Wilhelm Hopf hat den Lit.Verlag in Münster gegründet. Es ist ein eher linker Verlag, dessen Bauchgrimmen laut zu hören war, als ich für einen Sammelband zum Thema „Trump – Politik als Geschäft“ einen Beitrag ablieferte, der, nun ja: Nicht komplett der Forderung nach Trump-Bashing entsprach.
Nun hat es Wilhelm Hopf erwischt.
Strafe für leichtfertiges Unterzeichnen
Er habe ein gefährliches Dokument leichtfertig, wie er sagt, unterschrieben, und zwar jene kurze Erklärung, die Vera Lengsfeld initiiert hat. Jetzt zieht er zurück – mit einer für einen Wort-Händler seltsamen Begründung: „Ich hatte ohne Prüfung der Initiatorin (…) Vera Lengsfeld vertraut und nicht genügend wahrgenommen, dass die Erklärung zu vereinfachenden populistischen Folgerungen verleitet. Das hätte nicht passieren dürfen.“ Eine kurze Erklärung wird zum Problem, Demokratie zum Ernstfall.
Armer Hopf. Tatsächlich hatten Autoren seines Verlags zu einer Art Boykott aufgerufen. Bei Hopf müssen Autoren meist Geld mitbringen, um ihre drögen Werke drucken zu lassen; das ist der Preis, um in die Zitierkartelle auf Gegenseitigkeit der sozialwissenschaftlichen, akademischen deutschen Nichtigkeiten aufgenommen zu werden. Langjährige Lektoren und Programmgestalter des Verlags hatten dazu eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie betonen, dass die Arbeit des Lit Verlags „weit Differenziertes“ biete „als Erklärungen von wenigen Zeilen“ und der Aufruf der Autoren und Autorinnen „Boykottcharakter“ habe, „der mit dem Programm des Verlags nicht begründbar ist. Er trifft das falsche Programm und die falschen Mitarbeiter“, schließlich vertrete der Verlag „einen pluralistischen, multi-perspektivischen Ansatz“.
Keinen Millimeter Raum der Liberalität!
Der Mikrokosmos zeigt, wie labil derzeit die politische Lage in Deutschland ist – wer gehofft hatte, nach der Bundestagswahl wäre wieder Raum für eine offene und liberalere Diskussion, sieht sich enttäuscht: Wer falsche Wörter verwendet, dem droht Boykott von den wütenden Vertretern eines selbsternannten Meinungs-Mainstreams, der zähnefletschend um die Reste seiner verloren gehenden Diskurshoheit kämpft.
Gerade an Universitäten ist das spürbar: Früher die Räume für freies Denken, sind sie heute normiert und zentriert; junge Wissenschaftler, die sich um Doktoranden-Stellen bemühen oder um eine der wenigen Kurzzeit-Stellen im Anschluß danach, müssen darauf achten, „Clean“ zu sein und falsche Likes- oder Herzchen aus ihren Social-Media-Leben zu löschen: Ein falsches Like kann die Karriere im akademischen Prekariat verhindern.
Nicht mehr eigene oder gar abweichende Meinung ist gefragt, sondern gehorsames Mitbrummeln im einstimmigen Chor ist akademische Einstellungsvoraussetzung: Der Radikalen-Erlass, mit dem Willy Brandt einst verhindern wollte, dass zu viele DDR-Gläubige im öffentlichen Dienst und an Schulen die Zukunft des Landes zerstören, ist einer viel wirkungsvolleren Selbstzensur und leisen Unterwerfung der Betroffenen gewichen. Aber kann es funktionieren?
Wäge die Wahl der Wörter!
