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EZB-Chefin Christine Lagarde: Der rettende Engel der Reichen

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank verschärft nach der Corona-Krise die gesellschaftliche Ungleichheit. Die wirtschaftliche aktive Mittelschicht wird ärmer, Reiche reicher, die Wirtschaft schwächer.

imago Images/Sven Simon

Linke Politiker und Ökonomen lieben die EZB, wie sie Mario Draghi umgestaltet hat und wozu sie seine Nachfolgerin als Präsidentin, Christine Lagarde, weiterentwickelt: Mit der virtuellen Druckerpresse werden Pleitestaaten gerettet, Staatsausgaben finanziert, Sozialleistungen bezahlt und Kapitaleigner durch Null- oder Negativzinsen enteignet. Das bedeutet mehr Staat, weniger Wirtschaft, weniger ökonomischer Zwang, und das alles organisiert über eine EU-Superbehörde, die dem Willen der wankelmütigen Wähler entzogen ist.

Eine unkontrollierbare Wirtschaftssuperbehörde

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Schrittweise verwandelt sich die EZB von einer auf Geldwertstabilität ausgerichteten Notenbank in eine Wirtschaftssuperbehörde der EU, die über Kreditvergabe und gezielte Anleihenkäufe „grüne“ und andere politisch erwünschte Investitionen fördert und schlechte, ertragreiche, weil am Konsumentenwillen orientierte, benachteiligt. Was kann sich ein Anhänger einer staatlichen gesamtwirtschaftlichen, möglichst undemokratischen und bürokratischen Wirtschaftslenkung noch mehr wünschen? Mit frisch gedrucktem Geld scheint der Dämon der Knappheit endgültig besiegt, das gemütliche Paradies des Sozialismus zum Greifen nahe.

Aber klappt das so, wie es sich bedingungslose Anhänger von Planwirtschaft und europäischem Superstaat vorstellen?

Nach der Corona-Krise zeigen sich wie unter einem Vergrößerungsglas die Folgen dieser EZB-Politik für unterschiedliche Gruppen:

Gewinner der Geldmengenausweitungen sind Politiker über ihren Machtzuwachs durch billiges Geld, mit dem sie Stimmen der Wähler kaufen und sich spendabel zeigen können, als hätten sie die Mittel erwirtschaftet, die aber nur dem Steuerzahler abgepresst werden. Unbeschadet durch die Krise sind Rentner, Sozialleistungsempfänger, Pensionäre und viele Angehörige des öffentlichen Dienstes gesegelt. Außerdem die Angestellten der riesigen Parteiapparate, ihrer Stiftungen und der staatlich finanzierten NGOs: Ihre Einkommen flossen und fließen unbegrenzt weiter, als gäbe es keine Krise, keinen Wirtschaftseinbruch. Viele Arbeitnehmer mussten kurzfristig durch Kurzarbeitergeld, soweit es von den Arbeitgebern nicht aufgestockt wurde, Einbußen hinnehmen – allerdings durch Freizeitgewinn kompensiert.

Der Mittelstand verliert

Verlierer sind diejenigen, die den aktiven wirtschaftlichen Mittelstand bilden: Einzelhändler, Freiberufler, auch Ärzte, deren Patienten wegblieben, Gastronomen und Handwerker, deren Aufträge ausbleiben; und mit ihnen auch die von ihnen Beschäftigten, deren Jobs verschwunden sind. Überbrückungskredite verzögern das unvermeidliche Ende. Bei ihnen kommt das billige Geld der EZB nur in Form höherer Schulden an. Aber weil die EZB die Geldschleusen für praktisch unbegrenzte Staatsschulden geöffnet hat und dafür die Nullzinsen auf unabsehbare Zeit der neue Normalzustand sind, verlieren auch alle, die sich im Alter auf Lebensversicherungen, kapitalgebundene Riesterrenten oder berufsständische Versorgungswerke und andere zinsgebundene Vorsorgeformen verlassen haben. Sie alle zehren von der Substanz und leiden unter staatlich ausgelösten und gewollten Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie.

