Tichys Einblick
Was soll die Mega-Fusion?

Fusion Deutsche-Commerzbank: Sturmwarnung für Ihr Geld

Wenn Politiker Champions züchten, geht es meist schief - und wird für den Steuerzahler teuer. Jetzt versuchen es die Herren mit der kurzen Erinnerung wieder. Oder ist die Lage der Banken noch schlimmer als befürchtet?

DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

Die Deutsche Bank und die Commerzbank sollen fusionieren. Auf Druck. Das jedenfalls wollen die Berliner Wirtschaftspolitiker wie Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz. Sie haben ihren Deal seit Monaten mit vielen Sprüchen vorbereitet. Peter Altmaier redet von „Nationale Industriestrategie 2030“, die den „Prozess rasanter und tiefgreifender Veränderung“ in der Weltwirtschaft steuern will.  Es sollen nationale „Champions“ entstehen, die den Chinesen Paroli bieten sollen. Den Chinesen? Welcher Bank genau? Aber nicht nur darum geht es.

Es soll eine „zeitgemäße Industriepolitik“ erfunden werden, mit der der Staat Schlüsseltechnologien gezielt stärken und technologische Souveränität in zentralen Technologiebereichen wahren solle. So weit die neue staatliche Lenkung der Wirtschaft, in der Theorie. Und jetzt wird der Nonsens auf dem Papier mit der Fusion der beiden Banken in der Praxis umgesetzt. Die Banken sind die ersten Opfer der neuen deutschen Planwirtschaft.

Die Banken – gemeinsam besser?

Ja, die Deutsche Bank und die Commerzbank sind nicht erfolgreich. Das ist die Folge diverser Managementfehler – aber vor allem die Folge der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Bekanntlich arbeiten die Banken nach dem 3-6-3 Prinzip: sie erhalten Geld von den Sparern, das sie mit 3 Prozent verzinsen. Sie verleihen das Geld für 6 Prozent an Wirtschaft, Handwerk und Industrie – ein tolles, todsicheres, ein beneidenswertes  Geschäft. Und deshalb stehen sie ab drei Uhr fröhlich auf dem Golfplatz.

Zugegebenermaßen ist das etwas vereinfacht dargestellt. Man nennt das komplizierter Zins-Arbitrage: Kleine Spareinlagen müssen gebündelt werden für große Kredite; und das Ganze muss so gestaffelt sein, dass Oma ihre Spargroschen zurückkriegt, wenn die Enkelkinder Geburtstag haben – auch wenn der Großkredit noch läuft und Omas Euro dort eigentlich gebunden ist. Es ist also komplizierter, sehr viel komplizierter – und um den Witz zu Tode zu reiten: Deswegen kommt man manchmal erst um vier auf den Golfplatz. Noch schlimmer: Wenn Oma Null Zinsen kriegt und die Kreditnehmer Null Zinsen zahlen, dann ist es jedenfalls auch Null mit Golf. Und genau das ist derzeit der Fall.

Die Null-Zins-Politik der EZB zerstört das uralte und klassische Geschäftsmodell der Banken. Es trifft die Deutsche Bank mit ihren Töchtern Noris- und Postbank wie die Commerzbank; es belastet jede Sparkasse und treibt die kleinste wie die größte Volksbank in die Verzweiflung. Die Null-Zins-Politik ist das eigentliche Gift für große wie kleine Banken. Die Zinsmarge ist weg; zwischen großen Kreditnehmern und kleinen Sparern; zwischen den kurzfristigen Einlagen wie zu den langfristigen Anlagen. Alles steht auf Null, oder nur wenige Zehntelprozentpunkte davon entfernt. Aus mit Golf. Da stellt sich schon die erste Frage: Und was bringt es, wenn man alle Banken zusammenlegt? Es ändert sich nichts. Bekanntlich ist Null mal Null wieder Null. Die Größe rettet die Deutsche Bank nicht – und noch größere Größe ändert auch nichts an den Folgen der Zinspolitik.

Ausweg Investment-Banking – und viele Strafen

Auswege gibt es kaum. Das Investment-Geschäft der Deutschen Bank war nicht leistungsfähig genug. Mit Handel, komplizierten Finanzprodukten und Schmiere-Stehen bei Unternehmenskäufen hat sie mit den wesentlich geschickteren angelsächsischen Banken nicht mithalten können; im Gegenteil: Unter den Bankchefs Rolf-E. Breuer und Josef Ackermann wurden angelsächsische Investmentbanken übernommen. Damit übernahmen angelsächsische Gangs die Bank von Innen und höhlten sie aus – überhöhte Boni für Geschäfte, die Verluste brachten oder Strafzahlungen nach sich zogen waren die Folge.

