Tichys Einblick
Auf dem Weg zur Kaderpartei

Ist die CDU noch zu retten? Wie Merkel mit der Partei neuen Typs herrscht

Armin Laschet als neuer Vorsitzender der CDU steht für eine Fortsetzung der Merkel-Politik. Es bleibt ihm auch gar nichts anderes übrig: Merkel hat ihre Partei so umgestaltet, dass eine grundlegende Änderung nicht mehr möglich ist.

Angela Merkel

imago images / photothek

Der Vorsitz der CDU war einmal eine mächtige Position; das Sprungbrett ins Kanzleramt, inhaltlich dominiert von Politikern mit klarer politischer Vorstellung. Seit Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich das geändert. Das höchste der Gefühle, das sie sich erworben hat, ist Mitleid, und sage keiner, die CDU sei undankbar: Sie darf als Verteidigungsministerin das Zerstörungswerk an der Verteidigung fortsetzen, und erhält dafür eine hübsche Pension, später einmal. Man schätze das nicht gering in einer Zeit, in der gerade Millionen von Existenzen vernichtet werden.

Nur Weiter-so garantiert das Überleben

Und ihr Nachfolger Armin Laschet? Der weiß das ganz genau. Die CDU ist nicht mehr die Partei von Konrad Adenauer oder Helmut Kohl und den anderen, die diese Partei führten. Angela Merkel hat den Charakter dieser Partei verändert, so wie sie es gelernt hat. Es ist in der Struktur der Prototyp einer Partei neuen Typs geworden. In seiner Schrift „Was tun?“ beschrieb Lenin seine Vorstellungen vom Aufbau einer kommunistischen Partei. Im Gegensatz zum Aufbau „normaler Parteien“, in denen die oberen Parteigliederungen von den unteren gewählt wurden, werden alle Gliederungen in hierarchischer Rangfolge dem Zentralkomitee untergeordnet. Da gibt es kein Entkommen. Das ist mit Merkels Worten einfach nur: alternativlos. Denn Angela Merkel hat bei Kramp-Karrenbauer demonstriert, dass es ihr egal ist, wer unter ihr als Parteivorsitzender Reden auf Jubiläen verdienter Plakate-Kleber halten darf.

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Seit sie die CDU formt, haben die oberen Gliederungen nur noch die Aufgabe, die unteren Gliederungen anzuleiten und in deren Personalentscheidungen einzugreifen, so dass nur solche Kandidaten für Parteiämter zugelassen werden, die der Spitze genehm sind. Das ist das Merkmal des neuen Partei-Typs, das hat man ihr so eingetrichtert. Das lebt sie. Das mag auf den ersten Blick übertrieben erscheinen. Denn über den künftigen Vorsitzenden und den Kanzlerkandidaten entscheiden bekanntlich die Delegierten.

Wenn man die Parteimitglieder befragt hat, wünschten die sich Friedrich Merz, denn bis zum letzten tiefen Grund der Partei ist Merkel noch nicht vorgedrungen. Die Delegierten, allesamt Funktionäre, Funktionsträger und Apparatschiks in der weitgehend staatlich finanzierten Parteibürokratie folgen Merkel. Und die ist in tiefer Ablehnung Merz verbunden. Angela Merkel hat nie Wert darauf gelegt, Mitglieder für die CDU zu gewinnen. Mitglieder stören. Sie haben gelegentlich einen störrischen Kopf. Die Zahl der Parteimitglieder hat sich seit 2000 annähernd halbiert.  Merkel setzt auf wenige, bezahlte und von ihr abhängige Funktionäre. Basis stört. Längst wird in der CDU von oben nach unten gewählt.

Notfalls werden Wahlen korrigiert

Mit Laschet hat sie erneut einen ihr genehmen Kandidaten durchgesetzt. Ihr Stil war es stets, alle lästigen Bewerber um Partei- und Regierungsämter zu verhindern. Das gilt auch für lästige Ministerpräsidenten anderer Parteien; wir erinnern uns, dass sie die Wahl eines thüringischen Ministerpräsidenten hat „rückgängig“ machen lassen. So wenig Achtung vor vielleicht höchst unliebsamen, aber demokratischen Entscheidungen war nie. Es zeigt ihr Denken. Institutionen zählen nicht, Respekt vor den Mechanismen einer Wahl, auch jenen, die einem nicht gefallen mögen, kennt sie nicht.

