Tichys Einblick
Generation Glückskeks

Die Generation Glückskeks will Krieg und bekommt ihn: bittere Halbzeitbilanz der Ampel

Wohlstandskinder wollen die „Große Transformation“ als Abenteuer und landen im wirklichen Krieg. Der Herausforderung nicht gewachsen, beginnen sie, wild um sich zu schlagen.

Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg am 30. August 2023

IMAGO / Manngold

Haben wir schon zwei Jahre mit der Ampel hinter uns gebracht? Das ging ja flott. Die Fakten sind so bekannt, dass man sie gar nicht mehr aufschreiben will, es geht ganz kurz: Inflation und Verarmung, Aufrüstung und Zerstörung der Staatsfinanzen, Vernichtung erst der energetischen Basis und folgerichtig Zerstörung der industriellen Kerne, außenpolitische Isolation. Weltweit wird ein neues Deutschlandbild geschaffen – das eines verwirrten Landes, dessen aktuelle Erwachsenen-Generation sehr zielgerichtet ruiniert, worum uns andere beneidet haben: einen funktionierenden Staat, seine glänzende Wirtschaft, seine stabile Gesellschaftsverfassung.

Generationenschicksale prägen die Kanzler

Es gibt Generationenschicksale: Die Geschichte bricht über Menschen herein, die sich den 1. Weltkrieg nicht vorstellen konnten, junge Menschen erben Realitäten, die sie sich nicht ausgesucht haben, aber mit denen sie zurechtkommen müssen. Wir erleben heute das Wirken der Generation Glückskeks: Sie sind in den 70ern bis in die frühen 80er geboren; in einer Welt, die rückblickend auch so ihre Problemchen hatte. Aber auf wundersame Weise verschwand der Ost-West-Konflikt und mit ihm 600.000 amerikanische und 600.000 sowjetische Soldaten aus Deutschland; an Stelle permanenter militärischer Hab-Acht-Haltung verwirklichte sich der Traum der Entspannung.

Die Friedensdividende erlaubte die Ausdehnung des Sozialstaats. Die Wiedervereinigung trieb den alten, regierenden Männern Freudentränen in die Augen. Es war ein Abenteuer, über das viel gemeckert wurde, aber ein im Großen und Ganzen friedvolles Ende fand mit der glanzvollen Krönung des Wiederaufbaus der Frauenkirche in Dresden und einem nigelnagelneuen Regierungsviertel in der wieder zur Weltbedeutung aufgestiegenen Kapitale Berlin und ihrer Party-Orte. Also alles paletti.

Es war der Triumph der Generation „Boomer“. Die, die heute regieren, sind die Generation Glückskeks, hineingeboren in ein post-heroisches Zeitalter, das keine Helden mehr braucht. So easy hatte es vor ihnen keine Generation, was natürlich auch anstrengende Seiten hatte: Sie mussten als Kinder die Zahnspange ertragen; den Perfektionsanspruch der Selbstoptimierung durchleiden. An den Schulen Lob und noch mehr Lob statt Prügelstrafe. Mit Bafög eröffneten sich zumindest für die Hälfte der Generation die Universitäten als kommode Verlängerung des Kinderzimmers ohne an der Tür horchender Helikopter-Mutti.

Es ist die im Selbstbild perfekte, formal bestens ausgebildete Generation, deren Vertreter ohne Abschluss in die Politik und Parlamente als eine Art Spielplatz für akademische Versager strömen. Schön, dass sie Hunger nur als Brigitte-Diät, körperliche Anstrengung nur im Fitness-Studio und Kälte nur auf der Segelyacht oder beim Skifahren erleben musste; die Großväter und Großmütter hatten da noch andere Geschichten parat, die Eltern schon nicht mehr. Und jetzt also sind sie an der Regierung. Was machen sie anders? 

Kriegs- und Nachkriegskanzler

Die Gründerväter und die wenigen Gründermütter hatten da ein anderes Gepäck. SPD-Führer Kurt Schumacher verbittert, als Krüppel KZ und Gestapo-Keller überlebt; er konnte sich mit dem bisschen Leben glücklich schätzen, das sie nicht aus ihm herausgeprügelt hatten. Konrad Adenauer musste von seinem Rosengarten aus beobachten, wie Köln verbrannte, die Stadt, die er als Oberbürgermeister wesentlich geprägt hatte. Es waren eiskalte Zyniker der Macht, aber sie sahen das „Nie wieder!“ als unübersehbare Flammenschrift an der Wand.