Die Deutsche Bank hat hier, man kann es leider nicht anders sagen: versagt. Rund 925 Millionen Strafe musste sie nach 10 Jahren Gerichtsverfahren an die Erben des Medeinmoguls Leo Kirch zahlen, weil sie seinen Medienkonzern (Sat 1, Pro7 ) buchstäblich in die Pleite geredet hat, um dann am Zerschlagen zu verdienen. Die Zahl ist übrigens geschönt; weil auch noch Nebenkosten fällig wurden, aber ein paar Dutzend Millionen obendrauf machen das Kraut nicht mager: Nach Daten von Bloomberg hat die Deutsche Bank allein zwischen 2008 und 2016 bisher bereits rund neun Milliarden an Strafen und an Schadenersatz aus verschiedenen Gründen bezahlt und es geht immer weiter, immer weiter.

Kurz vor Weihnachten 2016 einigt sich die Deutsche Bank mit den US-Behörden auf einen Vergleich über 7,2 Milliarden Dollar (6,7 Milliarden Euro) für dubiose Hypothekengeschäfte aus Zeiten vor der Finanzkrise 2007/2008. 3,1 Milliarden Dollar werden als Zivilbuße fällig, 4,1 Milliarden Dollar muss die Bank über fünf Jahre verteilt an „Erleichterungen für Verbraucher“ zur Verfügung stellen. Für Geldwäschegeschäfte wurden dann im Januar 2017 schon wieder 660 Millionen Dollar fällig; und im April 2017 wurden 156 Mio Dollar für Regelverstöße an die FED fällig. Für Rußlandgeschäfte gingen im Mai 41 Mio. Dollar Strafen drauf; im Januar 2018 erneut 30 Mio. Dollar für Schwindeleien mit Rohstoffgeschäften. Im Februar waren es 70 Mio. Dollar, die für Marktmanipulationen eingefordert wurden; im Juni 177 Mio., diesmal €, für Devisenmanipulationen. Im Juni und Juli waren es noch mal rund 250 Mio. Dollar. Und so weiter, und so fort. „Kleinere” Strafen in Deutschland, die sich meist um ein paar Hunderttausend bewegen, ersparen wir uns.

Wer will mit der Deutschen Bank kungeln?

Mal ehrlich: Wer will mit dieser Bank fusionieren? Freiwillig sich in eine Räuberhöhle begeben, in der jeder aufgefressen wird, der an die Zahlen rührt? Es grenzt ja an einen schlechten Witz, dass mit Anju Jain einer dieser Investment-Banker an die Spitze gestellt wurde, der das Schlamassel angerichtet hat. Die inoffizielle, aber wahre Begründung war köstlich: Nur ein Dieb wisse, wie es geht und wo das Diebesgut lagert. Jain hat die Verstecke leider auch nicht gefunden, oder jedenfalls nichts davon verraten. Schlimmer noch:

Ihr Geschäft läuft nicht. Die Deutsche Bank hat im Jahr 2018 die Kosten um fünf Prozent auf 22,8 Milliarden Euro gesenkt. Gleichzeitig sanken die Erträge um vier Prozent. Sie magert sich zu Tode. Sie will zurück in das seriöse Geschäft, glauben wir ihr das. Aber mal ehrlich: Wer will mit dieser Bank fusionieren? Derjenige, der muss.

Die Politik hat der Deutschen Bank die Sal. Oppenheim Bank 2017 aufgedrückt, um nach einem sensationellen Missmanagement deren Pleite zu verhindern. Die Postbank kam 2018 dazu; deren notorisches Problem ist, dass sie viele Zinseinlagen der kleinen Leute hat, aber keinerlei Verwendung für diese Mittel. Sie schwimmt im Geld, und muss kleine Zinsen zahlen. Sie erstickt daran, seit die Null-Zinsen dazu führen, dass jedem Unternehmer von der EZB buchstäblich Geld aufgenötigt wird. Wenn er nur investiert, was aber keiner tun will. Ihre Frage ist: Wohin mit der Kohle? Wohin nur? Die Fusion mit der Deutschen hat ihr nichts gebracht. Größe hilft nicht, wenn das Geschäftsmodell nicht funktioniert.

Sind staatliche Banken besser?

Das Sündenregister der Commerzbank ist deutlich kürzer. Die Bank ist ja auch kleiner. 15 Prozent ihrer Aktien liegen beim Bund, seither ist sie eine halbstaatliche Bank. Das macht sie allerdings nicht besser. Vor allem: Die Commerzbank ist ein Fusionsopfer. Sie wurde mit der Dresdner Bank fusioniert, die zuvor an die Allianz verkauft worden war. Die Dresdner Bank war einmal eine wunderschöne Prinzessin. Bis zu dem Tage, an dem sie verheiratet wurde. Dann war es: Aus.

