Tichys Einblick
...dann nicht doch besser Kernenergie?

In Lützerath findet das peinliche Rendezvous der Grünen mit der Realität statt

Die grüne Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt begrüßt die Molotow-Cocktails gegen Polizisten in Lützerath als „Hartnäckigkeit“. Die so verhöhnte Polizei muss den von der grünen Landesministerin genehmigten Braunkohletagebau durchsetzen. Die Grünen scheitern an der Gewalt, die sie selbst ausgelöst haben.

Die Polizei bei der Räumung der Ortschaft Lützerath, 11.01.2023

IMAGO / Sven Simon

Natürlich geht es nicht um Lützerath, wenn hier Demonstranten und Polizei aufeinander losgehen. Der Ort ist verloren; er liegt unmittelbar am Rande der Abbruchkante. 400 Meter geht es in den Tagebau; das ist fast die Hälfte der Watzmann-Ostwand, der höchsten Steilwand in den Ostalpen.

Lützerath wird, wenn es nicht abgebaggert wird, abrutschen und wie eine Kinder-Sandburg in den Wellen einfach im großen Loch verschwinden. Der Braunkohletagebau ist eine brutale Landschaftsvernichtung. Die Menschen wurden längst umgesiedelt, die letzten drei Häuser sind Ruinen. Es geht nicht nur um die Kohle, es geht auch um Sand und Erdmassen unter Lützerath. Sie werden an anderer Stelle gebraucht. Denn der Braunkohletagebau frisst vorne Landschaft weg und schüttet, wenn die Maschinen die Kohle verdaut haben, mit dem Material  den gigantischen Canyon hinter sich wieder zu.

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Es sind keine ökologischen Schäden, die da entstehen – es ist die Zerstörung der Welt, wie wir sie kennen, und der Versuch, sie hinterher wieder künstlich so schön zu gestalten wie eine gigantische Bundesgartenschau. Und dann haben wir noch nicht vom menschlichen Leid der Umsiedlung gesprochen, vom Grundwasser, von den Auswirkungen bis weit in die Niederlande hinein.

Man kann es nicht beschönigen. Und man braucht sie doch, die Kohle. Das rheinische Industriegebiet und die Großstadt Köln sind Energiefresser in ungeheurem Ausmaß. Die Wirtschaftsregion lebt von der Kohle, und stirbt ohne Energie den Kältetod. Schon die Romantik verzweifelte angesichts der ersten Anfänge des Maschinenzeitalters, sie waren entsetzt angesichts erster rauchender Schlote, die uns heute eher ein müdes Lächeln und „Schau, wie putzig“ entlocken würden. Sie flüchteten in Märchen und Romanzen, weil schon damals die Alternativen rar waren.

Heute schaufelt die bestialische Brutalität des Bergbaus mit ihren dystopischen Monstermaschinen jedes Argument gegen sich selbst immer noch weg und mit immer noch größeren Anlagen, weil die Frage schlicht lautet: Was dann? Was sind die Alternativen? Ein paar blau blitzende Solarpaneele und fröhlich im Wind sich drehende Räder sind es jedenfalls nicht. Diese romantische Illusion ist geplatzt mit einer neuen technologischen Bestialität.

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Schon nähert sich der Grad der Landschaftszerstörung in Norddeutschland und Sachsen-Anhalt, aber auch in Hessen und Rheinland-Pfalz durch die Windparks stetig dem der Braunkohle: Langsam wird dem Letzten klar, dass großflächige Verspiegelung durch Solaranlagen und Wind-Entzug eben auch entlang der riesigen Flächen bislang kaum erahnte ökologische Folgen haben, und was wäre noch übrig von Deutschland nach der geforderten Verzehnfachung? Leben unter dem Solarpaneel? Und dann bleibt nur noch eine Frage, die zu beantworten ist: dann nicht doch besser Kernenergie?

Die Grünen haben sich lange vor dieser Frage gedrückt, und sie drücken sich noch. Nur in Lützerath klappt es nicht mehr. Der Krawall trifft jetzt die Grünen ins Mark. Die grüne Umweltministerin der Landesregierung Mona Neubaur muss die Räumung und den Abbau verteidigen, denn sie hat keine Alternativen anzubieten. In ihrem Namen trifft die Polizei auf Protestanten, über die man sich gerne lustig machen kann, auf semi-professionelle Krawallmacher, auf mit viel Geld geschmierte NGOs, auf fanatische Anhänger der Klimasekte und auf Menschen, die den Anblick der Landschaftszerstörung einfach nicht mehr ertragen. Die Polizisten müssen damit umgehen, was die grünen Politiker angerichtet haben.

