Tichys Einblick
Kein Wischiwaschi

Josef Kraus, der dynamische Streiter für das Schöne, Wahre und Gute

Wie macht er das, der Josef Kraus? 70 ist er geworden, und offensichtlich hat er die Fähigkeit, ständig neue Leistungsfähigkeit zur bestehenden zu addieren und weiter auszubauen. Jedenfalls würde das tägliche Programm des Pädagogen und Patrioten fast alle Jüngeren überfordern.

imago images / Future Image

Hundert Vorträge im Jahr, und dazu reist er in die entlegensten Ecken der Republik. Dazu muss man wissen, dass die Metropole Niederbayerns, Kraushausen, früher Landshut genannt, der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens und sein familiärer Mittelpunkt ist, von dem aus die Welt von ihm vermessen und bereist wird. Dazu kommen ca. 100 Kolumnen auf TE, Interviews, Bücher wie das jüngst mit Oberst a.D. Drexl verfasste „Nicht einmal bedingt abwehrbereit“, über den desolaten Zustand der Bundeswehr nebst konkreten und umsetzbaren Vorschlägen, wie sie zu reformieren wäre. Kraus war lange im Beirat für Fragen der inneren Führung beim Bundesverteidigungsministerium tätig, ehe er mit seiner Kritik an der mangelnden Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und mangelnder Führungsqualität der lange regierenden Ministerin zu unbequem wurde; und vermutlich hat er mit Kompetenz statt Quote auch nicht das richtige Geschlecht. Das Buch jedenfalls ist eine perfekte Darstellung nicht nur des aktuellen Versagens, sondern ein Weißbuch für die Zukunft eines Apparats, der 42 Milliarden verschlingt. 

Kraus ist Bestsellerautor. Sein Buch „Helikopter-Eltern. Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“ ist nicht nur ein Bestseller, sondern mit dem Begriff der „Helikopter-Eltern“ hat er das komplizierte Verhältnis der verwöhnten Nesthocker und ihrer überbesorgten Eltern auf ein einprägsames Bild gebracht. Dass Bildung in Deutschland problematisiert wird, hat die frühere Bildungsnation Kraus zu verdanken: „Spaßpädagogik – Sackgassen deutscher Schulpolitik“ (1998), „Der PISA-Schwindel“ (2005), „Ist die Bildung noch zu retten: Eine Streitschrift“ (2009) und „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017) sind wegweisende Werke, die immer wieder dazu geführt haben, dass dann noch ein Rest Besinnung eingekehrt ist.

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Diese Würdigung würde er ablehnen. Kraus ist nicht für Kompromisse zu haben, sondern für scharfe Argumentationen mit bedingungslos klarer Analyse, der Rest ist Wischiwaschi. Na gut, im persönlichen Umgang ist er freundlich, witzig, konziliant. Schließlich ist er Pädagoge; als früherer Leistungssportler hat er Sport und Deutsch unterrichtet. Feinde zählt er nicht, es wären zu viele. Er hat die bayrischen Kultusminister vorgeführt und wäre 1995 fast wie zur Strafe hessischer Kultusminister geworden. Den Schülern in Hessen und dem berüchtigten Hessen-Abitur wäre das zu wünschen gewesen und die Bildungspolitik dieses Landes hätte auf andere Länder ausstrahlen können.

Er bekämpfte die Rechtschreibreform und organisiert derzeit einen Feldzug gegen die Verhunzung der Sprache durch die hässlichen wie verunklarenden Formen der Gender-Sprechweise.  Den Genderismus hat er auf dem Radar und feuert Wortraketen darauf ab, sobald ein Elaborat einer der 200 Lehrstühle für diese zeitkranke Unwissenschaft auf seinen Radar kommt. 

30 Jahre lang war er Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Aus dem verstaubten Verein hat er eine Bildungs-Lobby gemacht; und der kluge Teil der Lehrer folgte ihm. Er wird nicht müde, gegen die Verblendung zu argumentieren, die im Abitur den „alleinseeligmachenden Weg zum Menschsein“ ausmacht. Er kämpft für ein gegliedertes Schulsystem, weil er die Menschen in ihrer jeweiligen Personalität achtet und nicht einer groben Gleichmacherei unterwerfen will; er fordert Respekt und Unterstützung für die Qualitätssteigerung auch der beruflichen Bildung ein. Der Norm-Mensch nach pseudopädagogischem Muster ist ihm zuwider, weil menschenverachtend. Erziehung ist Steigerung der Person und ihres Vermögens, die Welt zu begreifen und zu verändern.

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Er hat einen tiefen Bass und das rollende R auf der Grenze zum Wiener Burgschauspieler, er schlägt damit Säle in seinen Bann. Aber: Er kann zuhören. Genau und aufmerksam, einfühlsam. Weil er den jeweiligen Menschen achtet. Er geht auf Argumente ein, und deshalb auf die Besonderheit des Individuums. Er will einen herausfordernden Unterricht, der alle Formen des Lernens anspricht, intellektuell, sinnlich, kognitiv. Nur anspruchsvoll und zielgerichtet auf Steigerung des Wissens sollte es ausgerichtet sein.

Nebenbei hat er Psychologie studiert und war Schulpsychologe im Regierungsbezirk Niederbayern. Darüber lacht er selber am lautesten – Psychologie trauen ihm die Wenigsten zu, wenn darunter Kuscheln verstanden wird. In Vilsbiburg übernahm der die Schulleitung des Montgelas-Gymnasiums; benannt nach einem der großen Reformer Bayerns der sich mit seinen Ideen in der napoleonischen Modernisierungsphase des Königreichs unbeliebt gemacht hat, aber als Erneuerer Bayerns eine der wichtigeren historischen Persönlichkeiten des Landes ist. Ein Zufall, der paßt.

Denn modernisieren um Bewährtes zu erhalten; verändern, um unveränderliche Werte zu pflegen – das ist das intellektuelle Spannungsfeld des Josef Kraus. Tichys Einblick ist ihm dankbar dafür, dass er uns und unsere Leser immer wieder mit Kolumnen und Beiträgen beglückt. Es ist nicht wahr, dass er die Redaktion wegen fehlerhafter Zeichensetzung oder Rechtschreibfehler tadeln würde; er ist nicht der ewige Nörgel-Lehrer, nein, das ist er nicht. Wahr ist auch, dass wir ihn lieben und fürchten. Wer möchte von einem solchen Mann wegen eines läppischen Kommas kritisch angeschaut werden wollen? Wir wünschen ihm Schaffenskraft, Spannung und weiterhin eine echte Gaudi. Die schätzt er, der durchaus sentimentale Niederbayer – und Gaudi gewinnt er in der Auseinandersetzung mit seinen Kritikern; sie überwiegt auch sein gelegentliches Leiden an Deutschland und der Bildungspolitik im Besonderen.


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