Der Krach zwischen Finanzminister Christian Lindner und der grünen Familienministerin Lisa Paus ist ein Krach um viel Geld. Lindner will für sein Wachstumschancengesetz Steuererleichterungen von rund 6 Milliarden verabschieden. Paus will eine „Grundsicherung“ genannte Kinderförderung von 573 Euro, die im Zweifelsfall bis zum 27. Lebensjahr bezahlt werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat eine Zahl von 12,5 Milliarden Euro genannt.
Nun werden die politischen Schlammwerfer gegeneinander in Stellung gebracht: Lindner fördert die reiche Industrie und lässt die Kinder verkommen, so die Grünen; Lindner kontert, dass Geld, das verteilt werden solle, erst verdient werden müsse. Beide meinen Recht zu haben, das ist das Dumme. Familienförderung ist schwach ausgeprägt; allerdings die von Paus eine Mogelpackung. Und der Wirtschaft wäre mit vernünftigen, dauerhaften Rahmenbedingungen mehr geholfen. Aber dass Wirtschafts- und Sozialpolitik eine Einheit sind, wissen sie noch nicht. Nach Ludwig Erhards Überzeugung ist gute Wirtschaftspolitik die beste Sozialpolitik. Aber den legendären Bundeswirtschaftsminister, der in den Nachkriegsjahren für Wohlstand für Alle gesorgt hat, der nun vernichtet wird, kennen sie wahrscheinlich auch nicht. Nun prallen sie an die Budget-Grenze.
Unbezahlbare Staatsverschuldung als Ausweg?
Besonders dumm ist nur: Jedes der Vorhaben muss mit einer Erhöhung der Staatsverschuldung finanziert werden, also zu Lasten der Generation, die eigentlich gepampert werden soll. Bei einem historisch beliebten Brettspiel nennt man das eine Zwickmühle: Wohin immer man den Geldsack setzt, es ist verkehrt; Kinder gegen Wirtschaft – ein nur schwer zu entscheidender Konflikt. Und nun? Es ist nicht die einzige Zwickmühle, in die sich die Ampel sehenden Auges und gegen jeden Rat begeben hat. Denn Staatsverschuldung ist auch nicht umsonst zu haben, auch wenn es „nur Geld“ ist, wie Wirtschaftskenner Robert Habeck großspurig erklärt. Seit der Zinswende ist Geld teuer. Staatsverschuldung muss mühsam finanziert werden, und Investitionen auch. „Alles ist möglich“, klappt nicht mehr. Seit die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen erhöht, schlägt das mit mittleren zweistelligen Milliardenbeträgen im Bundeshaushalt durch. Der frühere Stabilitätsanker in der EZB-Zone ist gebrochen.
Scholz in der Zwickmühle von Wirtschafts- und Sozialpolitik
Da hat er Recht. Leider seine Kritiker auch. Bei einem Strompreis von 6 Cent, allein für energieintensive Unternehmen wie Stahl- oder Aluminiumwerke, werden die Kosten auf etwa 25 bis 30 Milliarden Euro beziffert, so ein Arbeitspapier von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Wird der Strom auch für Handwerker und Mittelständler verbilligt und kommen auch weniger hungrige Stromfresser in den Genuss, dann explodieren die Kosten ins Unbezahlbare. Unbezahlbar sind aber auch die Kosten der Deindustrialisierung. Die Abwanderung oder Stilllegung von Unternehmen ist die zwangsläufige Folge der derzeitigen Energiepolitik.
Derzeit gibt es keinen Weg, um das Unbezahlbare bezahlbar zu machen. Denn es geht erst richtig los: 50 Gaskraftwerke will Robert Habeck bauen lassen, um den grünen Wackelstrom zu stabilisieren – technisch, betrieblich und wirtschaftlich ein Vorhaben, das mindestens einen weiteren zweistelligen Betrag verschlingen wird. Neue Windräder sollen die Rettung bringen. Aber die windgünstigen Standorte sind längst erschlossen; und Windräder sind, da der Wind tatsächlich keine Rechnung sendet, Kapitalfresser. Was sich bei Null-Zinsen noch einigermaßen gerechnet hat, wird bei 5 Prozent Zinsen zum wirtschaftlichen Desaster und treibt die Strompreise.
Jetzt zeigt sich, dass die Energiepolitik der jetzigen Bundesregierung, die die Fehler der Vorgängerregierung nur noch verschärft hat, statt sie zu korrigieren, die Wirtschaft in Deutschland in eine Zwangslage explodierender Kosten manövriert hat, aus der es keinen Ausweg gibt – der Krieg in der Ukraine und die Folgen des Boykotts russischen Öls ist nur eine Ausrede. Die Zerstörung eines der wichtigsten Teile der Infrastruktur aus ideologischer Uneinsichtigkeit ist politisch gewollt, auch wenn es jetzt keiner gewesen sein will.