Die Fusion hat ihr keinen Segen gebracht. Indirekt dem Steuerzahler allerdings Millardenverluste, um die zusammenfusionierte Groß-Commerzbank aufzufangen und zur derzeitigen Klein-Commerzbank zusammenzuschrumpfen.

Merke: Größe allein bringt nichts. Nationale Champions sind gut für die Politik, aber nicht für den Steuerzahler.

Und genau da stellen sich die nächsten Fragen:

Was soll eine weitere Fusion bringen?
Löst sie das Problem der Null-Zins-Phase? Nein.
Löst sie das Problem der Strafzahlungen? Nein.
Sind große Banken klüger als kleine? Nein, wie die einstmals größte deutsche Bank, die sprichwörtliche Deutsche Bank beweist. Intelligenz wächst nicht mit der Bilanzsumme.

Sind wenigstens staatlich geführte Banken besser?

Die halbstaatlichen Landesbanken, in der Regel halb Land, halb Sparkassen wie WestLB (SPD-Vorzeigeunternehmen, komplett futsch); Sachsen LB (CDU-Gegenstück zur WestLB, auch pleite), NordLB (fürchterlich viel SPD, finanziert Schiffe, die keiner haben will) und BayernLB (CSU, zuletzt auf dem Balkan als betrogene Betrüger faktisch ruiniert) zeigen, dass öffentliche Banken und der direkte Einfluß der Politik noch viel schlimmer sind. Es sind buchstäblich Geldverbrennungsmaschinen.

Die WestLB hat Milliarden für den Kauf von Video-Theken in Großbritannien ausgegeben, da waren Video-Theken schon so gut wie tot, weil niemand mehr die VHS-Kassette (was ist das überhaupt?) nach Hause schleppt, seit es Netflix gibt. Aber das wußte man an der Düsseldorfer Königsallee nicht und glaubte einer faszinierenden Londoner Bankerin Robin Sanders, die allem Gerede über einen Gender-Pay-Gap schon 2003 Boni für komplettes Versagen aus Sparkassen- und NRW-Hand von bis zu 2,8 Millionen € kassierte.

Vor allem: Fusion löst kein Problem.

Es wird nur noch schlimmer

Denn das Problem neben den Null-Zinsen sind die Mitarbeiter und die drohenden Unternehmenspleiten.

Die Banken sind zu groß und der technische Fortschritt durch Datenverarbeitung und Internet ist gewaltig; Banken müssten Mitarbeiter abbauen. Hohe Abfindungen werden fällig; das klingt sozial und ist es. Leider können sich die Banken deshalb aber den Abbau gar nicht leisten. Sie hoffen, dass ihre Mitarbeiter irgendwie verschwinden, was diese aber nicht tun. Jedenfalls sind mehrere zehntausend Jobs in Banken schlicht überflüssig – auch bei Sparkassen, auch bei Volksbanken. Solches Sterben geht langsam, aber sicher. Fusionen ändern daran nichts – im Gegenteil. Fusionen machen Sinn, wenn Größenvorteile realisiert werden, ein Computer für Alle etwa. Dann aber wird nur die Liste „unterbeschäftigte Mitarbeiter“ länger.

Nun ist es ja nicht so, dass die Bank-Manager das nicht wüssten. Sie suchen nach Auswegen. Jeder Konsument zahlt mittlerweile hohe Gebühren; die Zeit des Null-Kosten-Giro-Kontos ist längst vorbei. Gerne würden Banken ohnehin das Bargeld abschaffen; denn Bargeld ist für uns Konsumenten billig. Alle schicken Formen des elektronischen Geldes sind für den Kunden teuer bis extrem teuer. Wer jemals beim neuen Fin-Tec-Konzern WireCard auf die Gebührenabrechnung geschaut hat, staunt: Da werden für eine 5-Euro-Gutschirft schnell 4 Euro Gebühren fällig. Für Banken klasse. Aber dieses Geschäft machen andere, nicht die Alt-Banken. Sie sind, um es deutlich zu sagen, weitgehend überflüssig geworden. Die Altbanken sind nur noch nicht so weit. Sie haben den Anschluss im Konsumentengeschäft verpasst.

