Das Ansehen der Banken ist noch schlechter als das der Zigarettenhersteller; die Berufs‧be‧zeichnung Banker hat jeden Glamour verloren und gilt als Schimpfwort. „Trust Meltdown“, „Kernschmelze des Vertrauens“, heißt eine Studie über das zerrüttete Ansehen der Finanzindustrie.
Es ist kein Zufall, dass zeitgleich neue, diesmal rabiate Anti-Banken-Gesetze in Washington und London formuliert werden. Jetzt geht es um Strafsteuern, Zerschlagung der Geldgiganten und Begrenzung ihrer Geschäfte. Dabei waren es doch gerade die Regierungen der USA und Großbritanniens, die durch Deregulierung und globale Expansion ihrer finanzmarktfreundlichen Rechts- und Rechnungslegungssysteme den Banken der Londoner City und der Wall Street die Hegemonie über das globale Geldsystem ermöglichten. Jetzt versuchen sie, die Geister in die Flasche zurückzudrängen, die sie selbst freigelassen haben.
Aber Politiker müssen auf den Druck der Straße reagieren; Barack Obama fürchtet um seine Gesetzgebungsmehrheit, Gordon Brown und die Labour-Partei um ihre Wiederwahl. So etwas nennt man Demokratie. Die Wähler leiden unter steigender Arbeitslosigkeit; die Menschen auf der Straße haben begriffen, dass sie vor einer unangenehmen Wahl stehen: Entweder zahlen sie mit höheren Steuern für die gigantische Staatsverschuldung nach dem Kometeneinschlag der Bankenkrise – oder mit Inflation, die ihre letzten Ersparnisse und Einkommen auffrisst. Für sie beginnt das Drama jetzt erst.
Die Banken dagegen können sich als Sieger fühlen. Schließlich schreiben sie schon wieder Gewinne und schütten ungerührt von allen öffentlichen Protesten ihre Milliarden-Boni aus. Dabei vergessen sie, dass diese sensationelle Wende im Geschäft nicht durch ihre Klugheit und Genialität bewirkt wurde – und dass sie überhaupt nur noch existieren, weil sie mit den Steuergroschen der kleinen Leute vor den Folgen ihres eigenen Versagens gerettet wurden.
Diese Selbst-Blindheit ist einzigartig und verführt auch deutsche Vertreter des leichtfertigen Geldes dazu, mit fiesen Tricks die 500.000-Euro-Höchstgrenze für ihre staatlich finanzierten Gehälter zu unterlaufen. Sie sehen nicht, dass sie auch mit diesen nur für sie bescheidenen Gehältern weit besser dastehen als praktisch alle Manager unterhalb der 30 Dax-Vorstände. Und sage keiner, dass Bankgeschäfte anspruchsvoller seien als der Betrieb eines Chemiewerks oder einer Autofabrik. Deshalb kritisiert auch Siemens-Chef Peter Löscher die Kasino-Mentalität der Banken, und Bosch will Banken wegen zu hoher Boni kündigen.
Es ist richtig, dass die jetzt in London und Washington vorgelegten Reformen nicht die Ursachen des derzeitigen Debakels anpacken: Nicht die Größe einer Bank ist für ihr Versagen verantwortlich, sondern ihr Risikomanagement. Die neuen Regulierungsvorhaben verfolgen eher ein plumpes, griffiges Ziel: Die Monster sollen an die Kette gelegt werden; es mag auch Neid dabei sein und der archaische Wunsch, die arrogante Klasse zu demütigen. Das Erpressungspotenzial der Banken soll zerstört werden.
Die Hoffnung ist, dass grobe Vorschriften solider wirken als die bestehenden hochkomplexen Regulierungen und diejenigen, die derzeit von den Notenbankchefs und Regulierungsbehörden neu entwickelt werden. Die Regierungschefs nehmen das Heft selbst in die Hand und wollen nicht, dass man jene in den Hinterzimmern an den neuen Regeln mitformulieren lässt, die die nächste Umgehung der Regeln schon mitdenken.
Die Banken in ihrer Selbstbezogenheit haben übersehen, dass ihre Krise vorbei ist, die ihrer Retter aber erst begonnen hat.
(Erschienen am 30.01.2010 auf Wiwo.de)