Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann ist der Titel einer 1974 erschienene Erzählung von Heinrich Böll. Es ist eine Abrechnung mit der Bild-Zeitung und den Medienpraktiken dieser Jahre. Böll beschreibt, wie eine bisher unbescholtene, sowohl schlichte wie harmlose Frau wegen ihrer Freundschaft zu einem Straftäter Opfer der menschenverachtenden Berichterstattung wird, besonders eines bestimmten Blattes, das er nur „ZEITUNG“ nennt. Sie wird als eiskalte, berechnende „Terroristenbraut“ verunglimpft und damit vor ihrem gesamten Umfeld bloßgestellt. Sie erhält eine Vielzahl von obszönen, hasserfüllten und beleidigenden anonymen Anrufen und Briefen. Nachdem als Folge der Ereignisse auch noch ihre bereits zuvor schwerkranke Mutter stirbt, tötet sie schließlich aus Wut und Verzweiflung den verantwortlichen Reporter.
In den Vorbemerkungen schreibt Böll: „Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.“
Nicht eine, viele Zeitungen
Die Zeiten haben sich geändert. Verfolgt man die Berichterstattung über Chemnitz, dann sind seine Bürger in der Rolle der Katharina Blum. Die Bild-Zeitung hat sich geändert, sie hat dazu nicht beigetragen. Das sei ausdrücklich erwähnt. An ihre Stelle tritt heute eine Vielzahl von Medien, allen voran die gedruckten Leitmedien sowie ARD und ZDF. Sie gefallen sich in der Rolle, die sie anderen vorwerfen, von Hetzern und Hassern, die ihre Wut ausschütten und ihre Verachtung über eine Stadt und ihre Bürger, die das nicht verdient und dazu keinen Anlass gegeben haben.
Das Urteil über Chemnitz und seine Bürger wurde gesprochen wegen eines aussagelosen Videos, das als „Menschenjagd“ oder „Hetzjagd von Menschen“ zunächst von Social Media Kanälen der ZEIT verbreitet wurde und dann von fast allen Medien und Politikern ungeprüft übernommen wurde. Die Verwirrung geht so weit, dass die zuständige Polizei keine Hetzjagden erkennen kann – aber jetzt das übergeordnete Landeskriminalamt per Hotline danach suchen muss. Chemnitz: Anders als das ferne Bundeskanzleramt hat die Polizei vor Ort keine „Hetzjagden“ gesehen. Jetzt sucht das Landeskriminalamt per Telefon-Hotline nach Gehetzten. Wetten, die werden fündig?
Zusammenrottung aus dem Kanzleramt
Vor diesem Hintergrund sollte man sich noch einmal Regierungssprecher Steffen Seibert vergegenwärtigen, der „Zusammenrottungen“ sah, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, der sich dafür vor den Karren einer linksradikalen Band spannen ließ, eine Justizministerin Katarina Barley, die Rache an den Rechten von Chemnitz zur Leitlinie rechtsstaatlichen Handeln ausgab. Aus dem fernen Afrika konstatierte die Bundeskanzlerin: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun.“
Die verständliche Wut von Bürgern über einen Mord an einem jungen Mann und den schweren Verletzungen, die weiteren Passanten zugefügt wurden – kaum der Rede wert. Kein Wort des Bedauerns aus dem Bundeskanzleramt; Kollateralschäden der illegalen Einwanderung werden in Kauf genommen.
Die Ehre der Bürger von Chemnitz ist verloren. Aber es reicht nicht, das nur zu konstatieren.
