Tichys Einblick
Ein Anfang, nur ein Anfang

Franziska Giffey ist zurückgetreten. Ein Vorbild für das Kabinett Merkel

Es ist eine Überraschung: Rücktritt geht also noch. Franziska Giffey beweist das in einem Kabinett, in dem es mehr Rücktritts-Kandidaten gibt als halbwegs respektable Persönlichkeiten.

IMAGO/photothek

Franziska Giffey ist von ihrem Amt zurückgetreten. Die Bundesfamilienministerin habe Bundeskanzlerin Angela Merkel um ihre Entlassung gebeten. Das berichten übereinstimmend Medien.

Hintergrund des Rücktritts ist die Affäre um Giffeys Doktorarbeit. Die hatte die SPD-Politikerin im Februar 2010 an der Freien Universität Berlin eingereicht. Im Februar 2019 wurde bekannt, dass die Dissertation wegen eines Plagiatverdachts überprüft wird. Diese Prüfung endete im Oktober 2019 mit einer Rüge. Am 13. November 2020 kündigte Giffey an, den Doktortitel künftig nicht mehr tragen zu wollen.

Es wird eng um die Dissertation von Bundesministerin Dr. Giffey
Giffey gebührt Respekt. Die Dissertation getürkt, der Ehemann als Schwindler im öffentlichen Dienst verurteilt – es hat gedauert, aber sie hat es getan. Andere sollten ihr folgen; denn eine aufgeblasene Dissertation ist nur ein minderschwerer Fall. Auch ohne Doktor-Titel kann man ein guter Minister sein; auf die Inhalte kommt es an.

Nehmen wir Gesundheitsminister Jens Spahn. Offensichtliches Versagen in der Corona-Pandemie: Erst hat er die Gefährlichkeit pauschal bestritten, Masken als Unsinn abgelehnt, dann verpflichtend gemacht. Seltsam, dass noch am Tag der Maskenpflicht aus seinem Um- und Freundeskreis Masken an sein Ministerium verkauft wurden. Inwieweit er die Hand im Spiel hat? Er weigert sich, entsprechende Anfragen zu beantworten. Hofft, dass die Methode „den toten Käfer findet keine Amsel“ auch bei ihm Erfolg hat: Einen schwindelnden Minister findet keine Krähe.

Bisher geheimes Gutachten veröffentlicht
"Sanktionswürdiges wissenschaftliches Fehlverhalten": Verliert Giffey doch den Doktortitel?
Oder Olaf Scholz. Er ist verwickelt in die von ihm immer wieder als fragwürdig dargestellten Cum-Ex-Geschäfte, komplizierte Konstruktionen zur Steuervermeidung. In Hamburg hat die Warburg-Bank 40.000 € an die SPD gespendet; nach einem oder mehreren Gesprächen mit ihm. Der Verdacht, dass deswegen die Strafzahlung für die Bank nicht exekutiert wurde, konnte nie glaubwürdig ausgeräumt werden. Scholz erinnert sich an nichts. Er weiß auch nichts davon, dass sein Ministerium die Aufsicht über die Bankenaufsicht BAFIN führt. Dort wurde mit Wirecard-Aktien von den Mitarbeitern gezockt, und der Journalist Dan McCrum der Financial Time mit Prozessen bedroht, weil er kritische Fragen zu Wirecard stellte. Scholz war auch hier Gesprächspartner, hat die Geschäfte der Bank wohl empfohlen; übrigens zusammen mit der Bundeskanzlerin. Wäre das nicht ein ganz gewaltiger Grund, zurückzutreten?

Oder nehmen wir Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister. Ein paar hundert Millionen versenkt wegen fragwürdiger Vorgänge zur Durchsetzung der unmöglichen Autobahnmaut: Das wiegt schwerer als eine mangelhafte Doktorarbeit – oder? Jedenfalls ist Giffey ein Schnäppchen verglichen mit Andy.

Christine Lambrecht hat als Justizministerin diverse Zensurgesetze vorgelegt, die vom Bundesverfassungsgericht, dem wohl zahmsten je existierenden Kontrollorgan kassiert wurden. Das muss man erstmal schaffen! Ein Rücktritt wäre fällig – wegen schreiender Inkompetenz.

Berliner Rücktrittsmüdigkeit: Die das Grauen nicht kennen
Oder die Staatsministerin für Digitalisierung, so eine Art „Amt für Anfänger“. Dorothee Bär hat die Corona-App versaubeutelt. Viel Gewese, 100 Millionen direkte Kosten und Abermilliarden, weil die notwendige Digitalisierung der Infektionsverfolgung nicht erfolgte  und das Virus einfach weiter laufen konnte: Rücktritt und ein Tadel für komplette Unfähigkeit im Amt wäre das mindeste.

