Die SPD hat ein Sondierungspapier vorformuliert vorgelegt, und die CDU hat es in Windeseile akzeptiert. Es ist SPD pur; die CDU hat alle ihre Positionen aus dem Wahlkampf geräumt und ins Gegenteil verkehrt. Auf die unbeliebteste rot-grün-gelbe Koalition folgt eine schwarz-rote, die nachholt, was Christian Lindner (FDP) gegen Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) an marktwirtschaftlichen und freiheitlichen Positionen noch verteidigen konnte.
1) Schuldenbremse? Auf den Müll
Die von der CDU vermeintlich mit Zähnen und Klauen verteidigte Schuldenbremse als Voraussetzung für solide Haushaltsführung ist Geschichte. Für die Bundeswehr wird sie abgeschafft. Ansonsten werden „Sonderschulden“ in Höhe von 500 Milliarden Euro geschaffen. Damit wird verhindert, dass der Haushalt der früheren Ampel ausgemistet wird. Denn die 500 Milliarden können für alles und jedes Projekt eingesetzt werden: Straßen und Brücken, Bildung und Gender, Finanzierung von NGOs, Flüchtlingen und Bürgergeld. Es ist das Gegenteil von Solidität – vielmehr die Selbstermächtigung einer Regierung, unbegrenzt und unkontrolliert das Steuergeld zu verschleudern und soweit es nicht reicht, Schulden zu machen.
2) Der neue Bundestag hat nichts mehr zu sagen
Das Schuldenpaket als gigantischer Schmierstofftopf für Wählergeschenke soll noch vom alten Bundestag bis 18. März verabschiedet werden. Es wird „Eile“ vorgetäuscht, um die angebliche Lücke zwischen dem alten Bundestag und der Konstituierung des neuen Bundestags zu überbrücken. Aber faktisch kann der neue Bundestag schon zum 15. März einberufen werden. Wie TE recherchiert hat, wird der Bundeswahlleiter am 14. März die Wahlergebnisse feststellen; danach können die Abgeordneten ihr Mandat wahrnehmen. Das wird allerdings künstlich bis zum 23. März hinausgezögert, der Maximaldauer, die zwischen Wahl und Konstitution liegen darf. Dass es schneller gehen kann, wenn man will, zeigt der Abstand zwischen Wahl und Konstituierung nach der ersten gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990. Damals trat das Parlament nach 18 Tagen am 20. Dezember erstmals zusammen.
Der neue Bundestag könnte sich also sofort seinen Aufgaben widmen – aber er darf nicht. Denn: Zu unsicher ist, ob AfD und Linke sowie andere Abgeordnete die notwendigen drei Grundgesetzänderungen für die Schuldenermächtigungsgesetze mitmachen. Also wird der neue Bundestag übertölpelt. Die Demokratie wird außer Kraft gesetzt, der neue Bundestag soll schlucken, was im Hinterzimmer von SPD und CDU vereinbart wurde.
„Nicht wegen Unaufschiebbarkeit des Vorhabens, sondern allein zu dem Zweck, den neu gewählten Bundestag auszutricksen und ihn mit Hilfe der alten Mehrheit vor vollendete Tatsachen zu stellen, soll jetzt noch schnell der alte Bundestag entscheiden. Dieses Vorgehen zeugt von Verachtung des Wählerwillens, ja, von Verachtung des demokratischen Legitimationsprozesses. Eine abgehobene politische Klasse setzt sich arrogant über diejenigen hinweg, von denen in der Demokratie die Staatsgewalt ausgehen soll. Sie zeigt keinen Respekt vor dem Wahlergebnis und keinen Respekt vor dem Grundgesetz. Sie ändert noch schnell die Verfassung, weil sie die dafür erforderliche Mehrheit gerade bei der Wahl verloren hat,“ schreibt der Staatsrechtler Dietrich Murswiek dazu.
3) Umbau zur Staatswirtschaft
Dass Deutschland in einer schweren Wirtschaftskrise steckt, klingt sogar im Papier der Sondierungstruppe durch.
Rund 900 Milliarden Euro zusätzliche Schulden soll also Deutschland aufnehmen; dazu kommen noch die laufende Haushaltslücke und der deutsche Anteil des „ReArm-Europe“, dem Aufrüstungsprogramm der EU gegen Russland. Diese Summen aus der Staatskasse verändern den Charakter von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland. Der Staat wird übermächtig. Private Unternehmen werden verdrängt.
