Tichys Einblick
Bargeldverbot - das Scheitern der Euro-Retter

Bargeld-Verbot und Schmelz-Euro

Nein, es geht nicht um Mafia und Terroristen: Das drohende Bargeldverbot ist nur eines der Krisensymptome des Euro. Die jetzt offiziell geplanten Begrenzungen des Bargeldumlaufs sind auch ein Krisensymptom der Euro-Rettungspolitik und eine schrittweise Entwertung des Geldes.

Aktualisierte Fassung vom 17.02. –

„Niemand will eine Obergrenze einführen, wie viel Bargeld jemand besitzen darf“, sagt der Bundesfinanzminister zur aufflammenden Debatte. Bis Aschermittwoch habe er gedacht, die Debatte habe karnevalistische Züge, aber jetzt müsse er doch mal klarstellen: „Das ist eine Nonsens-Debatte in Deutschland. Punkt.“

Eine Woche nach Karneval hat die Europäische Zentralbank beschlossen, das Ende des 500-Euro-Scheins einzuläuten. Über die Obergrenze wird weiter debattiert.

Das Bargeld stirbt leise

Nein, keine Sorge, in dieser Legislaturperiode wird das Bargeld nicht verboten. Es werden nur weitere Schritte zu seiner Abschaffung unternommen; sein innerer Wert wird ausgehöhlt. Es wird schrittweise entwertet. Im § 14 des Bundesbankgesetzes heißt es noch: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Im Wesentlichen heißt das: Schulden kann man nur mit Geldscheinen bezahlen. Punkt. Diese müssen angenommen werden. Punkt. Das gibt dem Bargeld ein starke Stellung. Überweisungen, Kartenzahlungen und andere nicht-bare Formen sind nur „Ersatzhandlungen“. Sie müssen nicht angenommen werden. Niemand kann einen Gläubiger zwingen, Schecks, Überweisung, Kartenzahlung usw. usf. anzunehmen.

Rechtlich gesehen ist also die Stellung des Bargeldes sehr stark. Faktisch ist das Bargeld-Gebot schon weitgehend ausgehebelt – wegen der unbestreitbaren Vorzüge von „Giralgeld“, dem Geld, das via Bankkonto mit Schecks, Überweisung und Karten oder neuerdings per Paypal bewegt wird. Was zunächst wie eine Zukunftsvision klingt, zeichnet sich in unserem Alltag längst ab. Handwerkerrechnungen können nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn sie per Überweisung beglichen wurden. Im öffentlichen Nahverkehr einzelner Großstädte erhält einen Rabatt, wer auf Bargeld verzichtet.

Aber auch der Staat selbst hat vielfach das Bargeld schon abgeschafft: Versuchen Sie mal, ihre Steuern bar zu bezahlen. Es gibt keine „Finanzamtskassen“ mehr, bei denen Sie mit Scheinen Ihre Lohnsteuer begleichen könnten. Dieser Prozess wird nur beschleunigt, wenn 500-€-Scheine abgeschafft und Bar-Zahlungen gedeckelt werden. Alles das haben wir bereits vor einem Jahr beschrieben. Warum werden jetzt Mafia und Islamisten beschworen, um die nächsten Schritte zu tun?

Wenn das stimmt  wäre Griechenland das Land der Betrüger und der Mafia – in keinem anderen Land ist so viel Bargeld unterwegs. Nun sind die Griechen keinesfalls alle  Mafiosi. Die Entwicklung  zeigt vielmehr: Beim derzeitigen Feldzug gegen das Bargeld geht es um die elementare Krise des Euro und das wachsende Misstrauen der Bürger in die gemeinsame europäische Währung.

Euro-Krise und Bargeld

Bekanntlich pumpt die Europäische Zentralbank 1,4 Billionen Euro in den Geldkreislauf, um die Wirtschaft im lahmenden Europa anzukurbeln. Über ein eher zufällig offenbartes Geheimprogramm packen auf den ohnehin schon unglaublichen Betrag die nationalen Zentralbanken Frankreichs und Italiens noch einmal 500 Milliarden drauf, wie kürzlich aufgedeckt wurde. Das zeigt: Die Krise in Frankreich und Italien ist weit tiefer, als das in Deutschland wahrgenommen wird. Das Wirtschaftswachstum muß um jeden Preis angekurbelt werden, koste es, was es wolle.

