Tichys Einblick
Zensur-Plattform?

Heiko im Wirrwarr

Wie Justizminister Heiko Maas beginnt, eine Zensurkampagne aufzubauen. Dabei passieren Pannen, aber alles dient letztlich dem Ziel, Kritiker und Kritikerinnen der Politik zum Verstummen zu bringen.

"Prost Stasi". Anabel Schunke reagiert auf Netz-Sperre.

Ja, Presse- und Meinungsfreiheit ist eine dumme Sache, wenn Meinungen verbreitet werden, die nicht die eigene sind. Das wissen Politiker und Betroffene schon länger. Aber auch Meinungen zu blockieren und zu verfolgen, kann daneben gehen, wie Bundesjustizminister Heiko Maas jetzt erfährt.

Dabei hatte Maas es so gut eingefädelt: Im vergangenen September lud er die Vertreter von Facebook, Twitter und Google zu einer Arbeitsgruppe Hetze – und nahm den Unternehmen eine Selbstverpflichtung ab: Sie sollten Beiträge, die Nutzer wegen des Verdachts auf Volksverhetzung melden, binnen 24 Stunden auf Grundlage des deutschen Rechts prüfen.

Facebook nahm daraufhin Flüchtlinge als zu schützende Kategorie in die Richtlinien auf und gelobte, Gegenrede gegen Hass zu fördern. Während Google seinen Dienst in China schon mal aufgab, weil er zensiert werden sollte, ist das bei Facebook nicht so zu erwarten: Facebook geriet bereits in den USA unter Beschuss, weil es einseitig Anti-Trump-Berichten Vorfahrt einräumte. Das mag der eine oder andere ja richtig finden – aber ist ein tiefer Eingriff in die Meinungsfreiheit: Facebook als Plattform soll Meinungen transportieren, nicht zensieren.

Aber offensichtlich funktionierte das Ganze so nicht.

Nach den bundesweiten Razzien gegen Verfasser von Hasskommentaren erhöht die Bundesregierung nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen den Druck auf Facebook. Justizminister Heiko Maas hat sich in einem Brief an Konzernmanager über den mangelnden Fortschritt beim Kampf gegen Hetze im Netz beschwert.

In einem Schreiben, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, wirft der SPD-Politiker Facebooks Cheflobbyisten in Berlin und London vor, die in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe gemachten Zusagen zu brechen. „Das Ergebnis Ihrer Anstrengungen bleibt aber bisher hinter dem zurück, was wir in der Task Force gemeinsam verabredet haben“, schreibt Maas. „Es wird noch immer zu wenig, zu langsam und zu oft auch das Falsche gelöscht.“

Dieser Briefwechsel an sich zeigt schon, wie schräg der Justizminister denkt, der in Deutschland als „Verfassungsminister“ das Grundgesetz schützen soll: Facebook löschte nicht „das Richtige“. Das „Richtige“ in der Veröffentlichung – darüber entscheidet ein deutscher Minister? Das erinnert fatal an beide Formen der diktatorischen Vergangenheit unseres Landes: Sowohl in der DDR wie auch im 3. Reich entschieden jeweils das Propagandaministerium, was „richtig“ war und geschrieben werden durfte. Wer aus Sicht der Diktatoren Falsches schrieb, wurde erst gesperrt und im Wiederholungsfall  eingesperrt. Oder Schlimmerers. Im 3. Reich entschied die „Reichsschriftumskammer“ über gut und falsch; eine tägliche Konferenz unter Propagandaminster Josef Goebbels gab die tägliche Schreibrichtlinie vor. Im DDR-Funk entschied das „Staatliche Komitee für Rundfunk“ darüber. Nun ist die Kontrolle in Deutschland-Neu nicht derartig strikt; aber auf die Sozialen Netzwerke soll sie schon ausgedehnt werden. Denn während die öffentlich-rechtlichen Sender und die allermeisten Zeitungen und Zeitschriften ganz brav sind, verbreitet sich im Netz doch viellerlei, was der Bundesregierung so nicht passen kann.

Dabei hilft  – ausgerechnet Anetta Kahane, die unwidersprochen 8 Jahre lang der DDR-Staatssicherheit diente. Sie hat eine Stiftung gegründet, die mit Geld aus dem Familienministerium von Manuela Schwesig, der Freudenberg-Stiftung („Vileda“) und der SAP-Stiftung finanziert wird. Es ist ein peinliches Netz der Zensur, das hier über Deutschland gelegt wird und im Zusammenspiel mit den Parteien und vielen Medien glänzend funktioniert.

