Wir sind das Kaninchen, das angststarr vor der Schlange sitzt. Deshalb können die USA mit uns machen, was sie wollen.
Eine supergute Idee haben Politiker von CSU bis SPD, wie man der Überwachung von privaten Daten und Geschäftsinterna durch US-Geheimdienste entgehen könnte: Ein europäisches Google, Facebook oder Apple muss her, getreu organisiert nach den deutschen Datenschutzrichtlinien. Das erinnert an eine Steinzeithorde, die am Lagerfeuer beschließt, eine Flugdrohne zu bauen, um die Nachbarsippe zu beobachten und abwehren zu können. Das wird schon daran scheitern, dass die verwendete Bronze nachhaltig nicht aus fairem Handel stammt.
Die Wahrheit ist: Wir können Google und Co. nicht ersetzen, weil wir uns selbst im Weg stehen, und das geregelt und lückenlos. Die Volkszählung 1987 hat sich an so wesentlichen Fragen entzündet, wie viele Klos im Treppenhaus liegen und wie viele Menschen in einer Wohngemeinschaft hausen. Daraufhin haben wir den Datenschutz perfektioniert. Der Erfolg ist durchschlagend: So wissen wir heute nicht, ob 1,5 Millionen Menschen mehr oder weniger in Deutschland wohnen; ein Datenloch, in dem alle Einwohner Münchens Platz hätten. Aber schlimmer noch als diese für viele Grundsatzentscheidungen fatale Unkenntnis ist, dass seither Datenschutz wichtiger war als Datenverarbeitung. So sitzen wir palavernd am Lagerfeuer, während mit unseren Daten jetzt andere machen, was sie wollen. Die anderen haben Google, wir bejammern den Verlust an Selbstbestimmung im Feuilleton.
Leider ist das nicht der einzige Vorgang dieser Art. Bei der Drohne diskutieren wir inbrünstig, ob der Minister was gewusst hat, was er besser hätte wissen sollen. Die Frage, ob die Bundeswehr Drohnen braucht, stellt keiner. Wir haben die Diskussion, die anderen die Drohnen. Oder Gentechnik: Gut, wir wollen keine grüne Gentechnik, also die Manipulation unseres Essens. Längst wandern die Labors und Unternehmen ab, und in Niedersachsen werden von Grün-Rot jetzt auch Schülerlabors abgeschafft, die sich mit dieser Wissenschaft beschäftigen – und mit der ungeliebten grünen erschlagen wir auch die pharmazeutische Gentechnik. Wir haben die Verbote, die anderen erfinden neue Medikamente. Die Verleugnung von Wissen aus Glaubensgründen hat seinerzeit die heilige Inquisition praktiziert. Überzeugung triumphiert über Pragmatismus. Wir regulieren Banken weiter, während Wall Street erstarkt. Wir kriegen die Börsentransaktionssteuer, die anderen Geld und Kredit.
Dafür haben wir eine einzigartige Ethikkommission, die mit viel echt gefühlter Betroffenheit und minimaler Kompetenz eine Energiewende entschieden hat, die – Überraschung! – zur größten Kapitalvernichtung nach dem Zweiten Weltkrieg führt. Wir glauben inbrünstig an die teure Energiewende, die anderen an billigen Strom.
Nun klopft ein neuer Dämon an unsere Kirchentür und begehrt mit der Forderung nach einer transatlantischen Freihandelszone Einlass – und mit ihm der teuflische Genmais und der Genreis, den die Menschen so gerne konsumieren möchten, dass man ihnen das unbedingt verbieten muss. Bekanntlich ist Gen böse. Anstelle des europäischen Films, den außer den staatlichen Filmförderbürokraten kaum jemand anschauen will, locken Hollywoodfilme. Meine Wette – die Freihandelszone kommt nicht. Auf jede Regulierung folgt notwendigerweise die Abschottung.
Schön, dass immer mehr Menschen gegen die Reglementierungswut still protestieren. Sie machen ihr eigenes Ding. Es gibt erstaunliche Unternehmungsgründungen; die Studiengänge für Entrepreneurship sind gut besucht. Wir stellen einige der faszinierendsten Gründerexperimente vor. Aber bitte sagen Sie es nicht weiter. Es könnte sein, dass sonst eine Bundeszulassungsbehörde für Unternehmensneugründungen geschaffen wird, in der Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband über die Sozialverträglichkeit von Unternehmensgründungen entscheiden.
(Erschienen auf Wiwo.de am 22.06.2013)
Konsequent wäre es. Aber nicht gut.