Das Dumme an der Nummer ist: Das Kaninchen bleibt hartnäckig im Hut. Das Wachstum will und will nicht kommen. Das zeigt die etwas komplizierte „Euro Area Bank Interest Rate Statistik“ der EZB, die hier herangezogen wird. Wachstum fände statt, wenn zusätzliche Kredite an Unternehmen vergeben werden, die damit Investitionen finanzieren und Arbeitsplätze schaffen. Das Anleihe-Kaufprogramm begann im März 2015. Im Dezember davor, also im Dezember 2014, lag die Kreditvergabe der Banken um 3 Milliarden HÖHER als im Dezember 2015.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Jeden Monat kauft die EZB für 60 Milliarden Anleihen, um die Zinsen zu drücken und Geld in die Märkte zu drücken – aber es kommt nicht bei den Kreditsachbearbeitern an. Die Kunden brauchen keinen zusätzlichen Kredit. Für sie ist nicht der Zinssatz die entscheidende Größe. Sie investieren nicht, weil die Nachfrage nach ihren Produkten fehlt. Stark, sehr stark vereinfacht: Zu wenige Menschen kaufen VWs aus Wolfsburg oder Olivenöl aus Griechenland, so dass weder VW noch griechische Bauern in höhere Produktion investieren.

Der EZB geht es jetzt um die nächste Stufe ihrer geldpolitischen Zwangsmaßnahmen: Die Negativ-Zinsen. Die Rechnung ist ja einfach: Wenn wir alle auf unsere Sparvermögen negative Zinsen bezahlen, dann werden wird flott kaufen. Lieber Nonsens kaufen, als zuschauen, wie das Geld verreckt. Es wird ja eh immer weniger wert.

Negativ-Zinsen für Alle

Vorbild der Geldpolitik ist der Bankensektor: Schon heute zahlen Banken für ihre Guthaben bei der Europäischen Zentralbank negativen Zinsen. Das Geld der Banken (in der Regel die vorübergehenden Überschüsse von Industrieunternehmen und Handelskonzernen) schrumpft über Nacht. Es wird entwertet. Diese Überschüsse sind übrigens unvermeidlich. Große Geschäfte enden immer mit großen Liquditätsüberschüssen, die kurzfristig geparkt werden müssen so wie unsereiner sein Gehalt zunächst auf dem Dispo-Konto stehen läßt und es langsam abbaut. Diese Beträge könnten Banken sich auch gegenseitig über Nacht zuschieben, um das Risiko zu vermeiden. Aber die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr über den Weg. Stellen wir uns vor, die Commerzbank hat abends einen Überschuss von, sagen wir, 10 Milliarden. Sie könnte ihn beim Nachbarn Deutsche Bank anlegen, kurzfristig. Sagte ich „Deutsche Bank“? OK. Aber auch die Zentralbanken etwa der Sparkassen oder der Genossenschaften würden dankbar ablehnen. Sie können mit diesem Betrag nichts sinnvolles anfangen. Also landet er bei der EZB. Die kassiert schon jetzt Straf-Zinsen von 0,3%.

Wer der Commerzbank Geld bringt, bringt sie dem Tode näher. Aber wer will das schon?

Die Commerzbank führt daher jetzt „Gebühren“ für über 100.000 mittelständische Unternehmen ein, die dort Geld auf ihrem Dispo-Konto haben. Es ist eine Abschreckungspolitik. Die Welt hat sich verkehrt. Früher wollten die Banken unser Geld. Jetzt würden sie darüber buchstäblich in die rote Grütze fahren. Wer Geld mitbringt, wird daher bestraft. Straf-Gebühren statt Zinsen – das ist die Politik der Europäischen Zentralbank zur Wachstumsankurbelung in F, I, GR. Und klar ist: Diese Politik soll auf immer mehr Unternehmen und Menschen ausgeweitet werden. Waren es zunächst die Großen, sind es jetzt schon Mittelständler. Und die verzweifelte Lage zwingt vermutlich die EZB auf den Weg, auch Sie und mich in ihre Politik des Irrsinns einzubeziehen, und das heißt: Negativ-Zinsen für ALLE.