Viel Geld und Mühe also, und was kommt raus? Das Falsche. Jedenfalls auf den ersten Blick. Trotz dieser ganzen Herumwerkelei wird einfach das Falsche gesperrt:

So sperrte Facebook den aus der Türkei stammende Ali Utlu für 30 Tage. Grund: er hatte in einem geposteten Foto den Ku-Klux-Klan mit dem IS gleichgesetzt; ein Foto übrigens, das er nur weiterverbreitete. Utlu als bekennend homosexueller Nicht-Moslem steht ganz offensichtlich unter „Beobachtung“ seiner „Feinde“ – diese Sperrung ist nicht die erste, die ihm widerfuhr. Immer wieder – vor allem dann, wenn er islamkritische Postings schrieb oder weiterleitete – wurde er von Facebook für einen gewissen Zeitraum gesperrt. „Das ist für Jemanden, der politisch vor allem über die sozialen Netzwerke wirkt, fast so etwas wie ein Berufsverbot“.

David Berger, ein streitbarer Geist und Kämpfer für die Rechte der Homosexuellen, kritisierte die Berichterstattung der Medien über das Attentat in Orlando. Es ist  unerheblich, ob man seiner Denkweise folgen mag oder nicht; er schreibt übrigens auch für TE. Als Grund für die Sperre auf Facebook wurde ein Artikel benannt, in dem er kritisiert, dass jemand in Islamkritikern eine größere Gefahr für Homosexuelle sieht als in Islamisten.

Polemisch könnte man fragen, wenn man Maas als Vater der neuen deutschen Zensur ansieht: Stärkt Maas homophoben Islamisten den Rücken? Also falsch? Nix Regenbogen mehr?

Nach dem Staatsstreich Erdogans in der Türkei wird es noch doller mit der Zensiererei auf Facebook. Nach dem Amoklauf von München postet Sevval Aytekin auf Facebook: „In München Terroranschlag? #gutso!!!!! … Ich soll jetzt Mitleid haben? Warte nur ab Merkel, es wird noch schlimmer kommen. #karma

Es ist eine unglaubliche Unverschämtheit. Das würde nun wirklich den Vorwurf der Hass- und Hetzrede erfüllen; man bäumt sich geradezu auf: Fordert Aytekin wirklich noch mehr Tote? Hat Maas nicht Recht mit seiner Forderung, solche Figuren zu sperren?

Doch nicht Frau Aytekin wurde gesperrt: Es traf die ebenfalls auf TE aktive Bloggerin Ronai Chaker. Sie wurde für 30 Tage gesperrt – ihr Vergehen: Die politisch aktive Kurdin hatte den Mordaufruf kritisiert und damit verbreitet! Und weil Maasens dumpfe Netzpolizisten schon beim Sperren waren, traf es auch gleich Anabel Schunke, die allen unseren Lesern bekannt sein dürfte. Weiterverbreitung von Hetzrede! Von Hass-Postings! (In der Zwischenzeit hat sich der Arbeitgeber von Sevval Aytekin wegen oben genannten Äußerungen distanziert.)

Ist das jetzt nur Zufall? Fehlerhaftes Vorgehen, wie Maas laut SPON kritisiert? Oder ist es mehr – Zensur, die sich eines beliebigen Vorwands bedient, um missliebige Autoren zu bestrafen? Zensur geht oft wunderliche Wege. Ein Fall aus der DDR zeigt, wie es funktioniert: Ein ohnehin schon negativ aufgefallener Kameramann ging rückwärts vor der Marschkolonne zum Jahrestages des Todes von Liebknecht und Luxemburg, eine Art Blutgedenken der DDR-Führung. Die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration gedenkt deren Ermordung der beiden Parteigründer am  am 15. Januar 1919 und ist bis heute eine Art Blutgedenken der DDR-Führung und heute der LINKEN am meist kalten 15. Januar.

Dumm nur, dass vor Anstrengung der gefrierende Atem des Kameramanns über die Linse wehte und das Bild etwas verschwommen in der Aktuellen Kamera, der Hauptpropagandasendung der DDR-Führung erschien. Der Mann erhielt Berufsverbot – wegen “Verunklarung der Parteilinie“. Anetta Kahane, Maas‘ Hetz-Kontrolleurin, wird sich daran erinnern. Sie war damals mitbeteiligt, viele Journalisten auszuhorchen, und als Kind der DDR-Nomenklatur weiß sie, wie so etwas geht. So schwer ist eben Zensur.

Schadet sie niemandem, wie Anetta Kahane dienstfertig behauptet? Geht sie vielleicht nach hinten los?