Schon die Ankündigung des 900 Milliarden Euro Schattenhaushalts hat den Zins, den der Bund zahlen muss, um 0,25 Prozent erhöht. Für 900 Milliarden zu den derzeitigen Zinsen von 2,75 Prozent zahlt der Steuerzahler in 10 Jahren 246 Milliarden Euro Zinsen. Wie war das eigentlich früher? Wie haben das Konrad Adenauer und Ludwig Erhard geschafft – Wiederaufbau eines fast komplett zerstörten Landes (fast) ohne Schulden? 1,41 Milliarden Euro erhielt Deutschland nach 1950 im Rahmen des US-Marshall-Plans als Wirtschaftshilfen. Nach heutigem Geld waren es 18 Milliarden. Erfolgstreiber waren weniger die geleisteten Dollars, sondern die Einbindung Deutschlands in die europäische und globale Wirtschaft. Und die Bereitschaft, für „Wohlstand für Alle“ (Ludwig Erhard) in die Hände zu spucken. Zum Vergleich: Die Kosten der Euro-Rettung für Griechenland und andere verschuldete Staaten betrugen für alle Euro-Staaten gemeinsam 280 Milliarden Euro.
Aber nicht nur um Geld geht es. Die Wirtschaft wird umgebaut – weg von Konsum- und Investitionsgütern hin zur Rüstung. Rund 100 Beschäftigte des Bremsen-Werks von Continental in Niedersachsen haben von Rheinmetall den Wechsel in eine Munitionsfabrik angeboten bekommen. Der Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt will Beschäftigte von Continental und Bosch übernehmen, die vom Stellenabbau betroffen sind. Der Panzerbauer KNDS hat das Werk des Bahntechnik-Konzerns Alstom in Görlitz übernommen und will mehr als die Hälfte der 700 Alstom-Mitarbeiter weiterbeschäftigen. Statt ziviler Produktion für Konsum und Export setzt Deutschland in Zukunft auf Rüstungsindustrie und baut seine bislang erfolgreiche Maschinen- und Automobilindustrie zur Rüstungswerkstatt um. Damit ist die Abhängigkeit von immer neuen Schulden programmiert – nicht mehr private Nachfrage treibt die Wirtschaft an, sondern die Nachfrage des Staates.
4) Alte Gassenhauer der SPD neu aufgelegt
Nicht nur in diesen grundsätzlichen Fragen hat sich die SPD durchgesetzt. Sie kann jetzt verwirklichen, was sie schon immer wollte. Scheinheilig wird die „Mindestlohnkommission“ erwähnt und gleich hineinformuliert, dass selbstverständlich der Mindestlohn auf 15 Euro hochgesetzt wird. Dazu dient ein Gewerkschaftsbeförderungsgesetz, das eine Art Tarifvertragspflicht durchsetzen soll. Und mit steigenden Tariflöhnen steigen auch die „unabhängig festgelegten“ Mindestlöhne. Die Rolle der Gewerkschaften gegen die Arbeitgeber werden gestärkt. Aus Sicht der neuen Staats-Unternehmer geht das klar. Steigende Arbeitskosten werden eben auf die Rechnung draufgeschlagen, die man der Bundeswehr für Panzer oder der öffentlichen Hand für Brücken, Straßen und Geleise berechnet. Selbstverständlich wird das die Inflation anheizen. Aber man hat ja Zeit, um künftig auch Preiskontrollen einzuführen, die unter Ludwig Erhard gegen den Widerstand der SPD 1948 abgeschafft wurden. Merz wird damit zum Anti-Erhard.
5) Zuwanderung soll weitergehen
Viele Worte verwendet das Papier darauf, wie die Offenheit der Grenzen erhalten und die Zuwanderung von sogenannten „Fachkräften“ aufrechterhalten wird. Gestoppt wird das unsägliche Afghanistan-Einflugprogramm von Annalena Baerbock; die allerdings mit fast 40.000 eingeflogenen und vorher angeworbenen Afghanen ihr Ziel faktisch schon erreicht und noch einige Wochen Zeit hat, alle geplanten 45.000 zu holen. Grenzschließungen wird es nicht geben. Man sollte sich nicht von den Worten „Familiennachzug aussetzen“ blenden lassen. Gemeint ist laut Text nur der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten. Das sind aber weniger als 10 Prozent der 136.000, die im vergangenen Jahr über den Familiennachzug ein Visum erhielten. Der Rest läuft also weiter, ungebremst. Das Sondierungspapier steckt voller solcher Tricks: Klingt hart, kommt aber anders.
Asylbewerber werden nur mit Absprache der Nachbarländer zurückgewiesen, also gar nicht. Das Staatsbürgerschaftsrecht, das möglichst schnell Wähler für die SPD erkaufen soll, wird nicht geändert. Mehr Mittel sollen für „Integration“ ausgegeben werden. Wer in Deutschland Steuerzahler ist, wird weiter in die Bringschuld gedrängt: Er muss die Einwanderung vom ersten Tag an finanzieren, Integration bezahlen und schließlich Kranken- und Rentenversicherung leisten.