Die Polizisten stoßen aber auch auf eine Brutalität und Verachtung der Demokratie, die die Grünen selbst herangezüchtet haben. Immer schon argumentierten die Grünen im Sinne einer höheren Vernunft, einer unabweisbaren Notwendigkeit der Ökologie, und die Bösen waren immer diejenigen, die auf Sachzwänge verwiesen haben, auf demokratisch getroffene Entscheidungen, auf rechtlich abgesicherte, komplizierte und umständliche Genehmigungsverfahren. Die Energieversorgung eines Landes ist nicht etwas, was man mit links mal kurz verändert. Es sind langfristige, jahrzehntelange Prozesse weit über die Kurzzeit-Horizonte der aktuellen Politik seit der Ära Merkel hinaus. Es ist nur noch peinlich, wie die Grünen-Abgeordnete Kathrin Henneberger fordert: Der Preis ist zu hoch! Die Kohle unter #Lützerath muss im Boden bleiben, es ist legitim und wichtig sich hier weiter für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Ich hoffe immer noch auf eine Absage der Räumung.

Es waren die Grünen, die diesen Kompromiss gefunden haben, um wenigstens den Anschein der Energiewende zu wahren, auch wenn die grüne Wende längst die Halse zu mehr Umweltzerstörung zu Wasser, zu Lande und in der Luft darstellt. Die Energiewende mit Kohlestrom bestreiten zu wollen, ist schon Wahnsinn. Dies selbst zu beschließen, um es danach selbst zu bekämpfen, behandelt Wähler als Idioten. Und wenn das dann durchgesetzt wird, wird gekniffen? Kinder, Kinder….

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Und Demokratie im Rechtsstaat ist, wenn man sich einer Entscheidung unterwerfen muss, auch wenn sie einem nicht schmeckt. Auch wenn man sie ablehnt, empörend findet, sogar schädlich. Ein individuelles Recht, das Recht der anderen zu brechen, gibt es nicht: nicht das Recht, den Straßenverkehr zu blockieren, den Flugverkehr zu gefährden, die Gasversorgung zu unterbinden mit allen Folgen im jeweiligen Fall, wie es unter dem Jubel grüner Politik und mit deren offenem oder heimlichem Einverständnis durch die Spinner der „Letzten Generation“ erfolgt ist.

Die Grünen haben sich von dieser Art Rechtsanmaßung nie wirklich befreit. Jetzt sind sie an der Regierung in Bund und Land, und jetzt erleben sie, was diese geförderte Erosion rechtsstaatlichen und demokratischen Bewusstseins bedeutet: Molotow-Cocktails auf Polizisten, die grüne Entscheidungen durchsetzen müssen, im Sinne des Gemeinwohls. Da schreibt doch Katrin Göring-Eckardt, immerhin Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags angesichts fliegender Steine und Molotowcocktails: „Die Klimakrise ist dramatisch. Ich teile die Hartnäckigkeit, mit der die Demonstrierenden mehr Klimaschutz fordern. Keine Generation kann sich Nichtstun erlauben.“

Die Beamten vor Ort werden sich für diese Form von Hartnäckigkeit bedanken. In Lützerath findet das peinliche Rendezvous der Grünen mit der Realität statt: Sie versuchen sich davonzustehlen, dass es IHRE Energiepolitik ist, und hetzen weiter die Demonstranten auf die Polizei, die IHRE Entscheidungen durchsetzen muss.

Auch die Grünen müssen lernen, dass der Rechtsstaat kein Kuchen ist, aus dem sie sich die Rosinen herauspicken, sondern dass er nur als Gesamtheit schmeckt. Bislang klappte die grüne Strategie, sich als die Retter der Welt und des Klimas aufzuspielen und die materiellen und politischen Kosten auf anderen Schultern abzuladen. Jetzt stehen sie selbst im Sumpf von Lützerath und jeder Steinwurf gilt auch ihnen.


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