Die Flucht der Banken

Das ist aber nicht so einfach. Bekanntlich sind Banken und Unternehmer fixe Kerle. Sie versuchen sich dem Schmelz-Euro zu entziehen. Der Ausweg: Die Banken und Unternehmen legen sich wieder Geld in den Tresor, in 500er-Scheinen.

Bingo! Das ist der Grund, warum er abgeschafft werden soll. Nicht wegen der Terroristen. Nicht wegen ISIS: Wegen der Banken. Ihre Kosten der Bargeldhaltung sollen erhöht werden. Denn natürlich ist es noch teurer, die Summen, um die es hier geht, in 200-Euro-Scheinen zu bunkern. Hans Werner Sinn hat das kürzlich in der FAZ vorgerechnet:

„Wenn die Banken nun gezwungen werden, statt der 500-Euro-Scheine die etwas kleineren 200-Euro-Scheine zu halten, steigen die Tresorkosten etwa auf das Zweieinhalbfache. Unter der Annahme, dass der genannte Strafzins von 0,3 Prozent, den die Banken auf ihre Einlagen bei der Notenbank zahlen, bereits durch die Tresorkosten limitiert wurde, könnte die EZB diesen Strafzins nach der Abschaffung der 500-Euro-Scheine rechnerisch auf das Zweieinhalbfache, also auf 0,75 Prozent erhöhen.“

Nur mit der Abschaffung von größeren Scheinen ist die Politik der Negativ-Zinsen durchsetzbar und auf uns alle übertragbar. Deshalb drängt Frankreich jetzt sofort auf die neuen Geld-weg-Gesetze für Deutschland.

Entwertung des Geldes

Unser Geld wird immer weniger wert. Nein, ich rede nicht von der Inflation, der Kaufkraft. Noch nicht. Es ist viel schlimmer. Ich rede davon, dass die Freiheit unserer Verfügung darüber zunehmend eingeschränkt werden soll.

Viele denken: Nicht so schlimm. Ich habe noch nie einen 500-Euro-Schein im Geldbeutel gehabt. Und wer zahlt noch ein Auto in bar im Jahrhundert der Kreditkarte?

Aber Tatsache ist: Wenn Geld erst auf dem Konto liegt, kann nicht mehr frei darüber verfügt werden. Bank und Regierung entscheiden dann, wieviel noch ausbezahlt wird.

Beispiel? Griechenland im vergangenen Sommer. Monatelang waren nur noch 50 Euro am Tag aus dem Geldautomaten erlaubt, dann kam nur noch ein leises Summen, aber kein Geld. Auch alle Überweisungen wurden untersagt. Da kannst du 1.000, 10.000 oder eine Million haben – du verhungerst am langen Arm, weil die Regierung entscheidet, ob du dein Geld benutzen darfst.

 

Beispiel Zypern vor zwei Jahren: Wer mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hatte – zahlt Strafsteuer. 20 Prozent. Einfach so. Das sind bittere Erfahrungen.

Die Griechen reagierten nach der Krise auf ihre Weise:  So erhöhte sich die Bargeldsumme  von ursprünglich 30 auf über 50 Milliarden € – und  der größte Teil davon in 500-€-Scheinen. Die Flucht in den 500er  folgt der Angst, irgendwann nicht mehr über das Konto verfügen zu könne – oder wie in Zypern mit Strafsteuern belegt zu werden. Diese Botschaft ist in Frankfurt bei der EZB angekommen – nicht aber bei den deutschen Bürgern. Viele haben die innere Entwertung des Geldes nicht auf dem Radar.