Möglicherweise. Absicht und Nebenwirkungen sind schwer zu trennen. Derzeit wird viel gelöscht in Deutschland, was Erdogan schaden könnte. Seine Anhänger haben mehr Einfluss auf die Bundesregierung; schließlich ist Erdogan der Türwächter in der Flüchtlingsfrage und erledigt, wobei die Bundesregierung Moral und Hände nicht beschmutzen will. Erdogans Fans sind in Verbänden, die zum Teil aus der Türkei finanziert werden, gut organisiert. Da trifft es dann auch Mimoun Azizi, Arzt. Er warnt davor, die Vertretung der Muslime in Deutschland den aus Ankara ferngesteuerten Truppen etwa um Gabriel-Spezl Mazyek zu überlassen. Azizi übersetzte den Hatespeech von Betül Ulusoy. Dann wurde auch Azizi auf Facebook gesperrt (nach diesem Posting).

Ismail Tipi, CDU-Mitglied des Landtags in Wiesbaden, wurde im letzten Jahr nach Posten eines Bildes von Pierre Vogel sieben Tage durch Facebook gesperrt. „Tipi habe mit dem Bild von Vogel vor den Gefahren der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) warnen wollen. Er hatte auf dem Foto einen Kapuzenpulli mit einem IS-Symbol an. Das Bild sollte deutlich machen, dass Vogel mit dem IS sympathisiere, erklärte Tipi. Facebook hatte die Sperrung mit dem Hinweis erklärt, dass das Foto den Richtlinien des Unternehmens widerspreche. Dagegen hatte sich Tipi mündlich und schriftlich beschwert. Das Unternehmen räumt nun nach Angaben einer Sprecherin ein, einen Fehler begangen zu haben.“

Im Januar diesen Jahres wurde der erste Beitrag von unserer Facebook-Seite gesperrt. Ausgerechnet ein Beitrag von Najib Karim, der sich mit den Ereignissen aus der Silvesternacht in Köln auseinander setzte.

Also ist doch nicht alles falsch, wie Maas sperrt? Ist es doch ganz praktisch, wenn Anabel Schunke mit fadenscheinigen Gründen aus dem Netz fliegt, denn immerhin hat sie sich mit ihrem Beitrag „Ich muß gar nix“ nicht das erste Mal gegen die regierungsamtliche Linie gestemmt und sich eine große Gefolgschaft auf Facebook erarbeitet? Wenn man noch (?) nicht an TE herankommt, dann wenigstens auf den diversen Social-Media-Kanälen?

Die Maas-Polizei trifft wohl schon die Richtigen, und gerade in den letzten Tagen ist ihre Aktionitis kräftig aufgeflammt.

Praktisch, dass sie sich auf eine generelle Bereitschaft zum Denunziantentum stützen kann. So wird das Netz der Zensur von sich aus engmaschiger. Ein Beispiel ist der Tagesspiegel-Journalist Meisner, der dafür heute von unserem Autor Stephan Paetow den „Heiko der Woche“, die virtuelle Ehrennadel für Denunziation erhalten hat. Er gehört zum engen Kreis der Stasi-Stiftung Amadeu-Antonio-Stiftung, die ein wesentlicher Baustein in der Maas-Zensur bildet. In Tweets an alle möglichen „Dienststellen“, wie man es im 3. Reich gekannt hätte, an ZDF, FAZ u.a. verweist er darauf, dass der FAZ-Kolumnist Don Alphonso in einem auf ihn „abgekartet wirkendem Spiel“ zusammen mit kopp und dem CDU-MdB Philip Lengsfeld agiert hat! Und dass das ZDF durch ZDF-Comedian Achim Winter die Amadeu-Antonio-Stiftung dem Spott preisgebe. Die Aufgabe der Zensoren ist grenzenlos, das sichert der AA-Stiftung auch neue Aufgaben. Meisner und Steffen von Der Zeit durchforsten jetzt auf Twitter, wer wem folgt und was gelesen haben könnte! Die nächste Stufe ist erreicht. Wer Feind-Sender hört, wird denunziert. Wer sich ungehörige Information beschafft, wird denunziert. Peinlicherweise von Kollegen mit Presseausweis. Für sie scheint Presse zu bedeuten, nur regierungsgenehme Quellen zu benutzen und alle jene zu verdächtigen, die sich ein eigenes Bild verschaffen.

Damit schließt sich der Kreis. Heiko Maas hat eine breite Kampagne gestartet, der sich sowohl das Bundeskriminalamt, Innen- und Familienministerium, die Stiftung Warentest, gefällige Journalisten und dafür instrumentalisierte Stiftungen angeschlossen haben. Vordergründig geht es um Hass und Hetze. Schaut man wie im aktuellen Fall Erdogan und Anabel Schunke darauf, wird eine durchgängige Durchsetzung der Regierungslinie mit Mitteln der Meinungsunterdrückung daraus. Schließlich ist Meinungsfreiheit nur gut, wenn es sich um die eigene, die von Heiko Maas und seinen Freunden/innen, verbreitete handelt.

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