Heute nennt man sie „Migrationsgipfel“, weil man davon ablenken will, dass in Deutschland Gipfel nur dazu da sind, viel zu reden und keine Entscheidungen zu treffen. Früher nannte man sie „Integrationsgipfel“. Ein besonderer Fall war der 10. von bisher über einem Dutzend Integrationsgipfel am 13. Juni 2018. Zum ersten Mal blieb der Bundesinnenminister dem Schauspiel fern. Bundesinnenminister Seehofer begründete dies mit der Teilnahme der Journalistin Ferda Ataman, die in einem Artikel gewarnt hatte, Deutschland „als Heimat der Menschen, die zuerst hier waren“, zu verstehen.
Mittlerweile ist Horst Seehofer nicht mehr Innenminister, sondern Pensionär; Ferda Ataman ist Diskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung. So ändern sich die Zeiten. Die Politik nicht.
Immer wieder Gipfel ohne Lösungen
Auf den vielen Gipfeln hat Horst Seehofer viele Maßnahmen vorgeschlagen: Asylbewerber sollten in Aufnahmezentren zusammengefasst werden, um sie bei Ablehnung der Asylanträge schneller abschieben zu können. Diskutiert wurden Asylanträge an den Außengrenzen, gefordert wurde eine europäische Grenzsicherung durch die „Frontex“. Immer wieder im Gespräch: Sachleistungen statt Geldleistungen; Rückführungsabkommen und energischere Abschiebung, Integrationsverbesserung und Aufforderungen zur Integration – die sich aber selten an die Betroffenen richteten. Die Deutschen sollen sich in ihr fremd werdendes Land integrieren, nicht umgekehrt.
Nach Gipfel über Gipfel, und rund 4 Millionen sogenannter „Flüchtlinge“ später, ist nichts geschehen. Nichts. „Die Asylerstanträge haben in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 um 78,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugenommen, heißt es im Abschlusspapier.“ Aha. Das wussten wir vorher. Aber auf dem Migrationsgipfel mit den Bundesländern diese Woche beglaubigte Bundeskanzler Olaf Scholz nur die Unfähigkeit auch seiner Bundesregierung, das Thema Migration anzugehen. Was heißt Unfähigkeit? Es ist der schiere Unwille.
Herausgekommen ist ein 15-seitiges Phrasenpapier, das in den Überschriften das Scheitern der Bundesregierung dokumentiert:
Punkt 1 lautet: „Gemeinsame finanzielle Lastentragung“
Aha. Die Lasten werden nicht verringert, nicht verlagert, sie werden gemeinsam getragen. Eine Milliarde zusätzlich schüttet der Bund an die Länder und Kommunen aus, um mit der wachsenden Migration fertig zu werden. Wohnungen entstehen keine, aber die Kommunen werden in die Lage versetzt, mehr Hotels anzumieten und Flüchtlinge unterzubringen. Gebaut wird ja bekanntlich in Deutschland nicht; diskutiert wird nur darüber, Rentner aus ihren vermeintlich zu großen Wohnungen zu vertreiben, um Platz zu schaffen. Das nennt man „gemeinsame Lastentragung“. Worüber nicht gesprochen wird: Viertklässler in deutschen Schulen liegen bis zu eineinhalb Jahre hinter dem zurück, was eigentlich die Lehrpläne vorsehen. Auch eine Folge von Klassen, in denen kaum mehr Deutsch sprechende Kinder sitzen und sich gegenseitig blockieren; komplette Klassen verfehlen ihr Ziel.
Punkt 2 verspricht „Steuerung des Zugangs“
„Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren.“ Aber es folgen leider keine ernsthaft zu diskutierenden Maßnahmen. „Migrationspartnerschaften“ seien abzuschließen, heißt es da so schön, als Vereinbarungen, wie Länder sich ihrer Bevölkerung entledigen können, die dann von deutschen Sozialämtern versorgt werden müssen. Dazu gehört auch der Abschluss weiterer Migrationsabkommen „nach dem Vorbild des mit der Republik Indien im Dezember 2022 abgeschlossenen Abkommens über eine umfassende Migrations- und Mobilitätspartnerschaft. Der zum 1. Februar 2023 eingesetzte Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen wird den Abschluss weiterer Migrationsabkommen vorbereiten.“
Das kann ja heiter werden, denn diese Migrationsabkommen sind ein Schlag ins Wasser.
„Indien, das bevölkerungsmäßig größte Land der Welt, weigert sich weiterhin standhaft, seine vermutlichen Staatsbürger zurückzunehmen, die sich ohne gültige Papiere in Deutschland aufhalten“, hat erst kürzlich TE zusammengefasst.
Das noch von Merkel mit großem Getöse abgeschlossene Abkommen mit der Türkei hat zum Ergebnis, dass Deutschland illegal aus der Türkei eingewanderte „Flüchtlinge“ zurückschicken darf und dafür legal einreisende Flüchtlinge aus der Türkei übernimmt – das nennt man dann Begrenzung; das will Olaf Scholz jetzt dann auch mit Tunesien machen. Es bedeutet im Ergebnis, dass die Migration auch aus weiteren Ländern erhöht wird. Natürlich heißt es in dem dollen Papier der erfolgreichsten deutschen Regierung aller Zeiten, dass die Verteilung innerhalb Deutschlands nach dem „Königsteiner Schlüssel“ erfolgen soll; jedes Bundesland erhält Flüchtlinge nach Bevölkerungsgröße.
