Tichys Einblick
Wenn Ideologie regiert

Merkel-Deutschland schließt nun doch die Grenzen

Trotz der Pandemie hielten Merkel und ihre Getreuen in Politik und Medien an der Entgrenzung fest - obwohl weitere Ansteckung nur durch klare Begrenzungen eingedämmt werden kann. Die europäischen Nachbarländer schließen ihre Grenzen. So wurde Deutschland isoliert - und handelt wieder verspätet.

imago images / Christian Thiel

Mittlerweile sind wir ja alle Hobby-Epidemiologen und Feinschmecker hinsichtlich der Verbreitung ansteckender Krankheiten. Die einfachste Lehre ist, dass Ansteckungen vermieden werden müssen; deswegen zieht man Grenzen. Das ist für den Einzelnen bitter und hart. In einigen Jahren wird es Krimis geben, die auf der wahren Begebenheit beruhen, dass Paare wochenlang in acht Quadratmeter großen Innenkabinen von Kreuzfahrtschiffen eingesperrt wurden; wochenlang. Gruselig. Andere hausen in Kasernen, Nounterkünften, und seit selbst diese knapp wurden, in den eigenen vier Wänden. Das ist sicherlich mancherorts gemütlich, aber für die Mitbewohner bedrohlich. So werden notwendigerweise Grenzen gezogen.

Allein auf der Autobahn

China brüstest sich damit, dass es die Stadt Wuhan und andere Siedlungen mit 60 Millionen Bewohnern abgegrenzt hat. US-Präsident Trump hat Flüge aus China verboten und die USA haben als erstes Land ihre Staatsangehörigen aus Wuhan ausgeflogen. Italien hat zuerst die Lombardei abgeriegelt, später das ganze Land. Schließlich haben die USA die Einreise aus Europa verboten, dem laut Weltgesundheitsorganisation WHO neuen Epizentrum der Epidemie. Auch Nachbarländer schließen die Grenzen zu Deutschland. Nur Deutschland bekanntlich nicht.

Man könnte auf den Gedanken kommen: Wenn einem auf der Autobahn zu viele Fahrzeuge entgegenkommen – dann hat man die Gegenspur gewählt. Deutschland ist derzeit der globale Geisterfahrer. Bis Sonntag hat man uns erklärt, dass Grenzen keinen Virus abhalten. Erst durch die erwiesene Lächerlichkeit, wie sie immer wieder neu von ARD und ZDF wiederholt wurde, ist jetzt endlich der Druck groß genug geworden.

Zu lange wurde eine neue Ideologie  an die Stelle allgemein anerkannter Notwendigkeiten gesetzt – offene Grenzen könnten kein Virus aufhalten. Nein, Grenzen halten kein Virus auf, aber Träger und Überträger. Und nur darum geht es – um „Social Distancing“, der Abgrenzung von Infizierten und noch nicht Infizierten. Uns liegen Fälle vor, etwa die des letzten noch erlaubten Fluges aus Pisa: In getrennten Bussen werden dort die Passagiere zum Flugzeug gebracht und getrennt gesetzt – aber in Berlin in einen Bus gedrängt und ohne Kontrolle ins Land gelassen. In Süddeutschland wiederum werden bereits als infiziert Erkannte mit Verdachtsfällen in ein Zimmer gesperrt. Es ist ja alles grenzenlos. Leider weiß das Virus davon nichts.

Merkel wird zum Risiko

Merkels Ideologie der Entgrenzung wurde längst zum Gesundheitsrisiko. Ferdinand Knauss hat herausgearbeitet: „Die Bundeskanzlerin selbst verhindert die Einführung von Grenzkontrollen. Das ist verantwortungslos, aber konsequent: Ihr geht es nicht um den Schutz der Bürger, sondern um ihre Macht. Und die hängt am Dogma der offenen Grenzen.“ Statt diese erkennbar für die Bevölkerung in Deutschland lebensgefährliche Haltung zu überprüfen, werden Scheingefechte geführt. Das schrecklichste Beispiel gibt ihr Vizekanzler Finanzminister Olaf Scholz, der auf Donald Trump herumprügelt, der bekanntlich zügig die Grenzen zuerst nach China, dann nach Taiwan, Korea und schließlich Europa geschlossen hat: Trumps Auftritt sei „grotesk“, ein Virus hänge nicht an der Staatsbürgerschaft.

Das hat nur nie jemand behauptet – es geht darum die Verbreitung eines Virus zu verlangsamen und zu verhindern, wer auch immer der Träger ist. Und dass US-Bürger geschützt werden, ist nur für einen SPD-Politiker „grotesk“, der seine Verpflichtung nicht mehr der deutschen Bevölkerung gegenüber sieht, sondern der eigenen Entgrenzungsideoloige, „America First“ rettet Leben, nicht das deutsche Bestreben, das auf Entgrenzung setzt. Entgrenzung mag gut sein für Merkels Marke „Flüchtlingspolitik”, für immer neue Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem, aber mörderisch für Menschen im Zeitalter des Virus. Und zwar für Einheimische wie Zugewanderte.

