Sachlich wäre eine solche Aussage korrekt, und trotzdem dürfte Ihnen der Angstschweiß ausbrechen. Kommunikation funktioniert im Kontext, im Ungesagten; paradox und ungewollt. Seit Norbert Blüm plakatierte “Die Rente ist sicher”, wissen alle: Jetzt ist die Rente unsicher.
An diese Grundregeln der Kommunikation fühlte ich mich erinnert, als ich kürzlich die Anzeige las: “Der Euro ist notwendig.” Diese Aussage wirft erst die Frage auf, die außer einigen Außenseitern noch keiner so direkt gestellt hat: Brauchen wir den Euro? Das Geld für diese Anzeige ist gut angelegt – allerdings nicht im Sinne der Auftraggeber. Noch am selben Tag wurden etwa von anderen Wirtschaftsverbänden Fragen gestellt wie: Wer profitiert denn tatsächlich von den Hilfsmilliarden für Griechenland – der Werftarbeiter in Piräus oder der U-Boot-Lieferant ThyssenKrupp in Essen, der die Anzeige unterzeichnet hat?
Damit ist die Debatte über die Existenz des Euro eröffnet – das Schlimmste, was einer Währung überhaupt passieren kann. Das Beste, was man über den Euro sagen kann, ist: Er ist wirklich erstaunlich robust, was sich darin zeigt, dass es ihn noch gibt. Denn seit 13 Monaten wird an immer fantastischeren Rettungsschirmen gebastelt, und seit 13 Monaten drücken die Bruchpiloten der Währungspolitik in ihrem Cockpit auf irgendwelche Knöpfe, fummeln am Steuerknüppel und fuhrwerken an den Pedalen. Die Folge ist, dass es nun nicht mehr nur um Hilfsmilliarden für Griechenland, Portugal, und – das Land haben wir fast vergessen – Irland geht, sondern um die Stabilität und die Existenz der Währung selbst.
Diese Debatte hat derzeit sogar positive Auswirkungen auf Deutschland. Denn in den vergangenen Jahrzehnten haben die Deutschen immer neue Milliarden ins Ausland transferiert – in die Niederlassung in Spanien, die Finca auf Mallorca, das Ferienhaus auf dem Peloponnes.
Neuerdings bleibt das Geld zu Hause und treibt die Preise für Immobilien in München, Düsseldorf, Hamburg und sogar Berlin. Auch die steigende Investitionsgüternachfrage in Deutschland ist Folge der Geldschwemme – gespeist vom billigen Geld aus der Notenpresse und aus der Kapitalflucht aus den Süd-Ländern. Mittlerweile holen Griechen der Mittelschicht nach, was seit Onassis die Reichen vorgemacht haben: Lieber heute ein Konto in Deutschland auffüllen als warten, bis sich in Athen der Euro zu einem Bündel Drachmen entwertet.
Aber vertrauensfördernd ist das nicht. Das kann man auch in den kaum beachteten Veröffentlichungen des neuen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann nachlesen. In verklausulierter Sprache kritisiert er, wie das Regelwerk der Europäischen Zentralbank aufgeweicht wurde: Von der “Monetarisierung von Staatsschulden” ist die Rede, von der Gefährdung der Geldwertstabilität, der fortschreitenden Auflösung der Grenze zwischen Finanzpolitik und Geldpolitik. Versteckt findet sich der Satz: Es sei “das Vorrecht und die Pflicht der Finanzpolitik und der nationalen Parlamente, zu entscheiden, ob sie weitere finanzielle Mittel für eine Fortsetzung des Hilfsprogramms bereitstellen”. Heißt: Der Deutsche Bundestag muss entscheiden, ob er Milliarden nach Athen überweist – der bisherige Weg über die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank fördert dagegen Inflation.
So viel Unabhängigkeit und Kritik am Regierungskurs erstaunt – stammt sie doch vom bisherigen Wirtschaftsberater der Kanzlerin; also einem Mann, den viele für einen Handlanger Merkels in der Deutschen Bundesbank hielten. Kompliment für diesen Mut – der ihm allerdings, und das erklärt die geringe Beachtung, in der Öffentlichkeit noch nicht abgekauft wird. Paulus wird noch Saulus genannt.
Dechiffriert man Weidmann, erkennt man aber auch, wie brenzlig die Lage längst ist. Und zwar nicht nur für das Euro-System, sondern wieder einmal für das Weltwährungssystem.
(Erschienen auf Wiwo.de am 25.06.2011)