Rund 3.000 Brücken in Deutschland sind marode. Die wichtige Salzbachtalbrücke zwischen Frankfurt und Wiesbaden ist für die nächsten 10 Jahre gesperrt, die das Rheintal überspannende Schiersteinbrücke zwischen Wiesbaden und Mainz marode, die anschließenden Autobahnen in Nord-Südrichtung A61 und A1 sind ebenfalls langfristig nicht befahrbar. Regt sich jemand darüber auf? Nein, alle Brücken in Berlin in der Umgebung des Kanzleramts sind renoviert. Wen juckt dort der Rest Deutschlands?
Deutschland zerbröselt. Wie das Land, so die Partei, die CDU.
Irgendwo bei 25 Prozent wird Armin Laschet landen; das sind noch einmal rund 10 Prozentpunkte unter dem verheerenden Ergebnis, das Angela Merkel vor vier Jahren eingefahren hat.
Es ist Wahlkampf ohne Bürger
Vermutlich wird sich das Bild der CDU in den kommenden Wochen nicht erholen. Nein, die CDU bricht nicht zusammen, es gibt keinen Crash und keinen Krach. Sie zerbröselt. Den Wahlkampf hat Laschet in Frankfurt eröffnet. In einem Boxstudio. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit hat es keiner bemerkt; nicht einmal CDU-Mitglieder in Frankfurt. Es war vermutlich der leiseste Wahlkampfstart in der Geschichte der Bundesrepublik. Es ist Wahlkampf ohne Bürger.
Die CDU ist unsichtbar. Kaum Plakate in München oder Hamburg zu sehen. Aus Ostdeutschland wird gemeldet, dass sich viele Kreisverbände weigern, auch nur ein Laschet-Bild zu bestellen. Plakate sind die älteste Form der Wahlwerbung. Die SPD führt mit ihren einprägsamen Scholz-Platten vor, was man damit machen kann: Da sieht das Internet alt aus.
Die Botschaft der Plakate
Plakate sind auch aus anderem Grund ein wichtiger Indikator für Politik. Sie werden professionell von Unternehmen geklebt – und/oder von den Mitgliedern. Die CDU-Mitglieder, das zeigt die Zählbilanz unseres Autors Michael Leh entlang einer Straße in Gesundbrunnen in Berlin, kleben nicht. 76 Plakate linker Parteien zählte er, nur vier von der CDU. Nicht um die optische Wirkung allein geht es: Die tieferliegende Wahrheit ist: Armin Laschet kann seine Parteimitglieder nicht motivieren. An den Plakaten kann man dies abzählen. Es fehlen aber auch die vielen Gespräche in der Familie, am Stammtisch, im Betrieb, im Sportverein, wo früher überzeugte Mitglieder der CDU für ihre Partei argumentierten. Allen raffinierten Werbeformen zum Trotz: Das persönliche Gespräch unter Freunden und Kollegen ist das wirkungsvollste Instrument der Überzeugung. Aber offensichtlich sind die 550.000 Mitglieder der CDU verstummt. Selbst prominente CDU-Mitglieder mit einst klangvollen Ämtern und Funktionen sind verstummt, frustriert, enttäuscht, in der inneren Emigration.
Außen wirkt der gesellschaftliche Druck. Die große Kommunikationsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann hat das mit Hilfe der Schweigespirale ins Bild gesetzt: Eine Partei in der öffentlichen Defensive verstummt und gerät in die Abwärtsspirale immer weiteren Verstummens. Keiner mag sich mehr zu ihr bekennen – mangels Überzeugung, das findet in der Person statt. Nicht aus Angst auf Druck von außen.
Egal ob AfD, „Die Basis“ oder FDP, immer häufiger auch die CDU – deren Plakate werden abgerissen, verschmiert, zerstört. Es scheint einen randalierenden Konsens zu geben, dass man „rechte“ Parteien zum Verstummen prügeln darf. Die CDU hat an diesem Konzept mitgearbeitet, indem sie den Kampf gegen Rechts angefeuert hat. Jetzt gilt sie selbst als rechte Partei, die ohne Scheu vor Widerstand oder Angst vor der Polizei angegriffen werden darf. Die CDU verglimmt gerade in einem Feuer, das sie selbst entzündet hat, etwa wenn Demonstranten der linksradikalen „Extinction Rebellion“ die Zentrale des CDU-Wirtschaftsrates besetzen, blockieren und deren Mitarbeiter bedrohen. Solange dies bei der AfD geschah, schwieg die CDU in merkbar klammheimlicher Freude. Sie hat nicht erkannt, dass in einem demokratischen Rechtsstaat jeder zugelassenen Partei Schutz für ihren Wahlkampf zusteht. Diesen Konsens haben die CDU – wie auch die FDP aufgekündigt. Jetzt ernten sie die Prügel der Radikalisierung und die Einsamkeit der Ausgrenzung selbst. Unter der Regierung von Angela Merkel werden linke NGOs gepäppelt, finanziert, belobigt, ermutigt. Jetzt beißen sie auch die Hand, die sie füttert.