6) Bürgergeld bleibt
Auch das Bürgergeld soll bleiben. Die Pflicht zur Arbeitsaufnahme soll verschärft werden. Dieses Vorhaben ist allerdings schon in der abgelaufenen Legislaturperiode gescheitert. Hubertus Heil hat die Hebel in der Hand, um jede Reform zu verhindern. Und wenn das nicht reicht: Die Präsidentin der Bundesagentur heißt Andrea Nahles, die legendär unfähige frühere Vorgängerin von Hubertus Heil, natürlich SPD. Damit gibt die CDU jede Möglichkeit aus der Hand, hier Milliarden einzusparen.
7) Selbständigkeit soll erschwert werden
Künftige Selbständigkeit soll bestraft werden durch sofortige Beitragspflicht in der Rentenversicherung. Es ist ebenfalls ein alter SPD-Gassenhauer. Damit soll verhindert werden, dass sich neben der gewerkschaftlich organisierten und gegängelten Arbeitswelt eine freiberufliche Nebenwirtschaft aufbaut. Und selbstverständlich soll Schwarzarbeit noch härter bestraft werden. Die SPD setzt sich durch: Der Arbeitsmarkt wird zum Polizeistaat, der Zoll und die Gewerkschaften kontrollieren dann jedes Tun und verhindern jede freiberufliche Tätigkeit.
8) Energiepolitik: Keine Wende der Wende
Wer gehofft hatte, die Energiewende als Strangulierungsinstrument könnte beendet werden, sieht sich getäuscht. Wind und Sonne sollen die Industrie mit Strom versorgen, ein paar extrem teure Gaskraftwerke einspringen und Preisspitzen durch fossile Kraftwerke begrenzt werden. Der Rest der Vorschläge ist das übliche grüne Gerede. Stromsteuer und Übertragungskosten durch die wegen der verstreuten Windräder und Solarparks notwendigen neuen Leitungsnetze, sowie von Nord nach Süd, sollen billiger gemacht werden – aus dem 500-Milliarden-Topf.
Hier sieht man, dass es nicht um Investitionen geht, sondern um Subventionen. Der Strom wird nicht billiger erzeugt, sondern noch teurer und dann auf Steuerzahlerkosten herabsubventioniert. Auch hier hat Friedrich Merz klein beigegeben. Natürlich ist viel die Rede von grünem Wasserstoff und grünen Leitmärkten. Damit soll möglicherweise die Zustimmung der Grünen erkauft werden, die noch höhere Schulden für ihre Hobbywirtschaft machen und Deutschland noch schneller in die Deindustrialisierung treiben wollen.
Selbstermächtigung auch zur Zensur
Fazit: Es ist ein Papier, mit dem sich die politische Klasse in Berlin selbst ermächtigt, Schulden in unendlicher Höhe aufzunehmen. Der Staat tritt an die Stelle der privaten Nachfrage, die Marktwirtschaft wird abgeschaltet, starre Löhne und Gewerkschaften kontrollieren die Wirtschaft. Es ist ein staatssozialistisches Modell, in dem freie Marktwirtschaft nichts mehr gilt und Rüstungsnachfrage auf Schulden die ausfallende private Nachfrage ersetzen soll – oder mit einem grünen Mäntelchen umgibt, um unwirtschaftliche Formen der Energieerzeugung per Schulden scheinbar erträglicher zu machen.
Dazu passt, dass sich das Papier zur Zensur kritischer Meinungen durch den Digital Services Act der EU ausdrücklich bekennt:
„Die gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie die inzwischen alltägliche Desinformationen und Fakenews sind ernste Bedrohungen für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Zeiten geopolitischer Spannungen müssen wir entschiedener denn je dagegen vorgehen. Dafür müssen wir der Digital Service Act (DSA) der EU auf nationaler Ebene konsequent durchsetzen,“ steht da.
Klar, sozialistische Politik, die elementare Rechte des Parlaments aushebeln will, muss auch freie Meinungsäußerung bekämpfen. US-Vizepräsident J.D. Vance erhält nachträglich jede Rechtfertigung für seine Münchner Rede: Meinungsfreiheit ist kein gemeinsamer Wert mehr, den USA und Deutschland teilen. Dagegen bleibt das Papier an einer anderen Stelle vage: Man werde „prüfen“, ob das Wahlrecht der Ampel geändert wird, das bekanntlich der CDU viele Bundestagsmandate weggenommen. Wenn etwas von der CDU kommt – wird es nur geprüft.
Wozu eigentlich noch CDU? Das hätte die Ampel eleganter gelöst. Friedrich Merz, der beste Kanzler, den die SPD sich wünschen kann.