Tichys Einblick
Die Erben-Generation

Jetzt geht es um die wirtschaftliche Substanz Deutschlands – und um die neue Generation

Nach nur zwei Jahren Ampel geht es an die wirtschaftliche Substanz Deutschlands. Wohl noch nie in der Geschichte hat eine Regierung derartig sehenden Auges das ihr anvertraute Land ruiniert – selbst Argentinien hat dafür länger benötigt. Erst geht es bergab, aber aus dem Scheitern erwächst neue Kraft.

picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Der VW-Konzern wird wohl zwei weitere Werke schließen, nachdem der ebenfalls unter diesem Dach herumfuhrwerkende Hersteller Audi bereits ein Werk in Brüssel zur Disposition gestellt hat.

Beim letzten nennenswerten Stahlkonzern Thyssenkrupp kann jeden Tag der Ofen aus sein. Schnell noch zwei Milliarden für den Umbau zur Herstellung von „grünem Stahl“ kassiert – jetzt droht die Pleite, und Stahl ist grasgrün. Nämlich nicht vorhanden.

Mit der Meyer-Werft in Papenburg versinkt die letzte namhafte deutsche Werft; sie wird künstlich noch mit etwas Staatsknete über Wasser gehalten. Aber die Lecks sind zu groß.

Miele gibt sich grün und woke, kämpft gegen die AfD und verlagert die Produktion nach Polen. Die Gummi-Industrie, Michelin usw. schließen ihre deutschen Reifen-Werke.

Das sind die großen Namen. Die Kleineren kennt man kaum bis nicht, nennt man nicht, und doch gehen mit ihnen die Jobs von Tausenden zu Ende und Know-how verloren.

Aufkäufer aus Indien und China machen ihre Runde. Sie kaufen Werke, bauen ab, bauen wieder auf und futsch.

Wintershall-Dea, wichtiger Rohstoff- und Energieversorger, wurde von der BASF gerade an den britischen Konkurrenten verkauft. 500 Mitarbeiter in der Zentrale in Kassel verlieren ihren Job. Zwei dürfen verbleiben. Der Industriestandort Deutschland wird geplündert.

Was verloren ist, kommt nicht wieder

Klar ist: Was weg ist, ist weg. Niemand investiert in einem Land, in dem die Löhne hoch sind, die Infrastruktur verfällt und nur die Papierproduktion für unsinnige Bürokratien wächst. Für Neuansiedlungen gibt es bessere Standorte. Wer alte vernichtet, erhält sie nicht mehr zurück.

Niemand investiert in einem Land, in dem die Strompreise Höchstwerte erreichen, aber schlimmer noch: Die Bundesregierung künftig nur noch stundenweise Arbeit und Produktion zulässt. Dann nämlich, wenn Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht.

Man muss sich das vorstellen: Die Schicht beginnt, der Strom fällt aus, die Mannschaft geht nach Hause. Dann weht der Wind wieder, und das Spiel beginnt von vorne. Oder wie soll das gehen? Die grünen Ideologen nennen es „angebotsorientierte Stromnachfrage“.

Die Bundesnetzagentur unter dem grünen Habeck-Präsidenten bereitet die betreffenden Gesetze vor. Auch die Gas-Versorgung der Haushalte und Industriekunden soll zerstört werden. Die Gaspreise werden erhöht, mit dem Ziel, die Netze stillzulegen und zu zerstören. Ihr Wert ist schwer zu beziffern. Es dürften 300 Milliarden sein, die mutwillig einer Politik geopfert werden, die mit den Stimmen der Ampel und CDU auf die elektrisch betriebene Wärmepumpe setzt. Die aber nur laufen kann, wenn Strom da ist, siehe oben. Und selbstverständlich werden Verbrenner verboten, damit Elektroautos fahren, die mit Strom betrieben werden, den keiner mehr hat. Oder, um Habeck zu persiflieren: Verbrenner werden nicht verboten, sie werden nur nicht mehr zugelassen.

Es ist kein Land bekannt, das seine Infrastruktur und Industrie so radikal zerstört wie Deutschland. Nicht einmal Argentinien. Vor 100 Jahren gehörte Argentinien zu den reichsten Ländern der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag auf dem Niveau Westeuropas. Das Land hat durch sozialistische Experimente, Partei- und Klientelpolitik rund 100 Jahre gebraucht, um an das Ende der Wohlfahrtsskala zu rutschen.

Deutschland scheint entschlossen, diesen Prozess radikal zu verkürzen. Und es sieht danach aus, als ob diese Gründlichkeit klappt.

Doch die entscheidende Frage ist: Warum tun die das und warum lassen wir das zu?

Alle geben den Nero

Es geht die Legende, dass Kaiser Nero erst Rom angezündet hat und zur flammenden Zerstörung seiner Hauptstadt mit der Laute gespielt haben soll.

Nicht unähnlich ist die Situation in Deutschland. Der Bayerische Rundfunk elektrisiert seine Zuhörer und Zuschauer mit Nachrichten darüber, wo die besten Plätze zu finden sind, von denen aus man der  Sprengung der Kühltürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld zuschauen kann.

