Wie sehr sich in den letzten paar Monaten Deutschland verändert hat, zeigt ein Blick auf den Umgang mit AIDS. Erinnern wir uns – AIDS galt zunächst als „Schwulenseuche“, von nicht Wenigen als eine Strafe Gottes so hämisch wie heimlich bejubelt. Aber schnell wurde klar, dass es eine ernste Sache ist.
Rohstoffmangel für die Industrie wurde befürchtet, weil sie unter den Minenarbeitern im südlichen Afrika besonders wütete; manche sahen Afrika wegen der dort herrschenden promisken Sexualpraktiken unweigerlich zum Aussterben verurteilt. Die Globalisierung schien ans Ende zu geraten, nachdem ein besonders sexuell freizügig lebender und geographisch beweglicher Steward einer Luftfahrtgesellschaft das Virus weltweit verbreitet hatte. Heute wird dafür eine chinesische Höhlen-Fledermaus verantwortlich gemacht. Aber sonst alles identisch?
Lager für Infizierte?
Maßgebliche Politiker forderten die Einrichtung von Lagern für Infizierte. Damals, wie heute, in Australien existieren sie schon. Es kam anders, damals. Es ist auch das Verdienst der damaligen Gesundheitsministerin Rita Süßmuth, dass ein anderer Weg eingeschlagen wurde.
„Wir bekämpfen die Krankheit, nicht die Infizierten,“ war die zunächst durchaus umstrittene Leitlinie ihrer Politik. Später wird Süßmuth beschreiben, wie sie im damaligen Kabinett Kohl dafür unter Druck geriet. Trotzdem: Als Ministerin für Frauen, Familie und Gesundheit wandte sie sich „beim Thema Aids gegen alle Versuche der Ausgrenzung und gegen die Gefahr der Hysterie“ und „gegen unmenschliche Ausgrenzungen“, erinnert sich Süßmuth.
Das hört man heute nicht mehr. Ebenso wenig wie folgende Sätze:
„Denkt stets daran, Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, ihnen Fähigkeiten und Engagement zuzumuten und zuzutrauen. Schürt nicht Angst vor dem Gefährlichen, sondern stärkt das individuelle Selbstvertrauen und Eigenverantwortung. Aktiviert sie, erklärt immer wieder das medizinisch Komplizierte, bleibt verstehbar!“
Diese Sätze muss man zitieren, um den saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) einordnen zu können, der Ungeimpften „eine klare Botschaft sendet: Ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben“.
Tobias Hans ist nicht der einzige Politiker, der so denkt. Geimpften-Kanzler Olaf Scholz will für seine Regierung „keine roten Linien mehr“ akzeptieren, also beliebig verfassungsmäßige und rechtliche Grenzen überschreiten beim Kampf gegen Nicht-Geimpfte.
Und hier endet die historische Analogie, wird es schief wie bei allen Lehren aus der Geschichte:
Damals wollte Süßmuth die Krankheit bekämpfen, nicht die Infizierten. Heute werden Gesunde bekämpft und ausgeschlossen, nur weil sie keinen Impf-Pass besitzen. Ein Pass oder ein farbiges Bändchen wird zum Privileg; wer es nicht besitzt, darf ausgesperrt und mit einem Ausflug aus dem Wörterbuch der Entmenschlichung geziehen werden; Weihnachtsgeschenke nur noch per Internet beziehen. Ein biologisches Merkmal wie die Impfung tritt an die Stelle von Merkmalen, die früher aus der Abstammung abgeleitet wurden; wobei die Erbmerkmale unveränderlich waren, immerhin, die Impfung dagegen ein Vorgang, dem man sich unterziehen kann – und bald immer wieder muss, wenn man noch gesellschaftlich akzeptiert sein will.
Wie besiegt man ein Virus?
Damals, in Zeiten von AIDS, stellte sich schnell heraus, dass das Virus nicht zu besiegen ist und daher innerhalb einiger Jahre Medikamente entwickelt wurden, die bald Erkrankten ein weitgehend normales Leben ermöglichten.
Heute wird das Virus bekämpft, soll weggeimpft werden, ZeroCovid ist längst zur Leitlinie der Politik geworden, wobei klar ist, dass dies nicht möglich sein wird, da es immer wieder mutiert oder vom Tier auf den Menschen überspringen kann. Übrigens ist auch die Pest nicht ausgerottet – „die Pest ist heute behandelbar und hat ihren Schrecken verloren“, bilanziert beispielsweise Hendrik Streeck, der in seinem neuesten Buch jene Schrecken aneinanderreiht wie Ebola, Pest, Tuberkulose und Kinderlähmung: Schrecken, die nicht verschwunden sind, aber durch medizinische Forschung eingehegt und eines großen Teils ihrer Schrecklichkeit beraubt werden konnten.
Aber warum werden Menschen zu Feinden erklärt, warum werden Lager gefordert – diesmal für Gesunde, die nur einen Makel aufweisen: sie sind nicht geimpft? Woher kommt die Bevorzugung und Privilegierung Geimpfter, die weiterhin ansteckend sein, sowie andere anstecken können – und die Ausgrenzung Nicht-Geimpfter, denen sogar untersagt wird, ihre Gesundheit per aktuellem Test nachzuweisen? Der Kampf gegen die Kranken wurde zum Kampf gegen Gesunde, die angeblich trotzdem das Virus weitergeben. Mehr Widersinn ist schwer bis nicht nachvollziehbar, und trotzdem wird dieser Unsinn vom aktuellen Gesundheitsminister und seinen Regierungskolleginnen eifrig verbreitet. Auch Geimpfte sind Verbreiter wie Infizierte. Das ist bereits allen Beteiligten klar. Warum wird dann weiter so getan, als ob dieser Fakt schlicht nicht existiert? Wenn für sie die Testpflicht anfällt – wird da Gleiches ungleich behandelt von Staats wegen? Aber das interessiert nicht im blinden Eifer des „Kriegs“ gegen einen unsichtbaren Feind.
