Der Energiekonzern RWE darf vorerst ein Stück Wald nicht abholzen, um die darunter liegende Braunkohle für die Stromerzeugung zu gewinnen. Es geht um den „Hambi“, wie der Wald verniedlichend genannt wird. Die Kindlichkeit der Sprache entspricht der Argumentationstiefe.
Sieg für ein Symbol
Die Gegner bejubeln das als „Symbol“ für den Sieg über die Kohleverstromung. Der Wald ist nur noch ein Restbestand; eine vielfach größere Waldfläche wird buchstäblich nebenan abgeholzt, um Windräder aufzustellen. Rein rechnerisch beträgt der Waldverbrauch der Windräder ungefähr das 45-fache des strittigen Waldes bei vergleichbarer Energieerzeugung. Aber Rodungsflächen für Windräder eignen sich eben nicht zum „Symbol“. Das ist die Vernichtung von Wäldern bundesweit gewollt; auch die letzten Fast-Urwälder in Hessen müssen da weichen. Sie sind dummerweise kein Symbol.
Weltweit werden je nach Quelle zwischen 1.350 und 1.600 Kohlekraftwerke gebaut, in Südafrika sind einige der größten der Welt geplant. Der „Sieg” im Hambacher Forst ist reine Augenauswischerei.
Fledermäuse setzen ein Zeichen
Auch das Gericht entscheidet symbolisch
Aber gibt es auch Fakten, jenseits von „Zeichen“ und „Haltung“ und dem Schutz von niedlichen Fledermäusen, über deren siegreichen Kampf gegen die Kohlelobby und Industriebagger sicherlich bald Kinderbücher geschrieben und Stofftiere entworfen werden? Die Fledermäuse vom „Hambi“ werden bald die Kinderzimmer schmücken, wie schön ist das denn?
Symbole werden Realität
Vermutlich schon im kommenden Jahr, noch ehe die langsamen Gerichte in NRW ihre jetzige „Eilentscheidung“ endgültig bestätigt oder verworfen haben, werden die Braunkohlebagger ihre Betriebe einstellen müssen – einfach, weil sie zu nahe an die 400 Meter hohe Abrißkante heranrücken und unter abrutschenden Erdmassen des Waldes verschüttet werden könnten: Dann ist der Wald weg, der jetzt gerettet wurde. Ohne Terrassierung rutscht er in die Tiefe und es ist vorbei auch mit dem Ausbaggern des bisher erlaubten. Symbole schaffen eine neue Realität.
Das Windrad als Super-Symbol
Mit Windstrom ist das nicht zu machen, zu unstet weht der Wind. Die Windräder dienen eigentlich nicht der Stromerzeugung; nur zu einem Zehntel ihrer Laufzeit speisen sie ins Netz ein. Sie sind eher Symbole des Willens, die Natur dem menschlichen Willen zu unterwerfen: „Wehe Wind, wir schaffen das.“ Aber auf diese Stromversorgung ist kein Verlass, leider. Der Wind weht, wie er will und oft nicht. In diesem Sommer ist daher der Anteil des Braunkohlestroms von 25,1 Prozent auf 26 Prozent gestiegen – zu viel Sonne, die die Sonnenkollektoren teilweise lahmlegte, zu wenig Wind. Dieser Ausgleichsmechanismus fällt zukünftig weg. Aber wer füllt die Strom-Lücke? Darüber denken wir ein ander mal nach.
Zweierlei Recht?
Das Gericht hat in Kenntnis dieser Lage und unter dem Druck der Demonstranten dem RWE-Konzern die Weiterarbeit untersagt – und der hält sich daran. Die Gegner des RWE halten sich nicht an die Rechtslage. Sie bauen wieder an ihren Baumfestungen; wollen wieder der Polizei ihre Aufgabe schwer machen, das Recht durchzusetzen. Auch Fledermäuse zählen jetzt nicht mehr, wenn es um die gute Sache geht, die über dem Recht steht. Denn Recht gilt in Deutschland nicht mehr gleichermaßen. Industrieunternehmen müssen damit rechnen, dass gültige Genehmigungen widerrufen und wirtschaftliche Schäden hingenommen werden müssen – eine Erfahrung, die im Kleinen derzeit auch Besitzer von Diesel-Autos machen: Zum Zeitpunkt des Erwerbs als umweltfreundlich eingestufte Diesel werden durch anderslautende Gerichtsentscheidungen im Dienste von Politik und NGO plötzlich zum rollenden Schrotthaufen. Das sollte zum Nachdenken Anlass geben:
Bei Industrieunternehmen handelt es sich jeweils um Hunderttausende, manchmal sogar Milliardenbeträge. Ein neues Auto, das billigst nach Süd- oder Osteuropa exportiert werden muss, richtet beim privaten Haushalt ähnliche Schäden an. Längst ist der Umweltschutz zum Symbol verkommen – stinkt ein Diesel in Spanien oder Polen weniger als in Deutschland? Dabei geht es nicht nur um Geld. Der Staat wird zum Investitionshemmnis. Stabile rechtliche Rahmenbedingungen, die Voraussetzung für langfristige Investitionen und Wohlstand, gibt es in Deutschland so nicht mehr.
Bislang galt Deutschland als rechtssicheres Land – heute sind Genehmigungen nur noch wenig wert, wenn es reicht, ihnen ein Symbol entgegenzuhalten. Und so werden aus Symbolen Fakten. Möglicherweise auch unangenehme, die wirken, wenn der Freudenrausch längst verraucht ist.