In Schutt und Asche lassen die Grünen legen, was Deutschland mit sicherer Energie versorgt hat. Mit der Sprengung der Kühltürme des KKW Grafenrheinfeld und vorher Phillipsburg soll ein sichtbares Zeichen gesetzt werden: Es gibt keine Rückkehr. Der Rubikon ist überschritten. Die geforderte Wiederinbetriebnahme ist unmöglich.

Wir ergötzen uns an der Vernichtung unserer Energieinfrastruktur. Oder warten vereinsamt im gemütlichen Home-Office auf die Kündigung und stellen dann den Antrag auf Bürgergeld. Notfalls wird dies durch Aufhebung der Schuldenbremse gelockert. Dafür kämpfen SPD und Grüne.

Die Grünen und ihre Anhänger in CDU,SPD und FDP wissen, dass sie möglicherweise doch abgewählt werden können, auch wenn sie krampfhaft versuchen, jeden konservativen Wahlsieg etwa in der EU, Thüringen oder Sachsen doch noch in eine rotgrüne Regierung umzumünzen. Deshalb soll der Weg der Zerstörung unumkehrbar gemacht werden. Kernkraftwerke, die ihre besten Jahre noch vor sich haben, werden zerstört. Der Braunkohlebergbau im Rheinland soll mit Rheinwasser geflutet und damit für alle Zeit die Kohle vernässt und unbrauchbar gemacht werden. Wie vorher kerntechnische Lehrstühle soll wird auch die Bergbauakademie stillgelegt werden. Das Zerstörungswerk soll unumkehrbar sein.

Aber es wäre falsch, nur den Politikern die Schuld zu geben. Sie kamen ja durch breite Zustimmung an die Macht, ganz demokratisch, auch wenn sie jetzt nicht mehr loslassen wollen. Zu viele machen mit.

Wie heiter ist es doch, in Armut zu leben

Eine Bestsellerautorin füllt die Säle mit kauzigen Vorträgen über die Notwendigkeit, Deutschland schrumpfen zu lassen. Sie ist ehrlich: künftig alles nur auf Bezugsschein, selbst Trinkwasser nur noch mit „Literschein“. Züge nur noch Tempo 100, was als Durchschnittsgeschwindigkeit übrigens sogar ein Fortschritt wäre, gemessen an den ausfallenden ICE-Zügen der Gegenwart. Private Mobilität wird abgeschafft. Wohnraum wird auf 40 Quadratmeter begrenzt und von der staatlichen Wohnraumkommission vergeben. Soweit die Forderungen von Ulrike Herrmann. Das Publikum klatscht Beifall.

Bundesbauministerium und Architektenkammern predigen „modulares Bauen“, wenn überhaupt noch gebaut werden soll. Darunter verstehen sie vorgefertigte, übereinandergestapelte Arbeitschließfächer. Ziel sind 15-Minuten-Städte mit Stadtvierteln, die man nur noch mit Genehmigung verlassen darf – Lastenräder fahren Kaffeesäcke, natürlich fair gehandelt, von Bremen nach Berlin. (Unterwegs musste allerdings ein Lieferwagen die erschöpften und durchnässten Radler aufgreifen. Aber darüber wird gerne geschwiegen.)

Es regt sich kaum Widerstand gegen Verarmung. In den Familienunternehmen, mit ihren oft genialen wie knorrigen Inhabern, übernehmen Söhne und Töchter mit grünem Mindset.

Die Erben sind woke

Die Erbengeneration ist im Reichtum groß geworden. Sie haben fast alle teure Privatschulen besucht, damit sie nur ja den Kontakt mit den Kindern verlieren, die in ihrer Firma arbeiten. Längst hat sich die deutsche Gesellschaft entmischt – in die da oben und in die da unten, denn unten sind die Schulen unzumutbar schlecht für jeden, der sich ein Internat in Genf oder Großbritannien leisten kann.

Dort hat man ihnen ein schlechtes Gewissen eingeredet. Sie wollen nicht mehr unternehmerisch tätig sein, sondern mit ihren Unternehmen die Welt retten. Meist geht es schief.

Die Rügenwalder Mühle, bekannt für ihre deftigen Wurstwaren, sattelt mit der dritten Generation auf vegane Produkte um und muss sich vor der Insolvenz unter ein Konzerndach retten. Miele, deren solide überteuerte Waschmaschinen und Geschirrspüler in jedem bürgerlich-konservativen Haushalt summen, verlagert die Produktion nach Polen und warnt vor Arbeitsplatzverlusten, wenn die AfD stärker werden sollte. Dass sie die AfD damit vorweg nehmen und gleichzeitig ihre Kundschaft verprellen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Ihre Verlogenheit spüren sie nicht mehr im Zustand der Klimabetroffenheit. Trigema, die letzte Textilfirma des streitbaren wie kauzigen und unternehmerisch erfolgreichen Wolfgang Grupp, zieht am selben Strang des woken Antikapitalismus. Früher war Grupp der mit dem Schimpansen, jetzt kommt sein Lebenswerk schrittweise auf den Hund. Die grünen Woken kaufen nicht seine biederen T-Shirts aus der Billigbaracke an der Autobahnabfahrt. Der Verband der Familienunternehmen, der früher die Politik der Bundesregierung kritisch begleitet hat, ist zu einem Ja-Sager-Laden verkommen.