Drohende Unternehmenspleiten

Die Alt-Banken  haben ihre Rettung in Immobilien- und Unternehmenskrediten gesucht. Geld wurde verliehen, aber nicht für sechs Prozent wie in den klassischen, den guten Zeiten. Sondern für ein bis maximal zwei Prozent – zu wenig, wenn man Risiko und Vorsorge sowie Management berücksichtigt. Katastrophal wird die Lage, wenn es – wie zu erwarten – demnächst wieder zu Pleiten kommt, weil die Konjunktur in den Keller rauscht.

Das ist das italienische Dilemma, wo die Banken mit gigantischen Fehlbeträgen zur Gefahr für die finanzwirtschaftliche Stabilität geworden sind: Nicht, weil die Banker korrupt oder unfähig werden, sondern weil es zu viele schlechte Kredite gibt von Unternehmen, die die Konjunkturdauerkrise nicht überleben. Das wird bitter für die Banken, wenn ihre Kredite reihenweise uneinbringbar werden. Wenn sie einfach verdampfen. Oder wenn Immobilien an Wert verlieren, zum Beispiel Bürohochhäuser, die dann leer stehen, und die Banken hoch kreditiert haben. Zu hoch. Oder wenn auch Privatimmobilien nicht unbegrenzt im Preis steigen, sondern vielleicht sogar fallen.

Deutsche Banken sind heute eine bedrohte Spezies, sie gehören auf die Rote Liste bedrohter Arten. Denn während in den USA und Großbritannien die Banken zwar einerseits hart bestraft, aber andererseits gehätschelt werden, werden sie im neosozialistischen Deutschland zu Tode stranguliert durch wirklich überwirre Vorschriften.

Hilft dabei eine Fusion?

Konsument und Steuerzahler sind die wahren Verlierer

Die geplante Fusion schadet nur den Konsumenten. Was entstehen soll, ist ein weites Oligopol. Es gibt dann eben nur noch drei Banken – Deutsche Commerzbank, Sparkasse, und am Stadtrand noch die eine oder andere Volksbank. Wettbewerb sieht anders aus.

Konkret: Derzeit verteilen Bankkunden ihre Einlagen auf mehrere Banken, und das ist schlau. Eine Bankpleite kommt schneller als gedacht, und dann werden die Einlagen meist wertlos, das Guthaben gehört dann anderen. Gibt es weniger Banken, gibt es weniger Auswege. Das ist es, was Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission meint, wenn der von einer „Bedrohung der Finanzwelt“ durch die geplante Fusion spricht.

Sein Vorgänger in Monopolkommsssion, Justus Haucap, sieht es ähnlich: Die Fusion sei kontraproduktiv. Fusionierte Großunternehmen sind weniger innovativ, weil der Wettbewerbsdruck nachlässt. „Wettbewerb ist und bleibt eine starke Triebfeder für Innovationen“.  Wettbewerb hat uns alle wohlhabend gemacht, Staatssozialismus arm. Kleinere Banken können Pleite gehen, große nicht. Sie sind „systemrelevant” – fällt eine um, reißt sie alle mit. Das ist die Lehre aus der Finanzkrise. Kleinere Banken sind besser als große.

Aber warum dann die Fusion, wenn die jüngste Erfahrung genau das Gegenteil lehrt?

Was treibt Politiker?

Warum machen sie Politiker dann? Da gibt es zwei Antworten.

Die weniger gefährliche lautet: Politiker müssen so tun, als bräuchte man sie. Sie müssen wirbeln, Aktion vortäuschen, so tun, als hätten sie alles im Griff. Und das tun sie gerne, wie das Team Altmaier/Scholz zeigen: Sie verdienen Hunderttausende, Bankvorstände Millionen. Da ist es gut für das Ego und das Ansehen, wenn man den Einkommens-Millionären öffentlichkeitswirksam zeigt, wer die Macht hat. Mal die in Frankfurt herumschubsen! Das kommt gut an.

Die weniger schöne Antwort ist: Die Lage der Banken ist noch verheerender als hier gezeigt wird. Finanzminister Olaf Scholz ist ja kein Kenner der Finanzwirtschaft, sein Staatssekretär Jörg Kukies dagegen schon. Er war zuletzt Co-Vorsitzender von Goldman-Sachs in Deutschland. Er kennt seine Pappenheimer in Frankfurt und ihre verheerenden Zahlen und aussichtslose Lage. Er kennt jedes Härchen auf ihren Glatzen, und zwar einzeln. Möglicherweise ist also die Fusion nur die Vorbereitung für eine Lage, die noch trostloser ist, als sie hier beschrieben werden kann. Denn wenn schon eine Pleite, dann eine möglichst große. Ohne Fluchtweg, ohne Ausweg, ohne Alternative.

Wenn man sich dieser Meinung zuneigt, dann ist gerade Sturmwarnung für Ihr Geld.

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