Wie ich mich freue auf die kommenden Debatten in Berlin: Dann wird wieder diskutiert, wie und wo gespart werden soll. Schon werden die vergilbten Listen mit dem subventionspolitischen Allerlei hervorgekramt: Steuerfreiheit von Nacht- und Feiertagszuschlägen, Mehrwertsteuererhöhung, Reichensteuer, Pkw-Maut, Rentenkürzungen, höhere Beiträge zu Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Es wird ein Gefeilsche und Gezerre im Bundestag, ein lautes Geschrei in den Talkshows geben – und ein Beschäftigungsprogramm für die Berliner Edelgastronomie: Die Lobbyisten werden wieder jeden zu Beeinflussungsessen einladen, der den Eindruck zu erwecken vermag, er habe irgendwie Einfluss auf einen Hilfsbremser in einem Abgeordnetenbüro oder Ministerium. Und dann? Dann wird schon die eine oder andere Milliarde zusammengekehrt werden und die eine oder andere Steuer- und Abgabenerhöhung der noch arbeitenden Bevölkerung aufgedrückt.
An der Überschuldung Deutschlands wird sich mit solchem Klein-Klein wenig ändern. Erstmals in diesem Jahr wird voraussichtlich auf jeden Erwerbstätigen je ein Sozialleistungsempfänger kommen. Die Zahl der Lastesel schrumpft, die der Passagiere in den verschiedenen Abteilen für Rentner, Pensionäre und Hartz-IV-Empfänger steigt. Diese schleichende Erosion der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beschleunigt sich von Jahr zu Jahr, denn innerhalb der kommenden 15 Jahre wird die Zahl der Erwerbsfähigen um zehn Millionen abnehmen – nur die Zahl der Alten wächst dann noch.
Die WirtschaftsWoche hat deshalb Wissenschaftler nach wirklich großen Sparpotenzialen befragt. Das Ergebnis ist ebenso erstaunlich wie erfreulich: Es kämen rund 150 Milliarden Euro zusammen, wenn wirklich große Schnitte angesetzt würden. Deutschland könnte also seine jährliche Nettoneuverschuldung von derzeit über 80 Milliarden Euro nicht nur auf null fahren, sondern auch den Berg früher angehäufter Schulden abtragen und damit auch die Zinslast senken.
Damit könnte Deutschland wieder zukunftsfest gestaltet und die demografische Belastung wirksam abgefedert werden. Denn längst zeigt der Bundeshaushalt, wie sehr wir bereits heute für die Sünden der Vergangenheit zur Kasse gebeten werden und dadurch unsere Zukunft verspielen: Seit den Fünfzigerjahren hat sich der Anteil der Vergangenheitslasten im Bundeshaushalt von damals rund 35 auf derzeit 70 Prozent glatt verdoppelt. Statt zu investieren, verkonsumieren wir die noch vorhandene Substanz. Nur mit einem Abbau des Schuldenbergs aber könnten Zinslasten gesenkt und Zukunftsinvestitionen ermöglicht werden.
Aber die Analyse zeigt auch, dass das, was ökonomisch sinnvoll ist, politisch nicht im Ansatz durchsetzbar sein wird.
Die Beamtenpensionen sind schon deshalb so bombensicher gegen ernsthafte Kürzungen, weil auch die Altersversorgung der Politiker und Abgeordneten daran geknüpft ist. Völlig unmöglich wird die Kürzung der Solarförderung sein – für den Sonnenstrom schlägt das romantische Herz des deutschen Michels. Allerdings ist die Förderung mittlerweile doppelt so teuer wie die der Kohlesubvention zu deren schaurigem Höhepunkt – wobei der Sonnenstromanteil mit etwa einem Prozent am Stromverbrauch minimal ist und zwei Drittel der Anlagen aus China importiert werden. Ähnlich aussichtslos ist der Vorschlag, den Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Ländern beseitigen zu wollen.
Sparen droht immer auch die Nachfrage abzuwürgen und sollte daher durch Steuersenkungen abgefedert werden, ermittelte der Harvard-Ökonom Alberto Alesina. Steuersenkungen? Ökonomisch sinnvoll, aber auch undenkbar.
(Erschienen am 21.05.2010 auf Wiwo.de)