Das erklärt viel von der Härte und der Schnelligkeit der jungen Bundesrepublik: die ungeheure Dynamik, mit der alle alten Institutionen von der Schule über die Bundeswehr, den Bundestag, das Bundesverfassungsgericht neu errichtet wurden von Leuten, deren NS-Vergangenheit heute als Einziges von ihnen und ihrer Lebensleistung wahrgenommen wird. Schicksal wird bestraft, Lebensleistung aberkannt. Je länger der Nationalsozialsmus zurückliegt, ahnte der glänzende Publizist Johannes Gross, umso härter werden die Urteile der immer später Nachgeborenen.

Da blitzt sie schon auf, die Generation Glückskeks: Im Glückskeks ist ja ein Zettelchen verborgen und im Generationenkeks ist darauf die ganz große Gewissheit des Besserwissers verzeichnet. Weil es ihnen ja gut ging, müssen sie wissen, wie es perfekt geht. Im perfekten Lächeln ihrer strahlenden Gebisse ist kein Fehl und Tadel zu sehen; notfalls helfen Implantate, wo die Urväter mit herausgeschlagenen Zähnen und den Spuren der Folter zu kämpfen hatten. Schaut sie euch an, die so selbstgefälligen wie zornigen Gesichter der Generation Glückskeks auf der Regierungsbank mit ihren leichtfertigen Urteilen.

Die Leutnants übernehmen die Führung

Aber gut, die zweite Politkergeneration des Landes war schon anders. Helmut Schmidt und Franz-Josef Strauß, das war die Generation der jungen Leutnants; schneidig, aber hilflos verfangen im bitteren Schlachthof ihrer Generation. “Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ ist die wohl ehrlichste Auseinandersetzung mit einem Mann, der aus der Scheiße seines Generationenschicksals seine Lehren gezogen hat; und mit ihm die Generation Leutnant, die in der Auseinandersetzung mit dem Terror der RAF die alten antrainierten Reflexe aus der Scheißzeit reaktiviert haben: Härte, Exaktheit, Brutalität auch gegen sich selbst. Anders wäre den RAF-Morden mit Maschinenpistolen auf offener Straße, Entführung eines Verkehrsflugzeugs, oder Besetzung einer Botschaft nicht beizukommen gewesen; und es war die bittere, todbringende Entscheidung der Leutnants in Regierung und Opposition, den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer den Terroristen zu opfern und nicht den Staat den Terroristen.

Wie jämmerlich wirkt da eine Innenministerin Nancy Faeser, die gegen einen verwirrten alten Zausel, seine Tafelrunde aus einer Hellseherin, einem Koch und einigen anderen Rollator-Attentätern, bewaffnet mit einer Armbrust, einem Luftgewehr und einigen alten Jagdflinten mit der gesamten Macht von 3.000 Beamten, Helikoptern und Kamerateams zu Felde zieht: Unter Schmidt und Strauß wäre eine Streifenwagenbesatzung als angemessen betrachtet worden, um dem salbadernden Stammtisch heimzuleuchten. Aber es lacht ja keiner mehr über Nancy Faeser; wer keine wirklichen Probleme hat, muss kleine aufpimpen, um selbst groß dazustehen. Helmut Schmidts Foto in Wehrmachtsuniform wird abgehängt. Geschichtsvergessenheit wird zum Prinzip der Generation Glückskeks, die nie in Verdacht geriet, sich selbst etwas vorwerfen zu müssen.

Kinder an die Macht

„Wer mit 18 Jahren Politiker werden möchte, der kann mir gestohlen bleiben,“ sagte Helmut Schmidt. Die Karrieren der Faesers und Baerbocks und Scholzens beginnen allesamt in ihren Kinderjahren. Politiker wird man heute als Beruf, nicht aus Berufung. Die Phrasendreschmaschine ist ihr Werkzeug. Man könnte über Ricarda Lang lachen, wenn es einem nicht im Halse stecken bliebe; zudem läuft man Gefahr, als „Staats-Delegetimierer“ unter Putschverdacht gestellt zu werden.

Umstritten, ob die diversen Staatsschutzgesetze der Generation Leutnant die Sicherheit des Staates gefördert haben; jedenfalls war die Bedrohung eine andere als ein paar freche Twitter-Posts, die heute mit Tausenden von Beamten verfolgt und geahndet werden wie weiland die Majestätsbeleidigung: Sie ist empfindlich, die Generation Glückskeks. Sie kennt ja nur Lob, nicht Kritik und schlechte Noten, und schon gar keine echten Katastrophen außer dem Ausbleiben bestätigender Kommentare ihres göttlichen Tuns in FAZ und SZ sowie bestellte Jubelchöre in ARD und ZDF. 

