Die Wahlkämpfer verschieben die Mitte nach links und versprechen gleichzeitig, dass es nicht so links kommt. Geht das gut?
Die Mietpreisbremse geht so: Erst verspricht SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dass Mieterhöhungen strikt begrenzt werden sollen. Kurz danach findet die Bundeskanzlerin das auch eine gute Idee. Anschließend erklärt Steinbrück, wie man gesetzgeberisch eine Mietpreisbremse einführt, die aussieht wie eine Bremse, aber nicht bremst. Wiederum einige Tage später sagt dann auch Frau Merkel, dass es auch mit ihrer Mietpreisbremse nicht so schlimm kommen werde. Vor der Wahl wird etwas versprochen, was nach der Wahl, weil erkennbarer Unsinn, nicht stattfinden wird. Das klingt wie der Wiener Heurigenschlager “Es muss etwas geschehen, aber es darf nix passieren”.
Tatsächlich ist selbst den Grünen ihr monströses Steuer- und Abgabenmaximierungsprogramm unheimlich. Gerne auch ungefragt erzählen die rechten Grünen aus Süddeutschland, dass sie die Linken aus dem Norden schon stoppen werden, wenn sie erst einmal an der Regierung sind. Und außerdem sei eine Legislaturperiode ja viel zu kurz, um das alles durchzubekommen. Es wird also selbst mit den Grünen nicht so schlimm wie auf dem Papier.
Die Union ist bei Programmen, die angeblich doch nichts bewirken sollen, die entschlossenste Partei. Mindestlöhne, Mütterrenten, Lebensleistungsrente, Kindergeld, Straßenbau: Alles kommt, wenn man im Kleingedruckten nachliest, nur schrittweise, steht unter Finanzierungsvorbehalt oder wird als „programmatische Erklärung“ der Kanzlerin abgetan – wobei Programmatik nicht mehr erklärte Absicht bedeutet, sondern im Berlinjargon nur noch “kannste in die Tonne treten”. Das heißt im Ergebnis: Die Union verspricht eine Kanzlerin, die viel verspricht, was sie nicht halten muss, weil sich die Wähler von ihr ohnehin nur versprechen, dass sie die allergrößten Dummheiten verhindert.
Aber das klappt nur, wenn die dahinter steckende Einschätzung der Wählerpsychologie zutrifft. Die Wähler gelten der Berliner Politik-Riege als eine Art Altenheimwohngruppe, deren Mitglieder unter weit fortgeschrittenem Gedächtnisverlust leiden. Diesen Wählern wird das Blaue vom Himmel herunter versprochen im Vertrauen darauf, dass sie das alles wieder vergessen. Denn liefern will und kann keiner.
Denn zu leichtfertig wird übersehen, dass solche Wahlkämpfe der bedingungslosen Wohltäteritis bei den Wählern Erwartungen wecken – deren Befriedigung dann doch eingefordert wird. Gerade diese Regierung sollte gewarnt sein: Sie hat eine Energiewende versprochen, in der Solarzellen auch in der finstersten Nacht Strom liefern und Windräder sich auch ohne Wind drehen, damit die Stromkosten niedrig bleiben. Jetzt wundert man sich darüber, dass die so versprochene Energiewende zu gewohnt niedrigen Strompreisen auch tatsächlich eingefordert wird. Das Wünschbare wird zum inflationären Maßstab im Wolkenkuckucksheim.
Merkels sogenannter Herausforderer Peer Steinbrück erfährt am eigenen Leib, dass ein bürgerlicher Kandidat nicht glaubwürdiger wird, wenn er plötzlich das Gegenteil von dem verspricht, was er als Finanzmarktliberalisierer und Sozialreformer einst propagiert und eingeführt hat. Demütig aus eigenen Fehlern lernen kommt ja gut an. Aber Steinbrücks rotzig-trotziger Wahlkampf erinnert eher an eine politisierende Travestieshow, mit der er alles entwertet: seine Vergangenheit genauso wie seine Zukunft.
Deutschlands Wahlkampf aller Parteien erinnert fatal an den des französischen Präsidenten François Hollande: Der hatte ein Instant-Sozialparadies versprochen und hinter vorgehaltener Hand erzählen lassen, dass er schon genau wisse, dass es ohne schmerzhafte Einschnitte nicht abgehen werde. Jetzt kann er die Versprechungen der Kampagne nicht abschütteln und reitet das Land in die Krise. Schwer vorstellbar, dass deutsche Politiker viel versprechen und dann auch nicht liefern. Sie werden die Geister, die sie rufen, nicht mehr los – und das Land am Ende linker, ärmer und unfreier.
(Erschienen auf Wiwo.de am 15.06.2013)