Brösel statt Kern
Schlimmer noch ist der innere Verfall der CDU. Nur unter dem Mikroskop sind Unterschiede zu den Grünen zu erkennen. Auch für die CDU unter Armin Laschet ist die extreme Klimapolitik offiziell wichtigstes Wahlkampfziel – nicht die Rente, die innere oder äußere Sicherheit, Wohlstand, Bildung, oder sonst ein konkretes Ziel. Alles wird einer imaginären und vorgeblich menschengemachten globalen Erwärmung untergeordnet, auf deren Verlauf Deutschland ohnehin keinen Einfluß nehmen könnte.
Bleibt die Frage, ob Laschet der richtige Kandidat ist. Derzeit wird er zum Sündenbock gemacht. Bemitleiden muss man ihn nicht – so funktioniert Politik. Aber tatsächlich ist er ebenfalls ein – wenn auch williges – Merkel-Opfer. Sie hat sich durch ihre bis in die Wolle grüngefärbte Politik von Energiewende über Einwanderung bis hin zur Auflösung deutscher Staatlichkeit in der EU bei den Zeitgeistmedien beliebt gemacht. Sie war für ARD und ZDF, aber auch von taz über SüZ bis zur FAZ die Garantin, dass auch unter einem CDU-Kanzler grüne Politik betrieben wird.
Chancen für rot-grün
Nun stehen Wahlen an und es könnte für ein grün-linkes Bündnis reichen. Deshalb wurden zunächst die Grünen hochgeschrieben. Aber nachdem Annalena Baerbocks Unfähigkeit nicht länger zu verleugnen war, schwenkt der Zeitgeistmedientross auf Olaf Scholz um. Niemand untersucht seine skandalösen Geschäfte mit CUM/EX, sein Versagen im Fall Wirecard. Das wird tabuisiert. Die linke Mehrheit muss befördert werden.
Dumm für Armin Laschet, dass die CDU die Zustimmung der Medien als Zustimmung für die CDU missverstanden hat. Nein, es war eine Duldung, solange Merkel dafür stand, das grüne Projekt zu befördern.
Laschet hat nun vorsichtige, leise Absetzgesten gesetzt. Er wollte den Lockdown nicht ganz so hart und lange wie die Corona-Paniker. Gelegentlich schmuggelt der das Wort „Industrie“ zwischen die Begriffe der Klima-Exzentriker. Das reicht als Signal. Er scheint den grünen Kurs, Corona-Zwangsmaßnahmen unmittelbar in Klima-Zwangsmaßnahmen umzusetzen, nicht bedingungslos zu folgen.
Der freundliche Herr Laschet
Armin Laschet ist ein durchaus differenzierender Politiker. Aber er ist kein Konflikt-Typ. Er ist groß geworden in der Harmonie-Sauce des rheinischen Kapitalismus; er ist kein Straßenkämpfer wie, sagen wir: Franz Josef Strauß oder auch Joschka Fischer es waren, bei aller inhaltlicher Gegensätzlichkeit. Der freundliche Herr Laschet kann einstecken, aber nicht austeilen.
Zwar hat er sich Friedrich Merz zur Seite geholt. Der sollte das Profil schärfen, die Kante zeigen. Aber man braucht den im Kern ängstlichen und sich hin- und her windenden Merz nur zu sehen und weiß: Der springt auch nicht gern ins kalte Wasser, und wenn nur mit einem goldenen Fallschirm in eine vorgewärmte Badewanne, und bitte mit goldenen Wasserhähnen, das sind ihm die Wähler schon schuldig.
So wird es auch noch einsam um die CDU. Das hält wirklich keiner aus; während die von der AfD feixend am Straßenrand stehen. Aber mit den Schmuddelkindern spielen? Der Weg ist versperrt. Und so zerbröselt die CDU, so wie ganz Deutschland in 16 Jahren Merkel langsam zerbröselt, die Straßen, die Brücken, die Verteidigung, die Institutionen, die Universitäten, die Wirtschaft.
Warum soll es ihr auch besser gehen?