Helmut Kohl war ein Kind der von Kargheit geprägten Kriegskindergeneration; Gehard Schröder ist in der Baracke aufgewachsen, seine Mutter Putzfrau, der Vater hat seinen Sohn nie gesehen und wurde in Siebenbürgen verscharrt. Daher kommt sie, die demonstrative Liebe zum fetten Saumagen bei Kohl und die Lebensgier bei Schröder, die Lust am Brioni-Anzug und zur dicken Zigarre. Neuerdings kultiviert er seine Bilder-Sammlung, die er über teuren Altbaudielen hängt. Die Show gehört zur Politik.

Die Nutella-Generation hat sie perfektioniert. Keine Regierung gab je so viel Geld aus für Visagisten und Hof-Fotografen wie die Ampel. Der Schein ersetzt das Sein, und Kanzler Scholz trägt eine Aktentasche mit sich herum als Ausweis seiner Einfachheit. Sie ist leer. Die Akten werden nachgetragen, von anderen. Geradezu bescheiden wirkt dagegen Angela Merkel im ewigen Hosenanzug. Dabei ist sie die Mutter der Ampel: rücksichtslose Grenzöffnung und Zerstörung der Energieversorgung sind ihr Werk. Sie hat übernommen, was lange grüne Programmatik war, und die Widerstände beseitigt. Spätestens seit ihrer Erfindung von „Hetzjagden in Chemnitz“ ist Deutschland tief gespalten: in braune Ostdeutsche und moralisch überlegene Wessis; klar aufgeteilt in das „Dunkeldeutschland“ (Ex-Bundespräsident Joachim Gauck) der ewig Gestrigen und das der Gläubigen an die Morgenröte der großen Transformation.

Merkels Werk und der Fortsetzungsroman der Grünen

Die Ampel ist die Fortsetzung von Angela Merkel mit Face-Lifting. Der Totalausfall der CDU, die in großen Teilen immer noch ihrer ehemaligen Vorsitzenden an- und ihr Orden umhängt, macht die Fortsetzung ihrer Politik mit neuen bunten Gesichtern so einfach. Es ist Kosmetik bis in die Wortwahl; Gesetze haben keine Namen mehr, die den Inhalt transportieren. Das „Gute-Kita-Gesetz“ fand eine Nachfolgerin in der „Kindergrundsicherung“ oder in einem „Gleichstellungsgesetz“, das nichts gleichstellt, sondern individuelle Prägungen über die sonst Gleichen erhebt. Es ist das Produkt des „Nudgings“, Merkel hatte begonnen mit der psychologischen Manipulation als Regierungsstil: Vermeintlich sanfter Druck drängt die Menschen in eine Richtung, die als  „alternativlos“ dargestellt wird und doch nur einem „Narrativ“, einer Erzählung folgt, die von PR-Beratern formuliert wird.

Abwegig fänden die Politiker der Ampel die Vorstellung von Helmut Schmidt, sie seien allenfalls „leitende Angestellte“ im Dienst des Souveräns Volk. Zum einen, weil unter Merkel „das Volk“ entsorgt und entrechtet wurde zu beliebigen und bitte willfährigen Menschen, die zufällig schon länger hier sind. Aus dem verfassungsgebenden Volk wurde eine unbestimmte Masse von Herumtreibern, die es zu lenken gilt. Merkel hat die demokratische Bundesrepublik in ein Staatswesen leninistisch-stalinistischen Stils umgewandelt. Nicht das Volk gibt die Richtung vor, sondern die Regierung; die Medien haben ihre Aufgabe als 4. Macht im Staat an der Garderobe des Bundespresseamts abgegeben und verstehen sich als Erfüllungsgehilfen des Weltgeistes, der sich im Kanzleramt niedergelassen hat.

Die große Klima-Erzählung

Da hilft natürlich das Klima-Narrativ. Es geht ja längst nicht mehr um Klima, oder wie man gehalten ist zu schreiben: KlimaKATASTROPHE – und sinnhafte Maßnahmen. Das Narrativ der KlimaKATASTROPHE bezieht ja seine Wirkmächtigkeit aus der vermeintlichen „Alternativlosigkeit“, die über jeden demokratischen oder wissenschaftlichen Diskurs erhaben ist, weil die Katastrophe ja schon an jedes Fenster klopft und an jeder Tür rüttelt und das Dach abdeckt. Jeder Lebensbereich eröffnet sich so dem Zugriff der Politik, der einfache Alltag wird zum Einflussgebiet, jedes Handlungsfeld von der Politik besetzt, das Private gibt es nicht mehr: ob Aufschnitt oder Salat, Benzin oder Elektro, Fliegen oder Fahren, Fahrradspur oder Parkplatz, Kohle oder Solar, Kind oder Abtreibung, jede Frage erscheint alternativlos beantwortbar anhand des CO2-Ausstoßes und erzwingt politisches Handeln.