Merkels Büchsenspanner

Viele Merkel-treue Medien folgten; zuletzt Claus Kleber, der wie Geheimagent 007 im Auftrag ihrer Majestät Merkels Politik bis zur letzten öffentlich-rechtlichen Sendungspatrone verteidigt. Vorher hatte schon ZDF-Chefredakteur Frey einen denkwürdigen Kommentar abgegeben, den man nur in vollem Inhalt zitieren muss – er richtet sich selbst. Er ist für ein „offenes Europa“, gegen Trumps Entscheidung zu Corona und gegen „widerwärtige Spaltungen“, für „Gemeinsinn statt Grenzziehungen“. Was er nicht kapiert hat: Es geht um Grenzziehung UND Gemeinsinn mit denen, die ausgesperrt oder eingesperrt sind. Aber die grenzenlose Infektion kann nur jemand predigen, dem die Ideologie der Kanzlerin wichtiger als die Unversehrtheit der Zuschauer ist. Und wenn Staatsgrenzen sich zur Abgrenzung eignen, wegen geographischer Bedingungen, wegen Gebirgszügen, Grenzflüssen und vergleichweise wenigen Übergängen – dann nehmen wir halt die. Dazu kommt: Im Zeitalter des Coronavirus zeigen Regierungen unterschiedliche Leistungsfähigkeiten. Die derzeitige deutsche Regierung hat sich einen Namen gemacht durch Untätigkeit.

Corona – ein Fall für den „Kampf gegen Rechts“

Die Beispiele lassen sich vervielfältigen. Auch aus dem Format eines ARD-Senders hören wir die wütenden Kommentare, die Corona für eine Erfindung von „Rechten“ halten oder des Phoenix-Kommentators Nikolaus Blome, der die AfD damit in Verbindung bringen will und mich natürlich auch – irgendwie versucht man dies hinzubiegen bis zur Lächerlichkeit. Aber für den Kampf gegen einen imaginären Feind, der rechts steht, ist jedes Mittel recht, und sei es noch so dumm.

Es offenbart Erschreckendes: Statt ein lebens- und gesellschaftsbedrohliches Phänomen zu verhandeln, werden Schuldige gesucht und die Lehren der eigenen Ideologie über die Erkenntnisse der Medizin gesetzt. Man jagt den eigenen Zerrbildern nach, statt der Wirklichkeit zu folgen. Merkel ist bestens darauf trainiert. Man kennt das aus der Geschichte: Nicht mehr rationale Entscheidungen werden getroffen, sondern von der eigenen Ideologie getriebene. Der Diskurs wird ausgeschaltet, um die Ansicht durchzusetzen, auch wenn im Diskurs genügend Warnungen ausgedrückt wurden. Diskurs als Methode zum Erkenntnisfortschritt darf in Deutschland längst nicht mehr stattfinden – abweichende Meinung wird nicht gehört, sondern diskreditiert. Das begrenzt die Erkenntnis. In diesem Fall sind die Folgen buchstäblich verheerend. Aber Merkel will ihre Behauptung von 2015 verteidigen, dass Deutschlands Grenzen nicht gesichert werden könnten. Das können nur Riesenreiche wie Russland, China, die USA – aber nicht der geographische Zwergstaat Deutschland, meint die Kanzlerin. Sie will ihren Platz in den Geschichtsbüchern, und dafür müssen Menschen leiden. 

Und gerade deshalb: das isolierte Deutschland

Nun ist es ja mit Grenzen so eine Sache – die haben bekanntlich zwei Seiten. Und wenn Österreich, Tschechien, Dänemark und indirekt die USA ihre virtuelle Grenze schließen – dann sind die Grenzen auch geschlossen. Genau dieses passiert nicht nur im Fall von Corona. Die USA sind unerreichbar; Österreich ist plötzlich ein ferner Kontinent. Nicht nur wegen Corona. Praktisch alle europäischen Staaten wollen, dass die Grenzen der EU zur Türkei geschlossen bleiben – es geht um die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Sie hören einfach nicht mehr auf Berlin und seine Phantasterei von offenen Grenzen als Allheilmittel für den Planeten. Sie setzen Grenzen, die Berlin ständig auflösen will. Deshalb wurde es von den anderen eingegrenzt und zunehmend isoliert – wie ein Infizierter. In letzter Sekunde zieht Merkel jetzt nach – wie immer. Abwarten ist aber keine angesagte Methode. 

Merkel bleibt jede Antwort schuldig, worauf ihre Politik abzielt. Warum fliegen wir Kranke aus den griechischen Inseln ein – aber nicht aus Südtirol, aus der Lombardei, wo Menschen jämmerlich an den Folgen der Infektion sterben, langsam ersticken? Wem gilt die Verantwortung eines deutschen Bundeskanzlers: Den eigenen Bürgern oder allen Weltbürgern? Haben wir wirklich unbegrenzte Zahlen von Betten in Intensivstationen – oder doch begrenzte? Merkels Antwort ist klar. Die ganz andere Antwort der anderen europäischen Regierungen auch. Und deshalb ist Deutschland eingegrenzt in Europa: Unsere Nachbarn handeln, schließen ihre Grenzen – und Deutschland bleibt allein zu Hause, gemeinsam mit seiner entgrenzten Ideologie, die andere wieder einmal eindämmen mußten. Bis auch Deutschland sich zuletzt bequemte. Merkels Ideologie über Bord zu werfen. Besonders charmant ist jetzt, wie uns das Claus Kleber und die anderen Minnesänger des Merkelismus jetzt erklären wollen, nachdem ihre Vorsängerin die Tonlage gewechselt hat.

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