„Bank-Geld“ ist eben weniger wert als Bar-Geld. Weil die Entscheidung darüber, ob man überhaupt darüber verfügen kann, verlagert wird: auf den Staat. Das ist der Traum der sozialistischen Wirtschaftspolitik in Europa, der eigentlich nur Deutschland und Großbritannien entgegenstehen, nie aber Frankreich und Italien: Die Steuerung unseres Ausgabeverhaltens. Und zwar möglichst präzise.

Der große Datenklau

Klar ist: Derzeit geht es „nur“ darum, uns irgendwie zum konsumieren zu treiben. Aber wenn wir das Falsche kaufen? Computer und Smartphones aus Korea und Taiwan statt Ziegenkäse aus Griechenland? Wenn die Wirtschaft trotz all dieser Bemühungen einfach nicht anspringen will? Dann kann man auch in Details gehen. Ihre Überweisung für „unerwünschte“, beispielsweise „unökologischen Produkte“ werden einfach nicht mehr ausgeführt. Wir retten die Welt! So einfach ist das. Wer falsch kauft, wird nicht bestraft – der Kauf wird verhindert.

Man ahnt, warum das Bargeldverbot für die SPD so attraktiv ist und warum sie es aktiv betreibt – und die Grünen nicht opponieren. Freiheit ist kein Wert, gewünscht wird Lenkbarkeit. Der Konsument ist ein Sünder, der von der weisen Hand gelenkt werden muss, dahin, wo die grünen Genossen es wollen.

Noch spielen sie den unschuldigen. Beispielsweise Heiko Maas, der vor der Folge von „Fitness-Trackern“ warnt. Da machen sie auf Datenschutz. Und bereiten den größten Datenklau der Geschichte vor. Denn Konto-Bewegungen sind die größte Datensammlung. Was ist schon ein Cookie auf dem PC gegen den Einblick auf Ihr Konto, ihre Lebensgewohnheiten, ihre Vorlieben und Ausgaben.

Das Scheitern des Euro: die neue Bankenkrise

Aber dahinter steht etwas anderes: Der Euro als Währung ist grandios gescheitert, man mag es drehen, wie man will. Das Bargeldverbot ist nur ein Krisensymptom. Die derzeitige Krise der Banken, die neue Finanzkrise, ein weiteres. Diesmal sind nicht die Banken die bösen Buben.

Banken aber leben davon, dass sie Sparern Zinsen bezahlen und von Kreditnehmern höhere Zinsen kassieren. Diese Zinsmarge geht bei Null- oder Negativzinsen logischerweise gegen Null. Banken können nicht mehr verdienen.

Das verschärft etwa die Krise der Deutschen Bank, die auch andere, selbst gemachte Ursachen hat. Aber in der neo-sozialistischen Euro-Welt hat sie gar keine Chance mehr, ein vernünftiges Geschäft aufzubauen. Beispiel ist die von der Deutschen Bank teuer erworbene Postbank: Deren Geschäftsmodell ist, bei Rentnern und Kleinverdienern die Spargroschen einzusammeln und diese Beträge weiterzuverleihen an Banken, die Kredite an Unternehmen vergeben. Das ist kein Geschäft mehr – das ist der sichere Weg in den Ruin, denn niemand wird der Postbank noch Zinsen bezahlen. Ihr Geschäftsbetrieb ist defizitär, ihr Geschäftsmodell ruiniert – das vieler Sparkassen übrigens auch. Überleben werden nur Investmentbanken, die die deutsche Politik so hasst. Spekulation geht immer – simples Kreditgeschäft ist tot.

Die bisherige Rettungspolitik des Euro hat seine Probleme nicht gelöst, sondern vielfach verschlimmert. Jetzt kommen die Folgen in Form von schleichendem Bargeldverbot, damit Konsumenten-Steuerung, Entzug der Verfügungsmacht über Geld und einer neuen Finanzkrise wieder an den Tag.

Wie gut, dass wir die Flüchtlingskrise haben. Da redet keiner mehr über Geld.

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