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Damit ist der wirtschaftlich dynamische Teil der Gesellschaft hart betroffen. Dazu kommen viele Beschäftigte, deren Jobs auch bei Großkonzernen verschwinden. Die Meldungen häufen sich: BMW, Lufthansa, Daimler, Deutsche Bank – kaum ein DAX-Wert, der nicht entlässt. Die Jobs in der Industrie, die jetzt verschwinden, kommen nie mehr wieder. Das gilt auch für die großen Mittelständler. Manche nutzen die Chance zur Verlagerung der Produktion an europäische Billigstandorte; ein großer Verlag beispielsweise lässt die Schlussredaktion zukünftig in Polen erledigen. Berliner Redakteure werden billig abgefunden. Viele Unternehmen können sich noch mit billigen Krediten über Wasser halten. Das bremst die wirtschaftliche Erneuerung, früher oder später werden sie trotzdem von besser finanzierten und leistungsfähigeren Unternehmen geschluckt; „Synergien heben“ lautet dann das schmucke Wort für Entlassungen. Die Konzentration der Wirtschaft wird zunehmen.

Gehaltssteigerungen sind kaum drin, die globale Konkurrenz hält die Güter billig, die Verbraucherpreise für Industrieprodukte niedrig – und das veranlasst die EZB, weiter ihre Geldschleusen aufzumachen und noch mehr vagabundierende Milliarden auszuschütten. Aber nichts wird besser. Für die meisten, wenigstens, für manche schon.

Glücklich, wer mit der Vermögenspreisinflation gewinnt

Die Gewinner der EZB-Politik sind die Wohlhabenden, die nicht unternehmerisch tätig sind. Sie haben ihr Vermögen in Aktien, Immobilien sowie Gold und anderen Edelmetallen angelegt. Natürlich ist diese Abgrenzung künstlich. Viele halten unternehmerische Beteiligungen und leiden an deren Wertvernichtung. Auch Immobilienentwicklung und -vermarktung ist unternehmerisches Handeln; die Gruppen überschneiden sich. Handwerker mögen auch ein paar Goldmünzen vergraben haben, Angestellte einige Aktien oder Eigentumswohnungen besitzen. Das gleicht dann Verluste an anderer Stelle teilweise aus.

Aber Aktienkurse sind trotz Corona und Rezession kaum gesunken. Nicht weil VW so viele Autos verkauft oder die Deutsche Bank plötzlich eine Gewinnquelle entdeckt hätte. Aktien steigen, weil die von Lagarde ausgeschütteten Milliarden ihre Anlage suchen. Und da sind Aktien die erste Wahl. Helikoptergeld regnet auf die Städte herab, billiges Geld der EZB, das den Wirtschaftsaufschwung auslösen soll. Vielfach werden damit Immobilien gekauft. Betongold scheint die bessere Anlage zu sein.

Vielleicht werden in ein, zwei Jahren arbeitslose frühere Angestellte gezwungen sein, ihre Reihenhäuser und Eigentumswohnungen zu verschleudern; Banken werden Zwangsversteigerungen durchsetzen, wenn Kredite nicht mehr bedient werden können. Auf solche Gelegenheit warten betuchte Anleger. „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“, lautet eine alte Regel des legendären Carl Mayer von Rothschild. Vermögen jeder Art wechselt aus verarmten Händen in wohlhabenden Hände. Und was dann noch herumschwirrt, wird in Gold angelegt. Der Goldkurs ist längst auf Rekordhöhen geklettert. Die Angst vor einer Währungsreform oder Hyperinflation, die auf die neue Art der Geldpolitik häufig folgt, treibt Anleger in die tiefen Tresore und Bankschließfächer, in denen Christine Lagardes Euro-Milliarden in Gold verwandelt schlummern. Nicht Investitionen werden finanziert, sondern private Absicherung.

Gefangen in der Liquiditätsfalle

Das alles ist keine wirklich neue Erkenntnis. John Maynard Keynes hat diesen Vorgang in den 20er-Jahren „Liquditätsfalle“ genannt – Notenbankgeld verschwindet auf nicht geheimnisvolle Weise in den Tresoren oder Wertanlagen, aber nicht im Wirtschaftskreislauf. Dumm gelaufen. Glücklich, wer hat, denn ihm wird gegeben. Warten auf bessere und sichere Zeiten ersetzt unternehmerisches Handeln, das riskant ist, und obendrein im Gewinnfall hoch besteuert wird.

