Es ist die Begründung, die aufhorchen läßt, mit der der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella die Bildung der neuen Regierung verhindert hat: Der vorgeschlagenen Wirtschafts- und Finanzminister in Italien, Paolo Savona, hätte mit seinen anti-EU-Reden schon in den vergangenen Tagen über höhere Zinsen und fallende Börsenkurse viel Schaden übers Land gebracht und würden noch viel mehr Schaden bringen. Seine Pflicht aber sei es, die Unternehmen und die Bürger Italiens vor Schaden zu bewahren.
Eine wirklich bemerkenswerte Begründung …
Nun sollte man sich Mattarellas Worte genauer ansehen. In einer Nullzinsphase sind höhere Zinsen ja nicht schlecht für Sparer, im Gegenteil. Dem italienischen Sparbuchinhaber hat der Präsident keinen Gefallen getan. Eher schon den Banken.
Der Aktienkurs von Unicredito, zu der auch die Münchner Hypo-Vereinsbank gehört, sank um 5 %; die der größten Bank, der Intesa Sanpaolo um 4. Kleinere Banken verloren sogar zweistellig. Die Ursache ist klar: Viele Anleger aus dem Ausland haben wegen der Staatskrise italienische Staatsanleihen verkauft. Statt bisher rund 40% der italienischen Staatsschulden halten sie heute nur noch 32 Prozent – es ist eine Flucht des Geldes aus Italien. Kapital ist eben ein scheues Reh. Fühlt es sich bedroht, sprintet es davon. Und es fühlt sich bedroht, weil die neue Regierung so rund 250 Milliarden zusätzlicher Schulden machen wollte – da glaubt angesichts der schon vorhandenen Schuldenlast und der Wirtschaftsschwäche niemand mehr an Rückzahlung.
Die Banken sind das Problem
Massenhafter Verkauf drückt die Preise; bei Staatsanleihen nennt man sie beschönigend Kurse. Die italienischen Banken aber haben massenhaft solche Staatsanleihen in den Büchern. Der Volksmund nennt sowas „faule Kredite“. Dazu kommen noch faulere Kredite – die von Unternehmen, die schlecht laufen oder gerade so an der Pleite vorbei rutschen. Davon gibt es zahllose – je schlechter die Wirtschaft läuft, wie in Italien, um so schlechter die Rückzahlungsmoral. Italiens Banken sind mehr oder weniger Pleitekandidaten.
Und hier kommt die unmittelbare Verbindung zu den Deutschen. Nicht nur Banken und Anleger haben gefährdete italienische Staatsanleihen – auch die Europäische Zentralbank, an der Deutschland mit rund einem Viertel beteiligt ist.
Über die Jahre hat die EZB italienische Anleihen im Volumen von 340 Milliarden Euro in ihre Bücher genommen. Es werden immer mehr.
Das Anleihekaufprogramm der EZB (QE) sieht derzeit vor, noch bis zum kommenden September jeden Monat rund 30 Milliarden Euro in den Markt zu pumpen. Die EZB wird auch weiterhin italienische Staatsanleihen ankaufen, und der deutsche Steuerzahler ist daran immer mit seinem bösen Viertel beteiligt. Wir tauschen gute Euros gegen schlechte Staatsanleihen – ein schlechter Deal. Und viel zu wenig Cash für Rom.
Der ungeliebte Gang zum Friseur
Noch mehr Schulden
Nun ist Italien nicht Griechenland, sondern viel, viel größer, was in der EU heißt: Es hat noch viel mehr Schulden und wird noch viel mehr neue machen wollen.
Dafür hat die EZB noch einen Trumpf in der Hinterhand: Das bisher noch nie zum Einsatz gekommene OMT-Programm. Das Outright Monetary Transactions Program (OMT) würde den Währungshütern erlauben, in unbeschränktem Maße italienische Staatsanleihen zu kaufen. Das Programm wurde 2012 vom EZB-Chef Mario Draghi entwickelt und verfolgt lediglich einen einzigen Zweck: Die Stabilität der Gemeinschaftswährung Euro sichern. Wir reden hier zu allem, was sie bisher gehört haben, noch einmal über hunderte von Milliarden obendrauf.
Das sind die Auswirkungen der Griechenland-Krise XXL: Die EZB kauft unbeschränkt italienische Staatsanleihen, damit dort das Geld schön ausgegeben werden kann – für ein niedriges Renteneintrittsalter, für noch mehr Beamte, wofür auch immer.
Und weil das alles nicht reicht als Bedrohungsszenario, geht es auch noch um die europäische Bankenunion.
Gott sei Dank – Bankenunion!
Damit kommt die italienische Politik unmittelbar beim deutschen Sparer an.
Und nicht nur die.
Bemerkenswerter Weise sind die französischen Banken besonders eng mit den italienischen verflochten. Klingt kompliziert, ist einfach: Sie halten italienische Bankaktien, Schuldverschreibungen, haben denen Kredite gegeben. Stürzt eine italienische Bank, wackelt schnell auch die französische Partnerbank.
Ist allerdings nicht weiter schlimm: Am Ende haftet ja die Volksbank im Taunus oder Weserbergland oder wo auch immer selbst dafür mit, wenn sagen wir Avignon eine Bank über die Brücke geht und zahlungsunfähig wird. Das verschlingt richtig viel Geld.
Deshalb ist die Bankenunion der große europäische Plan, der von Frankreich und Italien betrieben wird und gegen die sich Deutschland bislang noch wehrte.
Aber wir wollen ja alle gute Europäer sein, was bedeutet bedingungslose EUler.
Und jetzt beginnt eine politische Spekulation: Wir lassen gemeinsam die bösen Populisten in Rom nicht an die Regierung. Das hat natürlich einen Preis: Die europäische Bankenunion mit der gemeinsamen Haftung. Es geht nicht mehr um Demokratie, es geht auch nicht um Märkte. Es geht darum, eine Fehlkonstruktion wie den Euro am Leben zu erhalten. Irgendwie. Auch wenn es noch so teuer wird. Whatever it takes.
Denn man kann vielleicht die Demokratie aushebeln – die Schulden sind aber damit trotzdem noch nicht weg. Auch Technokraten brauchen Geld und Zinsen. Dabei muss man ihnen helfen, das macht man so untereinander in EU-Europa.
Dafür muss man schon mal die deutschen Sparkassen aufsperren, oder?