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Merkel hat Merz zur Strecke gebracht
Viel Spaß, Armin Laschet. Er wird gegen einen machtvollen Apparat kämpfen müssen – den der Merkelregierung und ihrer Parteifunktionäre. Und er weiß es. Er ist selbst Teil des Apparats, treuer Diener Merkels und von ihren Gnaden. Subtil hat die Parteitagsregie dafür gesorgt, dass von den fünf einzigen Fragestellern einer sein Kompagnon Jens Spahn war – der keine Frage stellte, sondern eine Bewerbungsrede hielt. Die Partei, die Partei ist nicht fair. Sie vollzieht, was die Vorsitzende Merkel seit 2000 vollzieht: Den weiteren Umbau der Partei zum Machtinstrument. Macht beruht nicht auf Worten, sondern auf Geld und Posten. Damit hat Angela Merkel einen Drei-Fronten-Krieg gewonnen:

Sie hat Opportunismus in eigener Sache und Brutalität gegen Kritiker zu den zwei Seiten ihrer einen Medaille gemacht.
Merkel hat dabei weit radikaler fortgesetzt, was Helmut Kohl bereits angelegt hatte: die Durchdringung möglichst aller Institutionen mit Gefolgsleuten.

Pöstchen für Treue oder beherrscht man eine Fraktion

Das fängt mit der Fraktion als zweiten Machtpol neben der Regierung an. Hier stehen ihr einige hundert Millionen pro Jahr aus der Staatskasse zur Finanzierung der Fraktion zur Verfügung; jede Menge Ämter, Pöstchen wie stellvertretende Fraktionsvorsitzende (ein Dutzend), parlamentarische Geschäftsführer, parlamentarische Staatssekretäre und Ausschussvorsitzende. Alle erhalten Zuschläge von etwa 50 Prozent der Abgeordnetendiät, viele Dienstwagen, extra Assistenten und Sekretärinnen und andere Privilegien.

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Die Fraktion wird dirigiert über ein Pfründe-System. Wer nicht richtig mitstimmt, fliegt aus dem Reich der Sonderzahlungen und verliert möglichst auch sein Mandat. Es herrscht strenger Fraktionszwang. Längst ist der Abgeordnete zwar seinem Gewissen verpflichtet, aber muss mit der Herde stimmen. Sonst droht Ausschluss. Die Medien haben sich längst daran gewöhnt und folgen ihrer Vorgabe. Bei manchen Abstimmungen wird der „Fraktionszwang aufgehoben“, heißt es dann.

Ein Beispiel aus der taz: „Wenn es um Gewissensfragen geht, wird es im Bundestag spannend. Dann wird der Fraktionszwang aufgehoben, die Abgeordneten können unabhängig von der Parteilinie entscheiden. Dieses Vorgehen ist üblich, wenn es um heikle, ethische Themen geht, etwa 2011 um die Präimplantationsdiagnostik. Oder 2017, als der Bundestag die Ehe für alle beschloss.“

Es wird ein Zwang aufgehoben, den es eigentlich nicht gibt, der sogar grundgesetzwidrig ist. Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes ist da unmissverständlich: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Aber Merkel steht mit ihrer Deutungsmacht über dem Grundgesetz, und Journalisten in Berlin haben längst aufgehört, das in Frage zu stellen. Folgt der Deutsche Bundestag dem Grundgesetz, gilt das als Sensation. Übrigens nicht nur in der CDU – in allen diesen Parteien.

Subvention für brave Industrien

Aber auch außerhalb der Parteien und ihres von oben dirigierten Parlaments hat Merkel wie schon Kohl ein System von Abhängigkeiten aufgebaut. Es gibt kaum einen Verband, der nicht von einer ihrer Getreuen dirigiert wird. Jüngstes Beispiel: Zur Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie wurde Hildegard Müller gewählt.  Sie gilt als Merkels Mädchen, so wie Merkel eins Kohls Mädchen war. Müller hat von Autos keine Ahnung. Seit sie den Verband beherrscht, herrscht Ruhe. Die einst stolze Industrie hat sich darauf reduziert, möglichst viele Subventionen für E-Autos abzuzocken, und die fließen üppig. Arbeitsplätze? Zukunftsfähigkeit? Die Kernindustrie kuscht, gehorcht und erhält Steuergelder.

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Die Trennung zwischen Staat und Wirtschaft, eherne Regel Ludwig Erhards und Basis von Freiheit und Wohlstand gilt als aufgehoben: Subventionen retten die Aktionäre, und die halten den Mund, schließlich regnet es Brei. Auch hier wird Zustimmung erkauft. Die Staatskasse dient nicht mehr dem Bürger, sondern dem Machterhalt. Auf diese Weise hat Merkel praktische alle Wirtschaftsverbände domestiziert, greift durch bis in kleinste Stiftungen und Vereine. Die Gerichte sind davor nicht sicher.

Zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts wurde Stephan Harbarth gemacht. Seine Verdienste hat er sich nicht im Verfassungsrecht erworben, was eigentlich die Voraussetzung für dieses Amt ist. Er hat Merkels Migrationspakt im Bundestag durchgesetzt, eine „Grenzen-öffnet-Euch“, das selbst in der braven Bundestagsfraktion der CDU weitgehend abgelehnt worden war.

