überlegung dagegen keine Spur. Mittel werden verschleudert, Lobbys bedient, Probleme mit Geld zugekleistert – die Folgen für Steuerzahler und Haushalt vertuscht. Noch nie hat eine Koalition so verantwortungslos gehandelt.
Digitalisierung: Von dem Riesenplan „Digitalisierung“ ist Breitbandverkabelung übrig geblieben – ist das nicht Aufgabe der Telekom? Es scheint, als ob die Digitalisierungsquatscher ernsthaft glaubten, dass ein paar Glasfaserkabel den ständig wachsenden Vorsprung der digitalen Supermacht USA und zunehmend Chinas auffangen könnten – was bieten wir gegen Apple, Amazon, Alphabet, Facebook und die vielen anderen Giganten auf, die die Welt von morgen beherrschen und ihren Einfluß auf Pharmazie, Ernährung und alle anderen Bereiche wie Automobilindustrie ausdehnen? Null Ideen. Hohle Sprüche „Made in Berlin“.
Bildung: Das heißt für die in Berlin „mehr Geld für die gesamte Bildungskette“. Sozusagen ein breiteres Bildungskabel. Gegen Geld für Bildung ist nichts einzuwenden – aber besser lesen und schreiben lernen die Kinder nicht. Berlin und Bremen als Schlusslichter aller Pisa-Tests haben ihre Schulen nicht kaputtgespart, sondern mit unsinnigen Lehrplänen und Schulpolitik mit viel Geld ruiniert; Baden-Württemberg unter Grünschwarz macht es nach: Nicht an Geld scheitert Bildung, sondern am Verstand der Kultusminister. Und so geht es weiter in allen Bereichen der Politik: Verschwendung von Mitteln statt Ideen.
Wohnungen sollen für viel Staatsknete gebaut werden – wobei jeder weiß, dass es nicht am Geld fehlt, das sucht ja eher verzweifelt nach Anlage. Es fehlt an Baumöglichkeiten, Baugrund, vernünftigen Bauvorschriften. Zukünftig gibt es ein Baukindergeld; aber wer kann es schon leisten, für 12.000 € ein Haus zu bauen; das reicht gerade für die fast überall erhöhte Grundsteuer.
Steuerzahler? Die braucht doch keiner
Der Soli wird um jährlich 2,5 Milliarden gekürzt, insgesamt also 10 Milliarden im Verlauf der Legislaturperiode – schäbig bei einem zusätzlichen Steueraufkommen von 100 Milliarden. Die Rückgabe von 10 Prozent der Mehreinnahmen wird als Steuersenkung gefeiert. Wer also Leistung bringt, wird veräppelt. Die neue wie alte Regierung Merkel verwechselt Regieren mit Geldverteilen. Regierung braucht eine Vision; eine Vorstellung, wie es besser werden könnte.
Genau so wie ihr Versprechen, die Beiträge für EUropa zu erhöhen: Angesichts der offenkundigen Missstände in der EU der völlig falsche Weg. Das Problem EU ist nicht mit Geld zu lösen, sondern mit einer Politik, die vor allem die Osteuropäischen Länder wieder mitnimmt und die Ausgaben im Süden begrenzt, Reformen für Wachstum endlich wirksam macht.
Das Grundgesetz? Eine Lachnummer
Und jetzt also die Zustimmung durch die SPD-Mitglieder und nur deshalb die Regierungsbildung. Ein Votum einer fragwürdig anonymen Gruppe entscheidet über eine Regierung. Wo bitte, bleiben die Wähler? Wo das Grundgesetz? Wie soll darauf verwiesen werden, wenn die Regierung schon das Grundgesetz mit den Füßen tritt?
Unter Merkel hat eine schrittweise Aushöhlung der Verfassung Platz gegriffen: Mitgliederentscheide von Parteien bestimmen über Regierungen; Koalitionsvereinbarungen ersetzen endgültig parlamentarische Abstimmungen, Abgeordnete sind nicht mehr ihrem Gewissen verantwortlich, sondern ihrer Fraktion, und schlimmer noch: Die Regierung zerfällt in gegensätzliche Parteien, die sich schon vor der Kanzlerwahl auf das Heftigste bekämpfen.
Daran zeigt sich die eigentliche Schwäche der Regierung Merkel: Sie muss zuschauen, wie die Bundesregierung in zwei, vielleicht sogar drei Abteilungen zerfällt, in denen jeder seine Sache für sich bestimmt: Die CSU regiert für sich, die Sozis bündeln ihre Macht in einer gemeinsamen Front, die CDU-Minister sind zum Zuschauen verdammt, da sie gegen diese Akteure die schwächsten Ressorts besetzen. Merkel kann es drehen und wenden wie sie will: Die einflußreichsten Ministerien sind bei der SPD gelandet, und die „koordiniert“ längst „ihre“ Regierungspolitik in einem Art Nebenkanzleramt der SPD-Ministerien. Das ist gut ausgebaut und organisiert.
Kanzlerin ohne Kompetenz
So zeigt sich: Merkels grundgesetzliche Richtlinienkompetenz ist nichts wert. Der Koalitionsvertrag ist Auslegungssache; jeder Minister verwaltet seinen Geschäftsbereich in eigener Verantwortung, sagt das Grundgesetz. Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin zerschellt so am Egoismus der Partner und an ihrer Fähigkeit, widerborstig zu sein. Schließlich sind die SPD-Minister ja nicht von Merkel berufen, sondern von ihrer Partei und deren Mitgliedern. Merkel kann verlangen, was sie will – die SPD wird in ihren Bereichen, den wirklich wichtigen Politikfeldern wie Finanzen, Europa, Außenpolitik, Soziales agieren, wie sie will. Oder ihre Parteibasis. Die CSU auch. Das Wirtschaftsministerium ist allenfalls ein Trostpreis; denn längst ist es entkernt bis zur Bedeutungslosigkeit. Der neue Wirtschaftsminister Peter Altmaier kann sich um Entbürokratisierung bemühen – von bürokratischen Gesetzen, die vorher selbst installiert wurden.
So driftet Deutschland in eine unsichere Zukunft, angeblich gesteuert von einer Regierungschefin, die das Vertrauen der Bevölkerung verloren hat und einer Koalition, die durch gemeinsame Machtspiele den Staat noch mehr zur Beute der Parteien macht.