Das war zwar bislang auch schon der Fall, aber soll vermutlich davon ablenken, dass gar nicht mehr erst der Versuch unternommen wird, eine europaweite Lösung zu suchen. Natürlich ist viel Europa-Gerede dabei, was man alles harmonisieren wolle, die üblichen bürokratischen Regelungen werden hin und her formuliert. Dass Deutschland einfach deshalb das Ziel der Migration ist, weil hier die Leistungen am höchsten sind: kein Satz dazu. Der könnte ja Wirkung entfalten und das stoppen, was man „Asyltourismus“ nennt – ein Begriff, der im öffentlichen Sprachgebrauch verboten ist, weil er das europäische Kernproblem auf den Punkt bringt. Und Probleme benennen wollen wir lieber nicht, es könnte die Bevölkerung nur verunsichern.
Natürlich soll die europäische Grenzagentur „Frontex“ gestärkt werden; aber klar ist auch: Sie darf Asylbewerber nicht zurückweisen. Wegen immer neuer Angriffe auf Deutschland wurde der entschiedene Frontex-Chef abgelehnt und durch einen Gefälligkeitsdirektor ersetzt, der genau das verhindert, was sein Job wäre: Zurückweisung von Migranten ohne Aussicht auf Asylverfahren. Frontex darf sie nur an Bord ihrer Schiffe etwa im Mittelmeer nehmen und damit aus der illegalen Einreise eine legale machen, Frontex ist nur noch ein staatlich finanziertes Transportunternehmen zur Überwindung der EU-Außengrenzen. So macht man das, wenn man als Ziel setzt: „Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren.“ Die illegale Migration wird also in legale umformuliert, so ist das zu verstehen. Man deklariert um – Problem gelöst, für die Politik. Nicht für die Menschen.
Mein Favorit: Digitalisierung von Verfahren
Das ist mein Lieblingspunkt im langen Papier: Die Migration soll schneller bearbeitet werden mit Hilfe des Zauberworts „Digitalisierung“. Kein Wort davon, dass automatische Systeme der Identifizierung durch Spracherkennung ausgeschlossen bleiben; das wurde bereits 2017 abgeschafft. Spracherkennung, die den Ursprungsort erkennen kann und etwa kriegsbelastete Staaten von friedlichen unterscheidet und damit feststellt, ob ein Antragsteller wirklich geschützt werden muss. Dazu zählt auch die Durchleuchtung der Handys, um die Reiserouten festzustellen, die meist durch ein Drittland führen und damit keinen Asylgrund rechtfertigen: All das könnte die Persönlichkeitsrechte der Antragsteller verletzen. Es bleibt beim Merksatz, dass es nichts ausmacht, wenn Flüchtlinge sich mit falschen Angaben den Zugang zum Sozialstaat erschleichen – Hauptsache, ihr Schwindelrecht bleibt bestehen. Und so hangeln sich Ministerpräsidenten und Bundeskanzler weiter; ohne Lösung, ohne Perspektive für Einheimische wie Zuwanderer, ohne Mut und ohne Amtsehre.
Die neue Klassengesellschaft
So geht es Punkt für Punkt weiter. Alle Punkte sind seit spätestens 2016 ausführlich diskutiert und verworfen worden; das Problem der Zuwanderung steigt und steigt und steigt. Baugenehmigungen werden schneller erteilt und einfachere Baumaßnahmen erlaubt; der Bund will Grundstücke zur Verfügung stellen. Das ist bemerkenswert – für wohnungssuchende Einheimische gibt es derartige Bemühungen nicht. Sie können schauen, wo sie bleiben, wie wär’s mit einem Schlafplatz unter einer der vielen neuen Wärmepumpen? Wer sich mit der Zuwanderungspolitik beschäftigt, wird fast zwangsweise zynisch. Es geht längst nicht mehr um Asylberechtigte; sie machen nur noch eine Minderheit aus.
Es geht um eine Massenzuwanderung, die den Wohnungsmarkt überfordert, die Schulen überlastet und: wegen ihrer großen Zahl die Integrationsfähigkeit überdehnt und die Staatskassen leert. Zwei Drittel der Bezieher von Bürgergeld sind Migranten. Mittlerweile sind selbst die Zuwanderer in einer hoffnungslosen Situation: Wir kennen zwar die Bilder des syrischen Flüchtlings im Kreise seiner 3 Frauen und 20 Kinder, der seine ganze Kraft braucht, um sich dieser Großfamilie angemessen widmen zu können. Aber auch das ist eine Minderheit. Wirkliche Lebensperspektiven kann Deutschland zugewanderten Menschen aus anderen Kulturkreisen ohne Minimum an Bildung, Sprachkenntnis und sozialen Fähigkeiten längst nicht mehr bieten. Integration wird jeden Tag mehr zum Fremdwort, weil dieser lange, schwierige und komplizierte Prozess nicht mit ein paar Volkshochschulkursen zu bewältigen ist.
In Deutschland bildet sich heraus, was US-Wissenschaftler eine „Ethnic Class Society“ nennen: eine Klassengesellschaft, bei der die Zugehörigkeit nach Abstammung definiert wird. Die Deutschen und mit ihnen die Nachkommen der Generation Gastarbeiter schotten sich längst ab, machen die Tür zu, fühlen sich überfordert. Parallelgesellschaften entstehen, ausgehalten von den Sozialämtern, in denen das Ausgesperrt-Sein von Schule, Beruf und gesellschaftlicher Teilhabe vererbt wird. Auch so kann man eine Gesellschaft spalten und zerstören.
Und jetzt zur Entschuldigung bei Horst Seehofer. Er hat es versucht und ist mit seinen vernünftigen Vorhaben an Angela Merkel gescheitert. Olaf Scholz hat es nicht einmal wirklich versucht, sondern das Scheitern mit bombastischen Sprüchen kaschiert. Ein bisschen Widerspruch von Jusos und Grünen, und Olaf Scholz lässt den katastrophalen Fehlern ihren Lauf.