Die Mechanismen werden immer subtiler, und dabei kann man sich schon schnell verhauen, wie es dem armen Hopf passiert ist: Durch ein falsches Like, ein Herzchen, wie gesagt, oder das falsche Wort. Anfangs waren es Begriffe wie „Umvolkung“, die zur braunen Etikettierung reichten. Nun ist das ja auch schwere Kost. Heute reichen Begriffe, die eigentlich nur Achselzucken auslösen sollten: Aber wer „Merkel muss weg“ sagt, ist nicht mehr länger Teil einer demokratischen Gesellschaft, in der Protest gegen die Regierung und ihre Chefin eigentlich Definitionsmerkmal sein sollte. „Merkels muss weg“ ist die neue Chiffre, die drinnen und draußen trennt. „Drinnen“ bedeutet Job und Bestätigung im weiten Feld der wuchernden staatlichen, halbstaatlichen und parteistaatlichen Organisationen. „Draußen“ ist der Platz, wer eben zu diesen „vereinfachenden populistischen Folgerungen“ verleitet wie der arme Hopf. Der ist „Pegida“ – und raus bist Du. Es ist ziemlich anstrengend, den immer kleiner werdenden Raum des „drinnen“ von dem wachsenden „draußen“ abzugrenzen; die Mittel für die Antifa als halbamtliche Sturm- und Schlägertruppe werden gerade aufgestockt. Wo kämen wir da hin, wenn jetzt schon 120.000 Bürger diese „Gemeinsame Erklärung“ unterzeichnet haben, in der bei nur drei Worten so viel von diesem blöden Grundgesetz die Rede ist und von Demonstrationsfreiheit.
Gebrauchsanweisung vom Deutschlandfunk
Eine Art Anleitung hat „Deutschlanddfunk Kultur“ geliefert, öffentlich-rechtlich finanziert, wie man diese gemeinsamen Erklärung zu lesen habe:
«Jetzt sagen Sie vielleicht: „Moment mal, in der Erklärung ist von Pegida oder so doch gar keine Rede.“
Das stimmt! Aber der zweite Satz lautet nun einmal: „Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.“
Und wenn man sich fragt, wer da demonstriert, kommt man an Pegida kaum vorbei.
Im übrigen, so unser persönlicher Eindruck, ist es feige, sich selbst hinter Demonstranten zu verstecken, nach dem Motto: „Wir sind für die, die das Volk sind.“
Aber vielleicht gefällt Ihnen ja der erste Satz der Erklärung, in dem es heißt, Deutschland werde durch „illegale Masseneinwanderung beschädigt“.»
Man lernt beim Deutschlandfunk: Wörter haben längst Signalwirkung. Es sind Chiffren, an deren Benutzung falsches Denken sich zeigt. Aber es geht weiter beim Deutschlandfunk – Verstoß gegen Gesetze und zutreffende Zahlen sind keine Belege mehr für Fakten, sondern für falsches Denken, weil nicht regierungskonform.
«Keine Frage, das ‚illegal‘ ist polemisch und überwiegend unzutreffend – aber nicht immer. Ob wiederum 186.644 Asylsuchende im letzten Jahr als „Masse“ zu bezeichnen sind oder nicht, unterliegt keiner gesetzlichen Regelung. Nein, die Kernfrage lautet: Glauben Sie, dass Deutschland durch Einwanderung beschädigt wird?»
Denken Sie also zukünftig genau darüber nach, wenn Sie Wörter wie „Masseneinwanderung“, gar in Verbindung mit „illegal“ benutzen oder „rechtsstaatliche Ordnung“ – das Nazi-Beil schwebt schon über Ihrem Kopf und seinem krausen Denken, das dummerweise auch noch zum Sprechen werden könnte. Denn drohend geht es im Sender weiter, der natürlich keinesfalls „Staatsfunk“ (auch eines dieser Signal-Wörter) genannt werden will:
„Wenn ja – dann werden wohl auch Sie eine Unterzeichnung in Erwägung ziehen und die erwähnten, eher hässlichen Nebeneffekte inklusive anschwellender Fremdenfeindlichkeit in Kauf nehmen.“
Überlegen Sie noch mal – Risiken und Nebenwirkungen!
Das kann Ihnen niemand verwehren. Aber überlegen Sie doch noch mal! Überlegen Sie noch mal, und denken Sie an ihre Karriere, die Schulnoten ihrer Kinder und die Nachbarn oder an ihren Stammtisch. Das kann unangenehm werden.