Die junge Generation hat wenig Ahnung vom Geschäft, das sie reich gemacht hat. Vom Geld und Finanzindustrie verstehen sie mehr. Die Unternehmen sind für sie eher ein Klumpenrisiko. Ihr Vermögen verwaltet meist ein professionelles „Family Office“. So ist sichergestellt, dass auch nach der Pleite der Urlaub auf Saint Barth nicht gefährdet ist. Extremer Vertreter dieser Generation ist Marlene Engelhorn, die 25 Millionen aus dem Nachlass der BASF-Gründers geerbt hat. Sie tingelte Jahre durch Talkshows und Magazine, um ihr Erbe zu verschenken. Doppelmoral gehört zum kritischen, woken Bewusstsein. Engelhorn ist die extreme Ausprägung der literarischen Buddenbrock-Generation: Die erste Generation erwirbt, die zweite verwaltet, die dritte versemmelt das Vermögen.

Ist die vierte Generation der Nachkriegszeit klüger?

Ist das erst langsame, dann immer schnellere Absacken der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschland nicht mehr zu bremsen? Wächst nicht allmählich eine vierte Generation daher, die realistischer ist – und die Energiewende einfach stoppt, indem sie die Vorfahrtsregelung für grünen Strom beendet und neue Kraftwerke baut, die den Namen verdienen? Es wäre ja nicht so schwierig, das Bürgergeld einfach abzuschaffen oder auf explizite, unverschuldete Notlagen zu beschränken; die Folge wäre ja nicht nur eine Milliardeneinsparung, sondern auch die Abwanderung von Millionen unproduktiver „Flüchtlinge“, die dann dauerhaft wieder in ihre Urlaubsländer zurückkehren würden.

Beim Wahlverhalten jedenfalls zeigt sich der Wandel schon: CDU und SPD sind die Favoriten der Altersgruppe Ü60; schon in den Alterskohorten darunter dominiert die AfD, je jünger, je deutlicher, weil die im Arbeitsleben und auf dem Weg dahin in Grünrotschwarz keine Zukunft sehen. Kommt es zu einer Wiederbelebung von Realitätssinn und Abkehr der seltsamen grünen Ideologie, die längst auch die früher bürgerliche CDU und die SPD als Partei der Arbeitnehmer beherrscht, wäre es noch nicht zu spät.

Noch sind phantastische Grundlagen in Wissenschaft, Technik und Forschung vorhanden, die nur von den auf ihnen lastenden Genderwissenschaftlern befreit werden müssten. Niemand zwingt Deutschland dazu, weiter Ministerien zu unterhalten, die nur die parteipolitische Parität bedienen. Fachkräftemangel wäre beseitigt, wenn der öffentliche Dienst verschlankt und auf seine wesentlichen Funktionen zurückgeführt werden würde. Die allermeisten Polizisten wären glücklich, wenn sie ihre Schutzfunktion wahrnehmen dürften und erwarten könnten, dass Täter auch als solche behandelt und nicht hofiert werden, wenn die gerichtsübliche Täter-Opfer-Umkehr aufgegeben würde.

Dafür allerdings wäre ein breiter Bewusstseinswandel notwendig. In der jüngsten Generation gibt es Ansätze für eine neue „skeptische Generation“, auf die Norbert Bolz hingewiesen hat: ein Begriff ursprünglich von Helmut Schelsky für die Generation der unmittelbaren Nachrkiegszeit. Nach den Erfahrungen, die sie mit Nationalsozialismus und Weltkrieg erlitten hatten, waren sie kritisch jeder Ideologie gegenüber. Für sie zählte Leistung und Können. Statt großen Visionen irgendwelcher „Großen Transformationen“ folgten sie dem Prinzip Ausprobieren: Trial and Error, Probieren und Korrigieren, wie es Sir Karl Popper als Denk- und Handlungsprinzip vorausgedacht hat. Von Helmut Schmidt, einem typischen Vertreter der desillusionierten und kritischen Generation, stammt das Wort: „Wenn ich Visionen habe, gehe ich zum Augenarzt“. Wer mit dieser Nüchternheit an Energiewende, Migrationspolitik oder auch an die verordnete Gesellschaftspolitik der sexuellen Transformation unserer Kinder herangeht, braucht eine Dauerkarte beim Augenarzt. Oder er lacht einfach darüber. Und wer glaubt schon daran, dass es 96 verschiedene Geschlechter gibt?

Wenn Sie jetzt lachen, ist schon wieder ein Mitglied für die skeptische Generation gewonnen. Und die Wirklichkeit gewinnt bekanntlich immer.

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