In diesen Tagen werden die großen Reformen der SPD-dominierten Bundesregierung Gesetz – und im Herbst kommt die nächste Runde.
Eine große Koalition kann halt flott Gesetze machen; keine lästigen Debatten, keine Sorge um Mehrheiten; die Herde ist groß genug, um sogar das eine oder andere schwarze Schaf aus dem Wirtschaftsflügel zu ertragen – da darf der eine oder andere sogar frech dagegen stimmen und wird doch wieder großmütig im wohlig warmen Pferch der Mehrheit aufgenommen. Praktisch auch, dass die Opposition aus Linken und Grünen nicht nur argumentativ schwach ist, sondern auch brav auf GroKo-Linie liegt: Sie werfen artig mit Wattebällchen, weil sie ja doch nichts anderes wollen als die große sozialdemokratische Koalition, nur etwas mehr von dem angerührten Brei sozialer Wohltaten wäre nett.
Und so geht es im 7. Regierungsmonat der großen Koalition widerspruchsfrei und schnell voran mit ihren Verschlimmbesserungen: Aktuell ist das Mindestlohngesetz dran; die Rente mit 63 und die Mütterrente sind schon durch. Jetzt darf Wolfgang Schäuble seinen Bundeshaushalt durchwinken; auch daran wird sich keine hitzige Debatte entzünden. Seine Zahlen sind ja auch sehr schön: Kaum neue Schulden – es ist der Höhepunkt und gleichzeitig krönende Abschluss seiner glanzvollen Karriere. Zukünftige Finanzminister werden an Schäubles schwarzer Null gemessen. So sichert man sich einen Platz im Geschichtsbuch. Seine Erben werden es schwer haben. Irgendwann werden die Zinsen für die insgesamt 1100 Milliarden Euro angehäufte Bundesschuld wieder steigen; dann rutscht der Haushalt ganz von alleine ins Rote, sogar ins Tiefrote. Das Rentenpaket mit einer Kostenbelastung von mindestens 160 Milliarden Euro wird spätestens ab 2017 auch in den Bundeshaushalt durchschlagen, ahnt Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück: Das Rentenpaket „kann an der normativen Kraft des Faktischen scheitern“, formuliert Steinbrück kompliziert, um die Härte der Kritik durch flauschig-unverständliche Schonsprache zu kaschieren – Klartext war früher und wird nur noch angewandt auf jene außerhalb der eigenen Reihen: Nur „hysterisches Gejaule“ kann die große Sozialministerin Andrea Nahles von den Kritikern (und das sind praktisch alle Fachleute) ihrer Reformen vernehmen: So viel Abwertung und Arroganz war wohl noch nie im politisch-parlamentarischen Betrieb. Aber große, unkontrollierte Gestaltungsspielräume verführen dazu, auch die Sprache zu gestalten, um die Hirne zu erreichen: Das Mindestlohngesetz geht nicht als das, was es ist, nämlich ein staatliches Lohnfestsetzungsverfahren, in das Gesetzgebungsverfahren. Es wird vielmehr „Tarifautonomie-Stärkungsgesetz“ genannt: eine Art Neusprech der großen Koalition.
Während andere Länder ihre Wirtschaft entlasten, will diese Bundesregierung also mal wieder die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft testen. Dazu wird im Herbst die nächste Woge von Wirtschaftsgesetzen über uns hinwegschwappen, die derzeit die zweite Reihe der SPD-Minister vorbereitet: etwa die Frauenquote in Aufsichtsräten von Familienministerin Manuela Schwesig; ein tiefer Eingriff in die Organisationsfreiheit der Unternehmen. Und Bundesjustizminister Heiko Maas will sich an die Spitze der SPD-geführten Landesregierungen stellen, die via Bundesrat ein eigenes „Unternehmensstrafrecht“ als neue Rechtsnorm einbringen wollen: Danach sollen nicht mehr einzelne Manager für Verstöße haftbar gemacht und bestraft werden, sondern das jeweilige Unternehmen in seiner Gesamtheit. Damit werden auch die Belegschaften in Sippenhaft genommen und verlieren möglicherweise sogar ihre Jobs, denn das Gesetz will ausdrücklich komplette Unternehmen liquidieren, wenn sie auffällig im Sinne des Gesetzes werden. Der Gesetzesentwurf aus der Feder des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty nimmt Familienunternehmer ins Visier, die zweifach bestraft werden können: in ihrer Doppelrolle als Manager und als Eigentümer der Personengesellschaften.
Aber Debatten im Bundestag darüber sind natürlich nicht zu erwarten – nur hysterisches Gejaule.
(Erschienen auf Wiwo.de am 06.06.2014)