Tichys Einblick
Eckpunkte des Koalitionsvertrags

Besiegelt und unterschrieben: Die Transformation Deutschlands

Jubel in Berlin: Der Koalitionsvertrag wird unterschrieben. Er verpflichtet alle Abgeordneten, ihr Gewissen an der Garderobe abzugeben und für die Gesetzesvorlagen der neuen Bundesregierung zu stimmen. Der Bundestag bleibt schwach und einflusslos. Sonst ändert sich allerdings einiges.

IMAGO / Political-Moments

Die Ampel-Koalition will erklärtermaßen die „Transformation“ Deutschlands. Das sind nicht nur Sprüche; Politik wird mit Chiffren betrieben, die vorerst neutral klingen und erst später große Wirkung entfalten.

Abkehr von gestern und große Transformation

Der Begriff von der „großen Transformation“ wurde 2011 in die Politik eingeführt mit einem Bericht des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung: Globale Umweltveränderungen (WBGU). Wesentlicher Gedanke ist eine wie auch immer geartete zwangsweise und autoritär von oben herab durchgesetzte Klimapolitik, die auch wesentliche Teile der Demokratie aussetzt, um den Globus vor der Erwärmung zu retten. Es ist eine Art Klimadiktatur, die meckernde Parlamente und Medien ausschaltet und Bestätigungsjournalismus für das große, globale Ziel befördern will. 

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Umgekehrt: Keine Rede mehr ist von der Sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland wohlhabend gemacht, seine Sozialpolitik finanziert und die Demokratie abgesichert hat. An ihre Stelle treten Subventionen für politisch gewollte Produkte, und das sind ziemlich viele; Beiräte, Cluster und viele Dienststellen sollen die Transformation weg vom Erfolgsmodell bewältigen. Marktwirtschaft ist, was das Wirtschaftsministerium noch erlaubt oder besser noch: fördert. Auch Haushaltsdisziplin bleibt umstritten; und trickreich kündigt der künftige FDP-Finanzminister schon vor Amtsantritt allerlei Auswege an, mit denen er sein Versprechen hinfällig machen will. Damit hat er die Tür in die weitere Verschuldung schon aufgestoßen.
Die größten Albernheiten

Zukünftig soll eine „feministische Außenpolitik“ dieses Land vertreten. Dabei geht es um die globale Gleichstellung der Geschlechter und darum, allen Frauen zu garantieren, dass sie ihre Menschenrechte genießen. Deshalb soll es zukünftig so viele weibliche wie männliche Botschafter geben; Qualifikation zählt nicht mehr. Vor allem soll Realpolitik gegen Utopien ausgetauscht werden.

Post aus Peking
Lehrstunde für die künftige Außenministerin Annalena Baerbock
Dass sie es mit der utopischen Außenpolitik ernst meint, machte Annalena Baerbock mit ihrer Forderung deutlich, dass Deutschland künftig wegen der schlechten Behandlung der Uiguren chinesische Produkte boykottieren soll. Dass die derzeitigen Lieferstopps aus China die deutsche Industrie ins Mark und die Konsumenten im Kaufhaus im Geldbeutel trifft, ist die Realität, die Baerbock ausblendet – einfach so. Utopien werden in der Realität gelegentlich lebensgefährlich, insbesondere wenn der Utopist auf knallharte Machtpolitiker trifft.

Offenkundig allerdings soll der künftige Kanzler Scholz die Außenpolitik schon weitgehend an sich gezogen haben. Das Auswärtige Amt, protokollarisch bislang immer an erster Stelle nach dem Kanzler rangierend, ist ohnehin längst abgemeiert und bedeutungslos, weswegen Heiko Maas das Amt mit Kursen beschäftigt, wie seine Beschäftigten ihre „toxische Männlichkeit“ ablegen können: Dabei geht es um

•  „Männliche Rollenbilder/Männlichkeit •  Geschlechtergerechte Sprache •  Vaterschaft •  Vereinbarkeit •  Care Arbeit •  Queeres Leben •  Partnerschaft •  Intersektionalität …“

Ob die jetzt weiter gesteigerte „feministische Außenpolitik“ Joe Biden, Xi Jinping, Wladimir Putin oder auch nur einen Lukaschenko beeindrucken wird? Schmunzeln sie nur oder lachen sie schallend über die neue deutsche Hippie-Regierung?

