Sie sind aus unseren Straßen, Plätzen und Parks verschwunden: Mütter mit ihren Kindern, spielende Kinder. Ohne dass es uns bewusst wird, sperren wir sie weg. Mütter und Kinder – früher selbstverständlich – werden zur Randgruppe. Selbst im Supermarkt der Innenstadt werden sie nur noch als Hindernis wahrgenommen, die das Band an der Kasse blockieren und den flotten Angestellten mit ihren Single-Portionen die Mittagspause stehlen: Mütter, die sich selbst um ihre Kinder kümmern statt sie in den Bewahranstalten abzugeben, werden mittlerweile brutal ausgegrenzt, benachteiligt und an den Rand gedrängt und ihre Leistung systematisch entwertet. Ein beunruhigendes Buch widmet sich der „verkauften Mutter“.
Barbara S., 45, drei Kinder, geschieden, sammelt Flaschen. Nicht in Abfallkörben – in der Wohnung. Viele Kinder, viel PET. Flaschensammlern gilt unser Mitleid, hat sie erfahren. Ihr nicht. Sie ist ja nur Mutter. Wenn sie ihren blauen Müllsack am Flaschenautomaten leert hofft sie, dass sie nicht angemacht wird, weil sie zufällig in der Hauptverkaufszeit den flotten Singles im Wege steht. Aber der Müllsack reicht für einen Sack Kartoffeln, vier Packungen Spinat, eine Steige Eier -„wir alle können davon satt werden“. An der Kasse werden die Eier zu Bruch gehen – die Kassiererin hat keine Zeit für den umfangreichen Familieneinkauf, die Mittagspäusler mit ihren Einpersonen- Einwegmahlzeiten im zerstörungssicheren Plastikbehälter drängeln.
Geschichten aus dem Alltag der Mütter
Es sind erschütternde Geschichten, die Mütter erzählen, die sich für Familie entschieden haben und von den Männern verlassen wurden. Sie fallen durch den Rost der neuen Sozialpolitik, die nicht mehr die früheren Ehen schützt, sondern das blitzblanke neue Glück im Auge hat. „Das Hauptziel der Politik ist die Abschaffung der Hausfrau“, stellt eine Mutter lakonisch fest. Die kalten Frauen in der Politik wie Ursula von der Leyen und Manuela Schwesig erzwingen das Leben nach dem Leitbild der unabhängigen Frau, und das gnadenlos. Wer abhängig ist, um Kinder zu erziehen, wird dafür bestraft. Die Neuregelung des Unterhalts nach der Ehe seit 2008 hat die soziale Lage einer ganzen Generation von Hausfrauen-Müttern dramatisch verschlechtert. Sie können nicht mithalten mit den Jüngern – sie haben ihr Leben aufgebaut auf einer Regelung, die brutal gestrichen wurde: Der Versorgung in und nach der Ehe für ihre Erziehungsarbeit. Aber neuerdings ist Fremdbetreuung die Norm, Berufsarbeit die Pflicht. „Ich verdiene nun Geld, aber es ist zu wenig, und es ist immer vergeblich“, so Barbara. Denn es wird sofort wieder auf den Unterhalt angerechnet.
Wahlfreiheit gibt es nicht mehr
So sitzt eine Generation von Frauen in der Falle, getrieben von einer Gesetzgebung, die die Wahlfreiheit pro forma propagiert und faktisch hintertreibt. Mütter mit ihren Kindern gibt es nur noch in den Bereichen, in denen die wirtschaftsoptimierende Dynamik sich noch nicht entfalten konnte – in den noch nicht kolonialisierten Ausländervierteln. Ansonsten funktioniert das Zusammenspiel von Wirtschaftsverbänden, die Frauen als möglichst billige Arbeitskräfte suchen, von Gewerkschaften, die Mitglieder unter Kita-Erzieherinnen finden, aber nicht unter Müttern, und den Großparteien, die getrieben sind vom Ehrgeiz, ihr Familienbild gesellschaftlich durchzudrücken – und das Loblied des doppelten Karriere-Paares singen, bei dem Kinder zu einer staatlich betreuten Rest-Größe werden.