Die Raserei der „Demokraten“
Es ist nicht nur die Sensationsgier vieler Medien, die das erklärt. Warum spielen sie zusammen? Warum ist kein Anlass zu nichtig, damit die Bundesregierungen und die sogenannten Oppositonsparteien wie die Grünen da mitgrölen und so viele teilnehmen an dieser Raserei bis hin zu Rockbands und Kirchenheinis? Entschuldigt hat sich bislang keiner. Dafür erhält die Stadt Mittel aus einem „Demokratiefonds“ der Bundesregierung …
Und weil die Methode so wirksam ist, wird gleich ein ganzer Kanon von erlaubten/erwünschten und verbotenen Einstellungen mit abgeurteilt: Richtig liegt, wer die steigenden Kosten und zunehmende Umweltzerstörung der Energiewende gut findet, Null-Zinsen für eine Erfindung hält, die die Menschen endlich aus der Zins-Knechtschaft befreit und an die Suppenküchen der staatlichen Rentenversicherung führt, und der Linie der Kanzlerin in der EU-Politik, wobei beim letzteren Thema sich die Lage dadurch erschwert, dass sie keine Linie hat. Aber Zustimmung wird heute als Vorauszahlung ohne Lieferzusage verstanden.
Wer daran zweifelt, ist nicht mehr nur rechts. Seit Chemnitz ist er Nazi. Chemnitz wirkt wie ein Brandbeschleuniger, um endlich den Widerspruch in diesem Land auszubrennen. Und Nazi rechtfertigt alles.
Das schräge Bild in den Köpfen
Dafür wird jede Verzerrung in Kauf genommen: Dass der Osama-Bin-Laden-Leibwächter nach fast einem Dutzend Prozessjahren abgeschoben wird, wird zum Anschlag auf den Rechtsstaat hochgeschrieben. Dass der mutmaßliche Messer-Mörder des jungen Mannes in Chemnitz längst hätte abgeschoben werden müssen, wird nicht thematisiert. Das ist kein Staatsversagen, sondern Normalität: Bei solchen „Flüchtlingen“ wird der Rechtsstaat asymmetrisch: Alle Rechte für sie, keine gegen sie. Immerhin darf Martenstein im Tagesspiegel noch schreiben: „Auch der Chemnitzer Tatverdächtige, vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung, hätte längst abgeschoben werden müssen, wie Anis Amri und andere. Man hat den Eindruck, dass nicht dazugelernt wird. Statt dessen läuft in Politik und einigen Medien nach solchen Taten eine Beschwichtigungs- und Relativierungsroutine an, oft mit dem Tenor, dass diese Taten genauso von messerschwingenden Jungs aus Oberbayern hätten begangen werden können. Unterton: Wer diese Zustände nicht klaglos erträgt, sei rechtsradikal.“ Oder gleich „Nazi“.
Da passt es, dass der Mord von Chemnitz, wie schon in Kandel oder anderswo, umgedeutet wird: In Kandel wird ein erwachsener „Flüchtling“ nur nach dem milden Jugendstrafrecht verurteilt, in Chemnitz demnächst nur auf Totschlag erkannt – dann ist die Strafe nur so hoch, wie sie auch jenem Justizbeamten droht, der den Haftbefehl veröffentlich und die Öffentlichkeit damit über die Hintergründe informiert hat.
Aufklärung ist strafbar?
Veröffentlichung, Aufklärung und Transparenz werden zu strafbeschwerten Taten. Und Journalisten machen mit, kaum einer beklagt, dass hier einer verurteilt werden soll, der den Job der Journalisten übernommen hat. Aufklärung ist strafbar. Dafür beklagt sich weinerlich eine Reporterin des Kinderportals Buzzfeed, sie sei von Nazis „angerempelt“ worden. Das darf nicht sein, genauso wenig, wie der neue Journalismus weinerlich geworden ist und sich wundern darf, nicht mehr als neutral angesehen zu werden. Dass ein „Trauermarsch“ von AfD und Pepiga stundenlang blockiert wurde und die anschließenden Gewalttätigkeiten von den lieben Linken ausging – mühsam beschwiegen.
Aber alle machen mit beim Chemnitz-Bashing. Weil es passt. Weil ein Exempel statuiert werden kann, auch wenn es ganz anders gelaufen ist?
In Chemnitz allerdings vergeht einem das Lachen. Die Stadt und ihre Bewohner haben nicht ihre Ehre verloren. Sie wurde ihnen gestohlen.