Merkel weiß ihre Büchsenspanner zu entlohnen und kritisiert lauthals Ungarn und Polen, deren Besetzung von Gerichten weit demokratischer erfolgt. So hat Merkel das Land auf das Niveau eines Bananenstaates reduziert.

Die heimliche Macht der Medien und Geld für Schläger

Merkels weiteres Instrument der Machtsicherung ist ihr Anschmiegen an die Medien. Wie keine Zweite weiß sie um die rot-grüne Dominanz in den Pressehäusern und in den Talkshows und Nachrichtenredaktionen von ARD und ZDF. Sie führte eine Politik in enger Übereinstimmung mit deren Ideologie: Grenzöffnung, Energiewende, Schuldenpolitik. Da war kein Widerspruch zu erwarten. So wurde Merkel zur Kanzlerin der Medien, gefeiert, geliebt, verteidigt. Sie hat einen gefunden, der das noch optimierend abkupfert: Markus Söder. Seit er die Politik macht, wie es sich die Süddeutsche Zeitung vorstellt, wurde er zum unbestrittenen König der Bienen und dagegen gibt es keinen Widerspruch.

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Weil das alles nicht reicht, hat Angela Merkel Hilfstruppen finanziert, die jeden Widerspruch gegen ihre Politik diffamieren und verleumden. Es reicht von der Amadeus-Antonio-Stiftung über „Neue Deutsche Medienmacher“ hin zu einem Portal wie „Volksverpetzer“, die genau das machen, was ihr Name sagt: Widerspruch verpetzen, nahtlos und angeschmiegt an Merkels Vorgaben. Dutzende von NGOs mit bruchloser Verbindung zur verfassungsfeindlichen und gewalttätigen Schlägertrupps der Antifa sind so entstanden.

Wer Merkel kritisiert, riskiert eingeschlagene Scheiben und öffentliche Denunziation. Selten hat eine Regierung so unverschämt und mit so viel Geld linke, linksradikale und linksextreme Gruppen finanziert. Vorläufiger Höhepunkt: Eine weitere  Milliarde für Hilfstruppen der Regierung. Vorübergehend hatte Kristina Schröder als Familienministerin in den Jahren 2009 bis 2013 versucht, über eine Klausel in der Vergabeordnung des Ministeriums den Geldfluss ins rotgrüne und linksradikale Lager zu stoppen – Verfassungstreue wurde verlangt. Da blieb sie nicht mehr lange Ministerin; ihr Amt fiel an die SPD und die Mittel werden seither Jahr für Jahr aufgestockt.

Und Armin Laschet? Er ist Vorsitzender einer Partei, in der er kaum Bewegungsspielraum hat. Das scheint ihn wenig zu stören: Inhaltlich folgt er Merkels Politik. Kurzzeitig wandte er sich in der Corona-Politik von ihr ab, verfolgte eine Lockerung des Lockdowns, der Deutschland jetzt ruiniert. Es ist ihm in den Medien und der Partei nicht gut bekommen – und flugs hat er sich korrigiert, kehrt in die Herde der braven Schafe der guten Hirtin zurück. Damit stand seiner Wahl nichts mehr im Wege.

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Denn die Funktionäre von Merkels Gnaden könnten keine Veränderung gebrauchen, es hätte ihr Einkommen, Fortkommen und Zukunft gefährdet. So ist er der Garant für Merkels Weiter-So. Er hat lustigerweise nur noch einen Gegner: CSU-Chef Markus Söder. Der hat Merkels Führungsstil verinnerlicht und die Kunst der tödlichen Doppelzüngigkeit noch perfektioniert. Wenn er davon spricht, dass „Merkels Erbe“ zu bewahren sei, dann ist das vordergründig jene Lobhudelei, wie sie am Hof in Berlin so geliebt wird.

Hintergründig ist es eine Art politischer Mordanschlag: Er hat Merkel für politisch tot erklärt, als Auslaufmodell und damit den Wettlauf um die Kanzlerkandidatur eröffnet. Der Vorhang ist offen für den Machtkampf zwischen Laschet/Spahn und Söder, der mit der CSU über die deutlich schwächere Ausgangsposition gegen Merkels Kampfmaschine verfügt.

Man könnte sich zurücklehnen und mit Popcorn diesen Kampf der Diadochen bewundern. Leider gibt es vermutlich kein Popcorn. Die Wirklichkeit, das zeigt die Geschichte der DDR, schert sich nicht um die Träume der Partei neuen Typs. Die Wirklichkeit überholt sie einfach mit Krisenwucht. Am Ende zählt das Land, nicht Parteipolitik.



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