Jetzt wird Müttern auch noch die Würde genommen
„Die Freiheit der Frauen, sich bewusst für Familienarbeit zu entscheiden, wird durch Gesellschaft und Politik immer mehr eingeengt“, beobachten die Gründerinnen von „Kulturtat Familie“ in Frankfurt. Durch ihre Initiative wollen sie dem „Da-Sein“ für Kinder wieder zu mehr gesellschaftlicher Wertschätzung verhelfen und haben 21 Erfahrungsberichte von Müttern veröffentlicht. Es war ein harmloser Satz, der die Sache ins Rollen brachte. Die Frage: „Und Du bist auch wegen der Kinder zu Hause geblieben?“, war auf einer Geburtstagsfeier der Auslöser für eine leidenschaftliche Diskussion über die Verstaatlichung der Kindheit und über das Gefühl, von einer Gesellschaft, der die Mütterlichkeit verloren geht, verkauft zu werden. Bis eine der Frauen plötzlich sagte: „Das darf man doch gar nicht laut sagen.“ Und eine andere Frau antwortete: „Im Gegenteil.“ Aber Mütter haben gelernt, sich für Mütterlichkeit zu schämen. Die Welt gehört den Geld-Verdienern, nicht den Kinder-Großziehern. Es sei denn, es wird wieder zum Krippen-Geschäft, ausgelagert und pseudo-professionalisiert. Das Erziehen fremder Kinder schreit nach Wertschätzung – die Erziehung der eigenen wird schlecht geredet, so die Erkenntnis. An jenem Nachmittag im Jahr 2012 entstand die Idee, sich zusammen zu tun, um dem gemeinsamen Anliegen Aufmerksamkeit zu verschaffen. „Kulturtat Familie“ nannten die Frauen ihre Initiative. Von Anfang an dabei waren Sabine Mänken und Bettina Hellebrand. Nur wenig später stieß Gabriele Abel dazu. Zusammen hat das Gründerinnen-Team von „Kulturtat Familie“ elf Kinder und was sie eint, ist die Erkenntnis, wie wichtig „Da-Sein“ für die Entwicklung von Kindern ist. Obwohl die drei Frauen eine akademische Ausbildung und gute Berufschancen hatten, wollten sie ihren Kindern, als diese klein waren, den Raum für ihre individuelle Entwicklung geben. „Ich freue mich an der Vielfalt und Buntheit des Lebens, von der Individualität der Kinder bin ich fasziniert“, beschreibt beispielsweise Gabriele Abel ihre Motivation dafür. Deshalb setzt sich die 49-Jährige für Freiheit in der Gestaltungsmöglichkeit des Familienlebens ein. Es ist ein Kampf gegen die mächtigen Windmühlen der Politik. Nach der materiellen Verarmung kommt jetzt Entwertung. „Jetzt wird uns die Würde genommen“, schreibt Christine, 52, drei Kinder: „So behaupten doch Studien heute, dass Kinder sich ‚besser‘ entwickeln, wenn sie NICHT von den Müttern betreut werden, sondern in Kitas ihre ‚Sozialkompetenzen‘ ausbilden können“. Die Entwertung der Mütterlichkeit, ihre Abstempelung als faul, kinderfeindlich und unfähig zur Erziehung ist sicherlich eine der erschütterndsten Entwicklung der letzten Jahre. Aber ist das Leben hinter der Aldi-Kasse erstrebenswerter als das Leben mit Kindern? Die Weichen sind gestellt. Die totale Berufsarbeit wird zur Norm, die Mütterlichkeit diffamiert und rechtlich bestraft.
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Es gibt kein positives Mutterbild mehr
Die Freiheit in der Gestaltungsmöglichkeit des Familienlebens wird nach Erfahrung der „Kulturtat“-Netzwerkerinnen immer mehr eingeengt. Die heute gültigen gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Strukturen machen es für Mütter immer schwerer, eine „freie Entscheidung zwischen Erwerbsarbeit und individueller Familienarbeit“ zu treffen. Die Frauen erkennen einen „Seiltanz aus Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung“, in dem sich manche Mütter gar nicht mehr trauen, nur Mutter sein zu wollen. „Es gibt kein positives Mutterbild mehr“, beobachtet die studierte Germanistin Bettina Hellebrand (51). „Was ich tue für die Kinder, diese Gestaltung von Innenraum, diese tägliche Selbstschulung, das sieht niemand“, so Hellebrand und sie wünscht sich, dass „das, was Mütter den Kindern alltäglich geben, wieder Wertschätzung erfahren soll.“ Nach ihrer Erfahrung trauen sich junge Mütter oft gar nicht mehr, auf ihre innere Stimme zu hören und mehr Zeit zu Hause mit ihren kleinen Kindern zu verbringen.