Aus dem Tiefschlaf erwacht: die Wirtschaft
Jetzt maulen sogar die Wirtschaftsvertreter. Lange hatten sie es sich bequem gemacht. „Haltung zeigen“ lautete das Erfolgsrezept, das der Billig-Discounter Penny im Extrem vorlebt: Preise verdoppeln, und aus dem Billig-Discounter einen leeren Teuer-Discounter machen, Hauptsache man gefällt einigen Funktionären, die allerdings nie und nimmer dort einkaufen. Statt Konflikte auszutragen und Positionen zu vertreten, wollten die allermeisten Unternehmer lieber Medien, Stiftungen, NGOs, Parteien und öffentlichen Einrichtungen mit immer neuen Bekenntnissen gefallen; wahlweise in Fragen von LGBTQ, Gender, Anti-Rassismus, Wokeness und nicht zuletzt auch beim Klimawandel nach Sprachregelung der herrschenden Political Correctness, selbst wenn sie die dahinterstehenden Überzeugungen gar nicht teilen.
Zu lange hatten sie Kritik Altvorderen wie dem gewesenen Linde-Chef Helmut Reitzle überlassen, der erklärt hat, die Energiepolitik von Windrädern und Strom für Alles sei weder technisch darstellbar noch bezahlbar und daher „schlichtweg Irrsinn“. Aber die Lämmer haben nicht nur beim Thema Energie und Steuern geschwiegen; ganz generell riechen sie jetzt den Schlachthof. Zu lange hatten sie versucht, ihre Betriebe als einsame Inseln im Meer des rotgrünen Irrsinns zu führen. Spätestens mit Habeck aber greift der Staat in jeden Bereich der Unternehmensführung ein; schreibt Verfahren und Produkte wie das Elektro-Auto zwingend vor und steuert mit täglich neuen Planvorgaben; mit dem jüngsten Schlag, dem Meldestellengeetz, werden sie von Iinnen ausgehöhlt.
Schneller als erwartet scheitert die Habeck’sche Planwirtschaft schon in ihrer Anlaufphase an wirtschaftlichen Realitäten und Zwängen, von denen sich die komplett wirtschaftsunerfahrenen Steuerleute keinerlei Vorstellung machen, dass es sie überhaupt geben kann und darf. Marktwirtschaft darf ja nur noch staatliche Vorgaben im Detail variieren, so Habecks wirtschaftspolitisches Credo.
Abgeschoben ins Rentner-Schließfach
Begleitet wird dieses Globalphänomen vom Sterben des Einzelhandels und der großstädtischen Einkaufsmeilen. Die staatlich gewollte und geförderte Inflation frisst die Kaufkraft der Konsumenten, da der ordinäre Angestellte, Arbeiter oder Rentner nicht wie die Mitglieder der Bundesregierung in den Genuss der Inflationsausgleichsprämie für Beamte und Regierung kommt. Die schwindende Kaufkraft macht das, was ihr Name signalisiert: Sie schrumpft die Wirtschaft.
Das verstehen die Betroffenen durchaus richtig: Eigentum ist nur noch Verfügungsmasse der grünen Wirtschafts- und Einwanderungspolitik. Der Plattenbau ist wieder Maßstab der Wohnungspolitik. Wer 40 oder 50 Jahre gearbeitet hat, wird mit einer dürftigen Rente abgespeist – und abgeschoben, um den Niemals-Beschäftigten aus der Zuwanderungsindustrie Platz zu machen. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen schickt Karl Lauterbach in die Pleite, um die wohnortnahe Versorgung zu Gunsten von fernen, aber vermeintlich preiswert zu betreibenden Großkliniken und Pflegezentren zu zerstören.
Wo ist eigentlich das Klimageld abgeblieben?
Irgendwoher muss ja das Geld kommen, auch beim drohenden Bankrott der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wenn schon nicht für Klimapolitik-Geschädigte, Rentner, Industrie – der ständig wachsende Staatsapparat, Inflationsausgleich für seine Beschäftigten, neue Flugzeuge für die Regierenden und ein ins monströse vergrößerte Kanzleramt und ähnlicher Schnickschnack müssen ja auch irgendwie finanziert werden.
Vermutlich muss man das den letzten Arbeitnehmern der verdampfenden Industrie, den ausgeplünderten Familien und den kurz gehaltenen Rentnern nur besser erklären. Die große Transformation erfordert halt auch Opfer.
Roland Tichy lädt zur Diskussion ein
Am 9. September 2023 lädt Roland Tichy zur Diskussion im Rahmen der „Bauen Kaufen Wohnen“ Messe in Dresden ein. Hier will er der Frage nachgehen, wie Bauen wieder erschwinglich werden kann, wie die Wohnmodelle der Zukunft aussehen können und ob das Modell vom Eigenheim tatsächlich überholt ist.
Auf dem Podium sind zu Gast:
- Silke Schröder, selbstständige Immobilien-Managerin
- Christian Rietschel, Vorsitzender Haus & Grund Dresden
- Dr. Fritz Söllner, Professor der Volkswirtschaftslehre TU Ilmenau
- Gunter Weißgerber (Mitglied des Bundestages, a.D.)
Tickets für die Diskussion sind hier erhältlich. Bitte beachten Sie, dass das Kontingent begrenzt ist.