Gestern habe ich zwei Informationen von Unternehmen über den Umgang mit den versprochenen Überbrückungshilfen erhalten. Die erste kam von einem Grafikbüro, ein klassischer Eine-Frau-Laden. Die Hausbank hat ihr sofort 500.000 € Kredit angeboten, zum Zinssatz Null. Beantragung per e-mail-Formular, abrufbar sofort.
Der zweite Fall. Von der hessischen Landesregierung gibt es die Information, man werde das Kreditprogramm des Bundes aufstocken, dann gibt es sagenhafte 20.000 Euro Kredit für Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeitern, und 30.000 bei 50 Arbeitnehmern.
Der kleine Unterschied: Maximal 500.000 für das Ein-Mann-Unternehmen (bis zu 10% des Jahresumsatzes) lautet auf Schweizer Franken, ist für Schweizer, nicht deutsche Unternehmen gedacht und das Geld kann auch beim dortigen Postamt abgeholt werden. Sofort. Für die verglichen mickrige Leistung in Hessen kann man ab 30.3. Anträge stellen.
Schnell schweizerisch oder langsam deutsch
Das sind eben zwei unterschiedliche Ansätze: In Deutschland, nicht nur in Hessen, wiehert der Amtsschimmel – und Unternehmen, die händeringend Geld brauchen, erhalten das Recht, in fünf Tagen einen Antrag zu stellen. In der Schweiz wird Geld ausgeschüttet, sofort, und per E-Mail.
„Ich kann diesen Wahnsinn bestätigen. Ich habe zwei freiberufliche Tätigkeiten. Grafikerin und Yoga-Lehrerin. Wegen Corona fallen alle Kurse aus. Deshalb habe ich hier auch kein Einkommen mehr. Dazu habe ich einen Antrag für Soforthilfe gestellt. Jetzt hat mir ein Bankfachmann der Deutschen Bank erklärt, dass ich für den Yoga-Antrag keine Soforthilfe bekomme, weil das nicht mein Kerngeschäft/Haupteinnahme ist, sondern als Grafikerin. Als Grafikerin wird sich mein Business im Worstcase aber erst ab Mai, Juni Einbrüche zeigen, wenn Firmen pleite sind oder kein Geld mehr haben für Werbung ihres Unternehmens. Der Antrag ist aber bis zum 30. April abzugeben. Deshalb muss ich hier eine Prognose/Einschätzung abgeben, was vielleicht sein könnte. Ich dachte mir schon, dass da ein Haken ist. So schnell rücken die freiwillig nichts raus.“
Deutsche Banken scheuen jedes Risiko
Zwar übernehmen sowohl in der Schweiz wie in Deutschland die Regierungen den Banken etwa 85 Prozent der Risiken ab; das heißt, dass Banken, falls der Kreditnehmer doch Pleite geht, nur einen Bruchteil der Schulden selbst übernehmen müssen. Aber selbst das ist vielen deutschen Banken zuviel. Einen Überblick über die Programme finden Sie hier.
Sicherlich gibt es auch andere Banken; je kleiner, umso näher sind sie an ihren Kunden. Das erfährt man in Gesprächen mit den letzten kleinen Sparkassen und Volksbanken. Deren DZ-Bank arbeitet an einer elektronischen Lösung, die es in der Schweiz schon gibt. Aber immerhin. Doch es wird eng. Die KfW rechnet mit 100.000 Anträgen. Sie wird unter der Lawine von Anträgen begraben, wenn sie nicht den Mut zu groben, aber schnellen Lösungen findet.
Frau Holle schüttelt keine Goldtaler
Viele Banken verweigern mit bürokratischen Tricks den Kredit in einer Zeit, in der es richtig wäre, wie Frau Holle die Goldtaler auszuschütten. Sicher, davon würden der eine oder andere in der falschen Tasche landen. Aber bis Frau Holle aus Frankfurt ihr Kissen schüttelt, ist da drunten kaum noch jemand, der sich nach Goldtalern bücken kann. Das Zusammenspiel bürokratischer Banken und eines übermächtigen Staatsapparats wird Deutschland in eine tiefe Krise stürzen.
Im Haus der Irren fühlt sich der Freiburger Freiberufler Davi Harnasch, nachdem er sich das Hilfsformular des Landes Baden-Württemberg heruntergeladen hat: Keine Hilfe gibt’s, wenn er beabsichtige, eines der vielen anderen Programmen in Zukunft anzuzapfen. Aber Harnasch weiß ja gar nicht, was auf ihn zukommt; die Hilfe ist an eine Vielzahl von weiteren Bedingungen geknüpft, deren Einhaltung an Eides statt zu versichern ist, die aber derartig kompliziert und verwoben wie verschwurbelt miteinander verknüpft sind, dass ohne Rechts- und Steuerberatung der sichere Meineid droht. Vor der Hilfe steht die Staatsbürokratie. Sie erhält ihr Geld vom Steuerzahler, der gerade verreckt. Die Bürokratie verwaltet politische Versprechen, bis davon nichts übrig bleibt.
