Steuererhöhung, Umverteilung und viele Milliarden für Griechenland sind kein Wahlkampfhit? Dumm gelaufen für Grüne und SPD.
Wenn ein Wahlkampf so langweilig ist wie der des Jahres 2013, darf man das der Regierung nicht vorwerfen: Wer sich zur Wiederwahl stellt, kann nur mit einem entschiedenen “Weiter so” werben. Neue Projekte und Visionen werfen eher die Frage auf: Warum sind die eigentlich nicht früher drauf gekommen?
Langeweile im Wahlkampf fällt immer auf die Herausforderer zurück, die Opposition. Von ihr erwartet man, dass sie die Regierung stellt, kritisiert, Alternativen anbietet, über die man sich die Köpfe heißredet. Aber bislang waren die Vorschläge ungefähr so bissfest wie zu lange gekochter Kohl am Veggie Day, dem eher unfreiwilligen Gourmet-Klamauk der Grünen.
Dabei: Versucht haben es SPD und Grüne schon – es hat nur nicht geklappt. Angetreten sind sie mit Gerechtigkeitsparolen und mit der Forderung nach massiven Steuererhöhungen. Jetzt stellen sie mit Entsetzen fest, dass das niemanden vor Begeisterung vom Hocker reißt. Klar, die Wut der Mittelständler und Besserverdiener war einkalkuliert. Aber längst haben auch die Facharbeiter und mittleren Angestellten begriffen, dass ihr Netto gefährdet sein könnte: Sie misstrauen dem rot-grünen Versprechen, man könne ganz viele Milliarden ausschließlich von ganz wenigen Besserverdienern einkassieren. Auch die Abschaffung des Ehegattensplittings ist ein Anschlag auf das wohlverdiente Glück im Reihenhaus. Zwar weiß kaum jemand genau, wie hoch der Soli ist; aber dass er nicht dafür eingesetzt wird, wofür er abkassiert wird, hat mittlerweile jeder verstanden. Die Schafe ahnen, dass alle geschoren werden, nicht nur die mit der dicksten Wolle.
SPD und Grüne hofften, dass sich der antikapitalistische Furor, der nach der Finanzkrise en vogue war, in Wählerstimmen auszahlt. Dabei haben sie aber übersehen, dass es, seit sich auch Nordkorea und Kuba mit etwas Marktwirtschaft selbst aus dem sozialistischen Sumpf ziehen wollen, kein “Außerhalb” des Kapitalismus mehr gibt, oder wie es der Sozialpsychologe Harald Welzer formuliert: Feinde das Kapitalismus sind “Personengruppen, die noch nicht hinreichend zu Käufern geworden sind”. Besonders schlaue Geschäftemacher wollen den Kapitalismus durch gesellschaftsveränderndes Power-Shopping ersetzen, mit revolutionären Beistelltischchen nicht unter 6000 Euro. Die Wähler der SPD würden sich an dieser Kapitalismuskritik gerne beteiligen, wenn nur nicht jeder Zuwachs an Kaufkraft erst mal versteinbrückt werden würde.
Auch der verbreitete Glaube, dass alles besser wird, wenn rot-grüne Funktionäre Unternehmer spielen, verblasst inzwischen: Der “Green New Deal”, die von den Grünen besetzte Wachstumszone der Solarindustrie, verödet, weil die Jobs nur mit extremer Subventionierung überlebensfähig sind. Das Stellwerk Mainz der Bahn illustriert schlaglichtartig die superbe Leistungsfähigkeit von Staatsunternehmen.
Auf anderen Feldern sieht es nicht besser aus: Zwar hat die schwarz-gelbe Regierung uns die Energiewende erst eingebrockt und dann verbockt. Aber das Herz des Unheils, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, ist unantastbares grünes Glaubensbekenntnis. Das auch nur zu thematisieren ist unmöglich. Und Peer Steinbrück steht so treu zu den grünen Freunden des Solardachs, dass er sich nicht an die Paneele traut.
Schlimmer noch ist es in der Euro-Krise: Mag ja sein, dass Angela Merkel und Wolfgang Schäuble die Milliarden gerade so verschleudern. Aber SPD und Grüne schunkeln beim Milliarden-Tanz für den Euro begeistert mit. Kritisch ist ihnen bislang dazu nur eingefallen, dass es mit der europäischen Geldverbrennungsanlage zu langsam geht.
Jetzt zeigt sich der Grundfehler der rot-grünen Kampagneros: Sie glauben immer noch ihre eigene Propaganda von der Verelendung Deutschlands. Aber die Deutschen haben durchaus was zu verlieren und ein Gespür für die Bedrohung ihrer komfortablen Lage. Da folgen sie lieber einer Kanzlerin, die immerzu eine Art “Fürchtet euch nicht!” als politisches Mantra murmelt.
(Erschienen auf Wiwo.de am 24.08.2013)