Dazu passt die Freigabe von Cannabis. Zwar hat die Erfahrung aus den Niederlanden gezeigt, dass so keineswegs Schwarzmarkt und Kriminalität ausgetrocknet werden; vielmehr droht ein Narco-Staat zu entstehen, der von den Drogenclans beherrscht wird. Trotzdem fordert der künftige Gesundheitsminister Karl Lauterbach freien Drogenkonsum, um zu verhindern, dass Heroin unter das Gras gemischt wird – reine Erfindung, um die Freigabe zu motivieren.

Doch der Gipfel ist sicherlich, dass mit Cem Özdemir eine völlig fachfremder Politiker Landwirtschaftsminister wird – seine einzige Erfahrung mit dem Landbau besteht erklärtermaßen im Eigenanbau von Cannabis auf dem Balkon. Sage keiner, dass Qualifikation nichts zähle im neuen Kabinett der Kiffer.

Die größten Fehler 

Die Wohlstandszuwanderung soll ausgeweitet und künftig mit einem Blitz-Pass nach fünf oder im Spezialfall sogar schon drei Jahren eines irgendwie legalen Aufenthalts belohnt, auf die bislang erforderlichen Sprachkenntnisse soll weitestgehend verzichtet werden. Die Abschaffung wichtiger Sanktionen im Hartz-IV-System wird Deutschland für Wohlstandsmigranten zusätzlich noch attraktiver als bisher werden lassen. Der ohnehin überdehnte Sozialstaat wird einer solchen Politik nicht gewachsen sein, aber wozu kann man denn Schulden machen? 

Die neuen Wohlstandszuwanderer sollen sich bitte mit ihrem Kreuz bei den Gönnern bedanken; so wird Migration in künftige Wahlerfolge transformiert. Hinter der Migrationspolitik steht die Vision einer multikulturellen Gesellschaft ohne eigenen kulturellen Kern, mit umfassenden Quoten für Minderheiten aller Couleur und massiver Subventionierung ihrer vermeintlichen „Diskriminierung“ im Zielland ihrer Flucht. Die bisherige „Ehe für alle“ wird ergänzt um Regelungen für die Vielehe, die auch endlich die Kinderbräute aus dem arabischen Raum legalisieren soll; denn die spießigen bisherigen Verbote belasten bestimmte Migranten aus dieser Region doch sehr.  

Talbrücke Rahmede
Der nächste Brückengau in Deutschlands Autobahnnetz: Die Sauerlandlinie ist unterbrochen
So nebenbei wird der Gedanke, dass geschlechtliche Identität durch biologische Faktoren bestimmt ist, ad acta gelegt, da es jeder Person in Zukunft selbst überlassen bleibt, welchem Geschlecht sie sich wann und wie lange zuordnen will. Bald wird sich die Frage stellen, ob Personen, die erklären, sie seien weiblich, aber rein körperlich eher männliche Züge tragen, damit auch uneingeschränkten Zugang zu Räumen erhalten, die bisher für Frauen im biologischen Sinne reserviert waren – auch aus Gründen des Schutzes. Zum anderen liegt es nahe, auch nur den Gedanken zu tabuisieren, es gäbe doch so etwas wie ein angeborenes biologisches Geschlecht. Der nächste Schritt ist dann, Männer und Frauen, die diesen Gedanken dennoch vertreten, mit den Mitteln der Cancel-Kultur oder gar unter dem Vorwand, ihre Äußerungen seien „Hate Speech“, auch mit strafrechtlichen Sanktionen aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen. Auch dazu finden sich bereits vage Androhungen, dass Presse- und Meinungsfreiheit neuerdings ins Belieben der Regierung gestellt werden; verbunden mit Zensur- wie Strafandrohungen für jene, die dieses wie hier kritisieren.

Und weil das Geschlecht nur noch ein hinderliches Konstrukt auf dem Weg in die Beliebigkeit darstellt: Sollten sich Eltern oder gar Ärzte dem Wunsch von 14-Jährigen entgegenstellen, die nicht nur deklaratorisch, sondern auch operativ ihr Geschlecht ändern wollen, dann kann dies als Transsexuellen-Diskriminierung bestraft werden.  Denn Minderheiten stehen unter dem Schutz und werden in vielerlei Formen und mit viel Geld befördert. 