Frisches Brot für Rettungskräfte
In Niedersachsen wendet sich der Inhaber der Bäckerei Bosselmann unter Tränen per Video an Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit. In sechs bis acht Wochen werde sein Unternehmen sterben, weil die von Altmaier und Merkel versprochenen Hilfen nicht ankommen. „Die netten Versprechungen kommen unten nicht an.“ Als Sofortmaßnahme schließt er schrittweise die Filialen, um vorher noch allen Pflegern, Rettungswagenfahrern und Ärzten kostenlose Backwaren zu versprechen.
Es trifft aber auch größere Unternehmen.
Udo Kellmann ist geschäftsführender Gesellschafter eines früheren Hertie- Kaufhauses in Bergisch-Gladbach. Jeder Tag Schließung kostet ihn 5.000 €. An Hilfen glaubt er nicht: „Diese großspurig verkündete Bazooka ist tatsächlich ein Rohrkrepierer. Das einzige, was der Scholz gemacht hat, ist die altbekannten üblichen KfW-Darlehen (die Red.: www.kfw.de/Darlehen) zu nehmen, da hatte der Bund ja bisher eine Haftungsfreistellung für die Geschäftsbanken von 60 Prozent übernommen, und diese nun auf 80 Prozent erhöht. Ich habe mich deshalb auch gleich am Montagmorgen bei meinen drei Bankern, die ich hier habe, erkundigt. Und die sagten dann aber alle: „Hör mal, ne, so ist das aber nicht. Wir müssen genauso prüfen, ob die nun für 60 oder 80 Prozent haften. Diese Prüfung dauert in guten Zeiten sechs Wochen, jetzt wissen wir gar nicht, wie lange das dauert, weil uns jetzt wahrscheinlich die Tische mit Anträgen zugestapelt werden.“ Rechnen Sie doch mal: Wenn Sie jetzt 500 Milliarden KfW-Darlehen nehmen, dann müssten die deutschen Banken mit hundert Milliarden haften. Da sind die im Moment überhaupt nicht in der Lage zu.“
Todesurteil für die Innenstädte
Ein Gewinner dieser Politik steht fest: Der Versandriese Amazon. Finanzierungsengpässe kennt dieser Konzern nicht. Seit der Einzelhandel geschlossen ist, treibt das dem Online-Marktführer weitere Kunden zu. Die Gefahr wächst, dass aus dem Einkaufsverhalten der Not dauerhafte Gewöhnung wird. Dann sterben Deutschlands ohnehin bedrohte Innenstädte noch schneller aus, weil der Handel fehlt.
Ferienhausbesitzer aus Berlin dürfen ihre Immobilien nicht beziehen, obwohl es eigentlich sinnvoll sein kann, der Enge der Großstadt zu entfliehen. Ein Betroffener schreibt uns: „Ich bin Pensionär, wohne in Berlin und besitze ein kleines Ferienhaus in der Nähe von Woldegk im Landkreis Feldberger Seenplatte, in dem ich seit Jahren den Sommer verbringe, da ich wegen einer Lungenkrankheit schwerbehindert bin und möglichst reine Luft atmen soll. Zudem bin ich in fortgeschrittenem Alter. Ich habe eine krebskranke Frau, die sich ebenso wie ich auf den Sommer in unserem kleinen Ferienhaus gefreut hat. Nach den jetzt für Mecklenburg-Vorpommern in Kraft getretenen neuen Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Infektionsgefahr kann ich mein von Polizeikontrollen auf den Zugangsstrassen abgeriegeltes Ferienhaus nicht mehr aufsuchen und bin von dessen weiterer Nutzung unter Androhung von hohen Geldstrafen und mehrjährigen Freiheitsstrafen ausgeschlossen. Das sind Strafen, wie sie in der Rechtspraxis sonst für Straftaten immerhin mittlerer Schwere wie etwa bei bandenmässigem Diebstahl oder Betrug im besonders schweren Fall verhängt werden.“
Die Befürchtung, eine schwere Strafe zu kassieren, ist berechtigt – die Hoffnung von Unternehmen auf Hilfe dagegen nicht.
Die Bürokratie setzt eben Schwerpunkte. Falsche.