Man kann in der Politik über vieles diskutieren, anderer Meinung sein. Etwa über die Sozialpolitik von Hubertus Heil, die zukünftige Generationen schon mal heute ausplündert. Sieht er anders, muss man akzeptieren.

Annegret Kramp-Karrenbauer, als Verteidigungsministerin ein reiner Versorgungsfall, nachdem sie als Parteivorsitzende der CDU ein Totalausfall war. Als Ministerin ist sie aber nicht unfähiger als ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen. Die wurde wegbefördert auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Da wollen wir bei AKK nicht strenger sein. Sie kann nichts, will nichts, tut nichts. Außer das, was Medien von ihr in der Affäre um die Soldaten des Sondereinsatzkommandos fordern: Nazis jagen. Sie nicht finden, aber so tun.

Nicht zurücktreten, dieses Verhalten schadet der Bundeswehr, aber das geht ohnedies gar nicht mehr schlimmer. Ihr Beschädigungspotential geht gegen Null, und Positives hat noch kein Mensch von Merkels Kabinett verlangt.

So etwas wird heute ausgesessen
Giffey und Feldmann: Ehe-Skandale verschiedener Qualität
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller ist auch so ein Fall. Allzeit bereit, Geld und Gefälligkeiten zu vergeben, winkt er wieder mit unserem Scheckbuch, seit Marokko Flüchtlinge nach Spanien schickt und dafür Geld erpressen will. Das ist ein großer Fehler, aber er nimmt nichts für sich, außer natürlich die Ehefrau gerne auf Reisen mit. Und eine Super-Versorgung für die Zeit nach dem Kabinett auf einem UN-Posten; unverdient verdient er dann gut. Kein Grund für einen Rücktritt. Oder doch?

Ist reine Unfähigkeit auch ein Grund? Dann wäre auch Außenminister Heiko Maas fällig. Er ist unter den Nullen des Kabinetts die größte. Sein verschwiemeltes Gerede zum tobenden Antisemitismus auf deutschen Straßen wäre früher ein Grund für einen Rücktritt gewesen. Heute nicht mehr. Unter ihm erfolgte die Abkehr von der früheren Staatsraison, Antisemitismus nicht zuzulassen. Maas kuschelt gerne mit Hamas-nahen Vertretern.

Oder nehmen wir Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Er weiß, dass die Energiewende nicht funktioniert, nicht funktionieren kann, die Infrastruktur des Landes zerstört wird. Er schaut sehr gemütlich zu. Wie es Merkel von ihm will. Untätigkeit gegen besseres Wissen ist leider kein offizieller Rücktrittsgrund, sondern Plan der Politik. Wir werden das Land schon schaffen.

Giffey und der Doktortitel
Schafft akademische Titel ab - sie sind wertlos im Massenwissenschaftsbetrieb
Ach ja, und dann kommen wir zum Ritter der traurigen Gestalt, Horst Seehofer. Er trat mal an als Scharfmacher, wollte Merkels Einwanderung stoppen, so wie es Markus Söder im Bayernwahlkampf von ihm gefordert hat. Danach kuschelte er sich hoch zu Deutschlands größtem Merkel-Teddy. Die Einwanderung geht unbegrenzt weiter, und der Merkel-Teddy macht das Gegenteil von dem, was er verspricht. Da hilft kein Rücktritt. Er folgt dem Merkel-Prinzip: Dem Land Schaden zuzufügen, so schnell es irgendwie geht. Aber das ist bekanntlich die neue Staatsraison, und schon deshalb kein Rücktrittsgrund. Und Seehofer hat den Super-Patex. Für sein Sesselchen opfert er jedes Prinzip schon vorgestern.

Irgendwie ist es also schade um Franziska Giffey. Wir werden ihre leicht unbeholfen wirkenden Auftritte vermissen. Ihre piepsige Stimme. Ihr harmloses Getue, wenn sie wieder ein paar 100 Millionen aus der Staatskasse locker macht für die Finanzierung regierungsnaher linksradikaler NGOs. Denn das war ihre Hauptaufgabe: Ohne Verfassungsprüfung Geld in linke Gruppen zu stecken, sie bis über die Halskrause damit vollzustopfen.

Dafür tritt sie nicht zurück. Sondern wegen einer albernen Dissertation, die nur wiederspiegelt, wes Geistes Kind sie ist und das sieht man auch ohne Titel.

Spitzenkandidatin für Berlin will sie allerdings bleiben. Das ist klug. Der rot-rot-grüne Senat ist so unterirdisch, da kommt es auf einen kleinen Betrug schon gar nicht an. Zurückzutreten um anzutreten – das ist Berlin. Es ist die Inszenierung des Anstands durch eine Unanständige.

Anzeige
Die mobile Version verlassen