Die Grünen haben Merkels Narrativ-Sammlung inhaliert und zu ihrer eigenen gemacht; das begründet ihre Dominanz in der Ampel. Sie sind im Besitz des Heiligen Grals, des Steins der Weisen, der unumstößlichen Wahrheit und müssen nur genervt zur Kenntnis nehmen, dass Reste von Sozialdemokratie und letzte Spurenelemente von Liberalismus wider den planetaren Stachel zu löcken versuchen. Mit der Wärmepumpe haben sie das teuerste Gesetz der Nachkriegsgeschichte erfunden und gleichzeitig das wirkungsloseste. „Sie führen einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung“, sagt der langjährige SPD-Parlamentarier Gunter Weißgerber dazu.

Nicht mehr um Jobs oder Haushalt oder Medikamentenversorgung und Rentenhöhe geht es, alles Parameter, die Erfolg oder Niederlage nachprüfbar machen. Es geht um Klima, das den Vorteil hat, dass man es nicht beeinflussen kann. Klima enthebt von politischer Verantwortung, weil die Wirkung des Handelns im Unbestimmten verfliegt. Dass ihre Energiepolitik nur zu einer Zunahme des CO2-Ausstoßes sowie brutaler Umweltvernichtung geführt hat, nehmen sie nicht zur Kenntnis. Trotz des Ukraine-Kriegs und des Ausfalls der Gasversorgung – der Kernenergieausstieg wird durchgesetzt. Ideologie lässt sich durch Fakten nicht beeindrucken.

Verantwortungslosigkeit als Gestaltungsprinzip

Das passt perfekt zur mentalen Verfassung der Generation Glückskeks. Es war alles so wohlgeordnet und perfekt; kaum Spielraum für einen eigenen Fußabdruck oder gar Eintrag im Geschichtsbuch. Mehr von demselben ist kein Rezept, das Erben schätzen, die ihre eigene heroische Herausforderung suchen müssen, weil der schöne Alltag keine Helden braucht. Da sie im Glückszustand der Langeweile aufgewachsen sind, frei von Not und Sorge, unbehelligt von Katastrophen und kaum mit Herausforderungen konfrontiert, schaffen sie sich ihre eigenen Herausforderungen. Sie zerstören funktionierende Energiesysteme, notfalls durch Gas- und Ölboykotts, um dafür goldwertes LNG-Gas aus Amerika oder russisches Öl teuer aus Indien importieren zu müssen.

Sie fühlen sich gestählt durch das ferne Donnern der Kanonen in der Ukraine. Das gibt die Hintergrundmusik für ihr Narrativ von der von ihnen angeführten heldenhaften Verteidigung westlicher Werte am Dnjepr; und dass ihre Urgroßväter dort schon Schlachten geschlagen haben vor Kiew und die Großväter davor auf den selben endlosen Feldern fielen oder erfroren: Ein wohliger Schauer dräut durch die bestellten ARD-Operetten wie „Ernstfall – Regieren am Limit“. Es zeigt die Oberflächlichen vermeintlich tiefsinnig angesichts einer Katastrophe, die sie hätten vermeiden und deren Folgen sie besser hätten managen können, wenn sie wirklich mit Außenpolitik vertraut gewesen wären, statt zu meinen, mit feministischer Außenpolitik die Welt beglücken zu müssen. Sie sind ins fernste Ozeanien unterwegs, während der Krieg näher rückt. Sie posieren schick mit Stahlhelm und kleidsamer Splitterschutzweste, die Herren Kriegsdienstverweigerer und die Damen, die so entschieden gegen jede Aufrüstung gewettert haben. Politik wird zum Maskenball. Sie sind kostümierte Marionetten fremder Mächte.

Es ist dieser sich ständig verplappernde Unernst der Generation Glückskeks im Angesicht ihrer selbstverschuldeten Katastrophen, die sie jetzt mit der Show vom angestrengten Nachdenken einzudämmen vorgeben. Sie haben einen Abenteuerspielplatz gesucht und einen wirklichen Krieg  gefunden. Im Übermut haben sie ihr Kinderzimmer verwüstet, um eine Bühne für ihre Selfies in heroischer Rolle zu gestalten. Nur ist Mutti nicht mehr da zum Aufräumen. Zwei Jahre Ampel hätten eigentlich reichen müssen, damit sie erwachsen werden. Sie haben die Zeit nicht genutzt und kindeln sich frohgemut in die zweite Hälfte des kompletten Versagens. Die Lernfähigkeit, die sie ihren Vorgängern absprechen, fehlt ihnen völlig.

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