Aber während so die Grenzen enger gezogen und die Drohungen deutlich werden, passiert gleichzeitig des Gegenteil; gewissermaßen die Gleichzeitigkeit des Ungleichen. Immer mehr unterzeichnen die Liste, statt „noch mal zu überlegen“. Landlauf, landab entstehen immer neue Protestformen. In Dresden sowieso; die Bürger der Residenzstadt waren immer schon renitent. Unbeliebt in der DDR oder überangepasst in Berlin in führender Rolle. An Ort und Stelle bildete sich eine Bürgergesellschft, der es Wurscht ist, was man über sie denkt und jetzt ein trotziges „Trojanisches Pferd“ aufstellen will – gibt es ein dramatischeres Signal als dieses Bild einer heimlich eindringenden Kriegerschaft, die Stadt, Land und Leben zerstören will?
Es bilden sich in anderen Städte wieder „runde Tische“ und das „Neue Forum“ – Formen des Widerstand und der Bürgerpartizipation. Klar, da wird an den Widerstand gegen die SED-Herrschaft angeknüpft. Ganz im Westen gibt es einen längst überbuchten „Freiheitskongress“, der an das Hambacher Fest anknüpft, ein Freiheitssymbol seit 1832. „Merkel muss weg“-Demonstrationen gibt es auch in Hamburg und Bremen, verdächtige Kongresse selbst in Frankfurt, der Stadt der Paulskirche, an deren Uni nur noch besonders konform gedacht werden darf, worüber Schlägerbanden unter der ideellen Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters wachen. Denn auf einem Kongress über „Gewalt in der Familie“ soll sogar über von Frauen ausgehende Gewalt gesprochen werden. Das ist sexistisch, rassistische, und überhaupt böse. Die Warnungen vor falschen Teilnehmern wird immer schriller, das erlaubt Gesagte enger, aber so wie die Warnungen immer infantiler werden, werden sie immer weniger ernst genommen. Ernstnehmen kann man es längst nicht mehr.
Bestes Beispiel:
Achtung Fachwerkhäuser – Symbole des „Völkischen“
Es sind viele, oft seltsame, manchmal befremdliche Veranstaltungen. Überlegen Sie es sich gut, nehmen Sie die Warnung des Deutschlandfunks ernst, es könnte ja ein Redakteur des Tagesspiegels, der ZEIT oder des ARD-Faktenfinders dabei sein, der Ihren Namen notiert. Die Gefahren lauern überall, wie unsere kritischen Medien wissen: sollten Sie demnächst die neu aufgebaute Frankfurter Altstadt besuchen wollen – dann sollten Sie wissen, trotz des braven Oberbürgermeisters laufen Sie die Gefahr der Teilnahme an einem rechtsradikalen Komplott:
„Die gefeierte neue Frankfurter Altstadt geht auf die Initiative eines Rechtsradikalen zurück. Das ist kein Zufall“, warnte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, denn: „Die Rekonstruktionsarchitektur entwickelt sich in Deutschland derzeit zu einem Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten. Denn hinter dem gleich zwei glänzenden Architekturoberflächen neu errichteter oder noch zu errichtenden Geschichtsbilder verbergen sich mitunter Machenschaften von Rechtsradikalen und selbst Rechtsextremisten.“
Glauben Sie nicht, dass ich das zum Zwecke des Spotts erfunden hätte. So lange Sätze kann ich gar nicht schwurbeln, denn nach einem Komma geht es weiter über diese Rechtsextremisten in den Stadtbauämtern, „die mit Hilfe eines scheinbar nur-ästhetischen Diskurses zunehmend politische Terraingewinne im lokalstolzen, kulturell interessierten aber teils auch politisch naiven Kulturbürgertum verbuchen können.“
Passen Sie also auf. Und sagen Sie nicht, dass wir Sie nicht gewarnt hätten, wenn Sie ein Fachwerkhaus bestaunen oder die Oper besuchen oder ein Konzert, Sie kulturell interessierter Naivling. Hören Sie die tägliche Warnmeldung in Ihrem Rundfunk ab oder abonnieren Sie eines der halbamtlichen Warnblätter vor den Umtrieben der Rechten, in diesem Fall die FAS, Nr. 14 vom 8. April. Oder lernen sie die Fahndungsaufrufe der ZEIT auswendig.
Anmerkung der Redaktion: Keiner der zitierten Artikel von Tagesspiegel, Zeit, Deutschlandfunk oder FAS ist ein Aprilscherz. Es sei denn, diese Medien Aprilscherzen jetzt ganzjährig. Das haben wir nicht überprüft, schließen es aber nicht aus.