Ein Beleg für diese Entwicklung ist der Niedergang von Krabbelgruppen: Diese privat organisierten Treffen von Müttern mit Babys, wie sie in den 1980er und 1990er Jahren zum sozialen Leben gehörten, gibt es in dieser Form kaum mehr. Der Ausbau von Kinderkrippen hingegen schreitet ständig voran und verstärkt die gesellschaftliche Erwartung an junge Frauen, möglichst schnell wieder in den Beruf einzusteigen. Und wer seine Kinder selbst erziehen will traut sich nicht mehr, weil angeblich nur Kitas und staatlich besoldete Erzieherinnen Kinder auf das Leben vorbereiten können. Glauben wir das wirklich? Die Politik jedenfalls erzwingt es, die Wahlfreiheit wurde längst ausradiert.
Grundvoraussetzung für eine demokratische Gesellschaft
Dabei ist individuelle Kindererziehung nach Überzeugung von Sabine Mänken (51) eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft. „Demokratie ist ohne individuelle Lebenszusammenhänge und Wertevermittlung nicht möglich“, ist die studierte Volkswirtin und praktizierende Biographie-Beraterin überzeugt. „Emanzipation wird da sehr einseitig diskutiert.“ Viele Frauen fürchten den sozialen Abstieg durch Kinder, wenn sie auf ihren Beruf verzichten. Denn: „Kinderkriegen gehört zu den Armutsrisiken in Deutschland“, sagt Sabine Mänken. Eines von vielen Beispielen dafür ist die Umverteilung innerhalb unseres Rentensystems, das diejenigen bestraft, die sich um das Aufziehen künftiger Beitragszahler kümmern und diejenigen belohnt, die ohne Erziehungszeiten genügend Geld in das System der Umlage-Finanzierung einzahlen können.
„Volkswirtschaftliche Wertschöpfung findet aber auch durch individuelle Erziehungsarbeit statt. Ohne finanzielle Anerkennung dieses Beitrags zum Bruttosozialprodukt werden wirtschaftliche Zwänge weiterhin in vielen Fällen ausschlaggebend sein, die Familie der Erwerbstätigkeit unterzuordnen.“ Viel ist zu diesen Themen bereits geforscht und publiziert worden und so geht es den Frauen von „Kulturtat Familie“ weniger darum, die theoretische Diskussion zu beschreiben, sondern Einblicke in die alltäglichen Herausforderungen der Familienarbeit zu geben. Ihrer Aufforderung, persönliche Erfahrungsberichte zu schreiben, ist eine ganze Reihe von Frauen gefolgt und so ist der Sammelband „Die verkaufte Mutter“ mit 21 lebendigen, teils anrührenden, teils humorvollen, aber insgesamt nachdenklich stimmenden Erfahrungsberichten zustande gekommen. Dabei wollen die „Kulturtat“-Frauen keinesfalls eine bestimmte Form des Mutter-Seins zum Ideal stilisieren oder Empfehlungen für die Lebensgestaltung abgeben. Doch wollen die Frauen nicht länger Zuschauerinnen sein in einer Welt, in der der individuelle Lebensraum für Mütter und Kinder zunehmend eingeengt wird. Deshalb sind die anrührendsten Reportagen die jeweiligen Berichte über das Glück. Mütter brauchen keine staatliche Glücksforschung. Sie sehen das Glück in den Augen ihrer Kinder. Seltsam: Hat nicht jeder Mensch eine Mutter?
Kulturtat Familie: Die Initiative
Kulturtat Familie ist eine freie, politisch und religiös ungebundene Gruppe von Frauen, die sich aus innerer Überzeugung für Familienarbeit entschieden haben. „Familie“ verstehen sie dabei als eine frei gewählte Gemeinschaftsform, die in Verantwortung gegenüber den individuellen Entwicklungsbedürfnissen des Kindes Schutz und Bindung ermöglicht. Mit Blick auf die Kinder ist in den Frauen die Überzeugung entstanden, eine Arbeit zu tun, die uns erstmal niemand abnehmen kann: Da-sein! „Den Kleinsten ist das Recht auf einen Krippenplatz kein Anliegen“, bringen die Frauen ihre Erfahrungen und Beobachtungen auf den Punkt. Die Kindheit wurde längst enteignet, verstaatlicht und verplant. Für die Erzählungen vom Glück mit Kindern ist kein Raum mehr. In diesem Buch aber ist auch davon die Rede. Es sind die anrührendsten Sätze – die vom Glück ganz ohne Plan und Vorschrift. http://www.familie-ist-kulturtat.de
Die verkaufte Mutter – 21 Erfahrungsberichte zur Freiheit der modernen Frau
Herausgeber: Sabine Mänken, Bettina Hellebrand, Gabriele Abel Quell Edition ISBN 978-3-9815402-5-3, Preis: 14,90 Euro. zu bestellen hier im Shop.