Die Freiheit der Entscheidung – aber nur auf Zeit
Niemand soll hier daran gehindert werden, sich so oft impfen zu lassen, wie er will. Diese Entscheidung ist eine sehr persönliche; es ist die letzte Freiheit darüber entscheiden zu dürfen, ob und welcher Behandlung man sich unterzieht. „Mein Bauch gehört mir“, dieser Machtanspruch der Frauenbewegung gilt nicht mehr – der Oberarm und alles was daran hängt, gehört ab sofort dem Staat. Aber Gesundheit ist damit nicht garantiert. Nur ein milderer Verlauf der Krankheit wird aktuell noch versprochen. Und jeder Geimpfte muss wissen, dass der Tag des Ausschlusses unerbittlich naht, wenn der Gesetzgeber, für den es keine roten Linien mehr gibt, das Verfallsdatum von derzeit 12 Monaten einfach immer weiter verkürzt, eleganterweise soll das elektronisch vor sich gehen, per Knopfdruck wird man von der einen Gruppe in die Gruppe der Bösen verstoßen. Deutschland wird zur Impf-Republik. Das ist ein spannendes logistisches Unterfangen für ein Land, das keinen vernünftigen Flughafen mehr bauen kann und dessen zentrale Verkehrsbauwerke gerade wegen drohender Einsturzgefahr der Reihe nach gesperrt werden.
Wenn also künftig alle drei Monate „geboostert“ werden muss, dann sind das bei rund 80 Millionen Menschen 320 Millionen Impfungen im Jahr. Wollen wir das wirklich, diese von einem General geleitete, sich ständige wiederholende Massen-Impfung? Durch Tierärzte, Zahnärzte und Apotheker, und weil es immer noch nicht reicht, bald auch durch Laien, nachdem sie einen kurzen Blitzlehrgang absolviert haben? Weswegen der sehr irdische und möglicherweise für manche bald unterirdische Vorgang von der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ins Religiöse überhöht wurde mit dem Satz: „Impfe Deinen Nächsten wie Dich selbst“. Greifen wir bald alle zur Nadel, jederzeit, an jedem Ort? Ist es wirklich ein gutes Rezept, wenn die FDP empfiehlt „Bedenken später“? Bedenken also unerlaubt bei einem Vorgang, der in dieser Breite so beispiellos, so sinnlos ist wie unerhört.
Damals, in Zeiten von AIDS, gelang es, eine breite gesellschaftliche Solidarisierung zu organisieren, mit Galas und Spenden und roten Schleifen, die Gemeinsamkeit statt Ausgrenzung signalisierten. Heute sollen Bändchen zur schnelleren Ausgrenzung der Nicht-Geimpften, Nicht-Geboosterten und Gesunden dienen, während möglicherweise kranke Geimpfte das Virus unkontrolliert weitergeben dürfen. Der Kampf gegen AIDS wurde zur Geburtsstunde der „Zivilgesellschaft“ verklärt, im Kampf gegen Ungeimpfte verendet sie.
Ein zerstörerischer Sturm zieht über das Land
Wie bei einem grandiosen Unwetter wurden in den letzten Monaten grundlegende gesellschaftliche Institutionen zerstört: Das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung unterworfen, wie die letzten drei skandalösen wie einstimmig getroffenen Urteile zur Zwangsfinanzierung des öffentlichen-Rundfunks an Parlamenten vorbei, zum Klimaschutz und zur Rechtfertigung praktisch jeder mit Corona gerechtfertigten Grundgesetz-Beseitigung zeigen. Der Bürger wurde schutzlos, und auch der Geimpfte genießt seine eingeschränkten Freiheiten nur bis zum nächsten, unweigerlich heranrückenden Termin.
Das Grundgesetz – Freiheit auf Zeit und Abruf? Für den, der abweicht, hält der neue Justizminister Marco Buschmann schon die Rute bereit: „Unser Rechtsstaat muss entschieden gegen Hassstraftaten vorgehen.“ Er lobt ausdrücklich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, welches die FDP vor der Wahl noch bekämpfen wollte. Hass ist eine meist negativ empfundene Emotion, ein Gefühl – aber keine Tat und vor allem: keine juristische Kategorie. Dass der neue Justizminister diesen Unterschied verwischen will, zeigt: Entschiedener, vielleicht emotional geäußerter Widerspruch soll bald als angeblicher „Hass“ auf die in ihrer Weisheit unkritisierbare Regierung bestraft und verfolgt werden können. Wenn ein Justizminister sich dermaßen äußert, ist er nicht nur eine Fehlbesetzung, sondern eine Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie. Doch das sind nur noch „rote Linien“, die Olaf Scholz auch noch überschreiten will unter allgemeinem Jubel. Corona ist eine politische Seuche. Die Krankheit befällt Menschen und die Corona-Politik der Regierenden hat darüber hinaus das Immunsystem unserer Demokratie nachhaltig geschwächt und schwer beschädigt.