Die größten Leerstellen

Es ist ja nicht so, dass es keine Probleme gäbe, sodass man sich neue erfinden müsse. Es fehlt jede Aussage, wie die bröckelnde Verkehrsinfrastruktur modernisiert werden kann. Der Verweis auf die Leistungen der grandiosen Bahn ändert nichts daran, dass Tausende von Brücken bröckeln und wichtige Verkehrsadern für ein Dutzend Jahre oder mehr lahmgelegt sind – mit dramatischen Folgen für weitreichende Gebiete jenseits der gesperrten Brücken, weil jetzt durch Städte und Dörfer der Schwerlastverkehr umgeleitet werden muss.

Parallelgesellschaft der Ungeimpften
Schon mal überlegt, wie das gehen soll mit der Impfpflicht?
Kein Wort auch zu der drohenden Energieknappheit. Die Koalition bekennt sich zu einer erstaunlichen Verantwortungslosigkeit: Energieversorgung ist neuerdings Glückssache; Versorgungsverpflichtung gibt es nicht mehr. Fehlt Strom, weil Kern- und Kohlekraftwerke ersatzlos abgeschaltet sind, sollen dann einfach Unternehmen und Haushalte zeitweise auch abgeschaltet werden. Die früheren Energieversorger wie EnBW oder RWE verstehen sich nur noch als Stromverteiler, nicht mehr Produzenten. 

Gas und Energie sind derzeit die stärksten Preistreiber. Weiter steigende Abgabenbelastungen beschleunigen den ohnehin bestehenden Preisdruck weiter, der sich dann in allen Bereichen wie Wohnen, Produzieren, Landwirtschaft und Verkehr fortsetzt. Ein Ende der Inflation ist nicht in Sicht; vielmehr droht in der zweiten Runde die Lohn-Preisspirale in Gang zu kommen und durch den Abwertungsdruck auf den Euro importierte Preissteigerung verstärkt zu werden.

Die Bundeswehr erhält weder zusätzliches Geld noch zeitgemäße Ausstattung mit Drohnen, aber dafür eine auf diesem Feld komplett ahnungslose Ministerin von der SPD. Auch hier zählt nicht Kompetenz, sondern Quote, diesmal zugunsten von Christine Lambrecht, die noch nie eine Kaserne von innen gesehen hat. Allerdings ist die Gleichberechtigung der Bundeswehr Thema, nicht ihre Fähigkeit zur Landesverteidigung. 

Die neue Innenministerin will gegen die Bedrohung von „Rechts“ vorgehen. Die Masse Bedrohung durch Islamisten mit der großen Zahl von Messerangriffen – am Rande gestreift. Leben in deutschen Städten wird noch gefährlicher. 

Auch für die soziale Sicherung gibt es viele warme Worte, aber kein Konzept. Den Rentnern wird allerlei Mehr versprochen; woher die Mittel kommen, bleibt offen. Die problematische Lage der Pensionäre bleibt ungelöst, obwohl viele Wähler aus diesem Bereich kommen und über Anpassungsmaßnahmen nach Kassenlage nicht erfreut sein dürften. Auch hier baut die Koalition auf die Hoffnung, dass Staatsschulden alles, aber wirklich alles finanzieren könnten.

… und wie lange hält diese Regierung?

Die Ampel hat mit der Realität einen mächtigen Feind. Verarmung durch Inflation, Stagnation durch Corona und Staatswirtschaft, Verfall von Infrastruktur und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit lassen sich durch Verschuldung nicht heilen. Doch die Deutschen sind duldsam, nähren sich von den Früchten der Vergangenheit.

Aber die Ampel hat auch mächtige Verbündete.

Ihre Albernheiten werden von der Mehrheit hingenommen und von den Medien bejubelt. Das ist modern! Das ist Zeitgeist.

Aber der mächtigste Verbündete ist die CDU/CSU. Eine funktionierende Opposition würde diese Regierung vor sich hertreiben. Die CDU/CSU aber teilt den Unsinn, hat ihn längst zu ihrem geistigen Eigentum gemacht. Auch der vermeintlich kritische Friedrich Merz hat sich längst angepasst, singt das Genfer Lied begeistert mit.

So kann die Regierung nur an sich selbst scheitern.

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