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Vermögenszuwachs kann kaum besteuert werden, weil sich Gold im Tresor nicht aufbläht und sichtbar wird oder heraustropft. Es wird einfach mehr wert. Auch Wertgewinne von Immobilien oder Aktien können nur im Verkaufsfall besteuert werden, aber es wird nicht viel gehandelt. Warten können ist des Spekulanten Tugend. Weil der Staat knapp und immer knapper bei Kasse ist, werden Steuern erhöht – aber auf das Einkommen. Wer ertragreich arbeitet oder als Unternehmer Gewinne schreibt, ist der Dumme. Warten wird nicht besteuert. Auch ein Goldverbot ist unwirksam, denn die geringen Mengen mit dem hohen Wert entziehen sich der Kontrolle – auf dem Schwarzmarkt steigt der Preis dann ins Unermessliche.

Längst werden Immobilientransaktionen auch mit Geldkoffern abgewickelt: Ein Teil des Kaufpreises wird offiziell bezahlt, ein wachsender Teil unter dem Tisch verschoben. Das spart zumindest Grunderwerbsteuer und verdeckt den wahren Wert. Der Spruch enrichissez-vous! (bereichert euch!) wird dem französischen Minister François Guizot zugeschrieben. Es taucht in der politischen Geschichtsschreibung als zynisches Credo der materialistischen Herrschaft Louis Philippes und des ihn nach der Julirevolution von 1830 tragenden Juste Milieu auf. Das Wort könnte von Christine Lagarde stammen.

Bereichert Euch! Entreichert andere

So verschiebt sich die gesellschaftliche Statik. Der Staat und seine Diener wiegen sich in der Illusion der ewig sicheren Alimentation, Sozialleistungsempfänger drängen vor Wahlen auf Erhöhung ihrer Bezüge, aber der eigentliche wertschöpfende Teil der Gesellschaft wird immer schmaler, zorniger, denn er fühlt sich ausgeplündert und entmutigt. Um sie niederzuhalten wurde das Wort vom „Wutbürger“ erfunden. Es wird immer gefährlicher, gegen den Stachel zu löcken.

So verlagern sich die Gewichte von einer wirtschaftsaktiven, einer unternehmerischen Gesellschaft, wie sie Ludwig Erhard wesentlich gestaltet hat, hin zu einer, in der der öffentliche Dienst vorherrschend wird, mit immer größeren Soziallasten und steigender Arbeitslosigkeit, und vielen Reichen, die gar nichts tun müssen. Eben nur warten. Attentismus wird belohnt durch die automatische Wertentwicklung dank EZB-Milliarden. Wohlstand für Alle wird zur Illusion. Ungleichheit wächst in allen Dimensionen. Teure Privatschulen und mit privaten Wachdiensten abgesicherte Wohngegenden entstehen und sind die äußeren Zeichen dieser zunehmenden Entmischung einer Gesellschaft, die Diversität feiert und fordert und sich doch aufteilt in solche, die es sich leisten können, hier gut und gerne zu leben und solche, denen die Luft abgeschnürt wird, weil es zu Reichtum oder Staatsdienst nicht gereicht hat.

Vor dem Christinen-Graben

Aber wir haben ja Christine Lagarde. Sie wird immer neue Programme auflegen zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen; immer neue „Green Deals“ und gigantische Hilfsprogramme, die in den emsig erweiterten Tresorräumen enden oder die Beraterheere mästen, die gerade von der Bundeswehr zur EU-Kommsission umziehen. Marktwirtschaft wird durch eine verbeamtete EZB-Wirtschaft ersetzt und mit immer neuem Geld alimentiert. Auch in Berlin-Mitte wird man lange nichts merken; die schicken Lokale werden weiter voll sein und um den Deutschen Bundestag soll ein tiefer Graben gezogen werden. Er sollte Christinen-Graben genannt werden; die EZB in Frankfurt hat übrigens schon einen.
Sie werden ihn vielleicht brauchen.

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