Im Weihnachtsgeschäft, so lange ist das noch gar nicht her, sollen die Zahlungen mit Geld- und Kreditkarten um 13 Prozent zugenommen haben. Sogar ganz kleine Einkäufe werden zunehmend per Plastik-Karte abgewickelt, was jeder leidvoll bestätigen kann, der im Supermarkt schon einmal hinter einem dieser ZweiEurofuffzig-Kartenzahler anstehen musste. Bald werden wir sicherlich auch mit aktuellen Zahlen konfrontiert, wonach auch der Osterhase Karte akzeptiert – gegen eine ganz kleine Gebühr, versteht sich. Die vielen Formen von Kredit- und Geldkarten haben ein große Lobby: Banken, Hersteller von Lese-Geräten, Karten-Ausgeber. Am Kartengeld gibt es viel zu verdienen. Das Bargeld hat keine organisierte Lobby. Da kommen nur selten andere Zahlen zu Tage – wie kürzlich von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, das ist die Bank der Zentralbanken.
Nach deren Beobachtung nimmt der Bargeld-Umlauf zu, zeitgleich mit den Kartenzahlungen übrigens. So ist neben dem 13-Prozent-Zuwachs des Plastikgeldes auf der Bargeldumlauf im vergangenen Jahr um 9 Prozent gestiegen. Auch die Bundesbank kennt eine vergleichbare Entwicklung: Zwischen Ende 2009 und Ende 2017 ist die Summer der neu von ihr ausgegebenen Banknoten von 348 auf 635 Milliarden gestiegen. Ein Teil der Scheine fließt in Länder außerhalb des Euro-Raums. Aber auch in Deutschland wuchs die Nachfrage um rund 20 Prozent. Dabei ist insbesondere der Bedarf an großen Banknoten gestiegen.
Es liest sich wie eine langweilige Statistik. Und doch steckt eine aufregende Entwicklung dahinter: Viele Kunden bezahlen mit Karte kleine Beträge, weil sie es praktischer finden. Das Bargeld wird dagegen zur Wertaufbewahrung wichtiger. Viele misstrauen den Banken – Geld unter der Matratze erscheint ihnen sicherer. Zinsen gibt es ohnehin praktisch keine mehr: Weil man auf Zinserträge nicht mehr verzichten muss, kostet Bargeld also nichts mehr. Und Bargeld entzieht sich der Kontrolle durch Staat und Banken. Auch das wird immer wichtiger – Bargeld schützt davor, dass man in seinem Verhalten komplett durchsichtig wird. Man sichert seine Daten nicht nur vor Facebook&Co., sondern auch vor Behörden. Das ist längst kein krimineller Akt, sondern gelebte Freiheit, eine stille Demonstration gegen den totalen Überwachungsstaat.
Dafür spricht, dass insbesondere große Scheine nachgefragt werden – Scheine, die für das Bezahlen an der Supermarktkasse nicht geeignet sind. 100.000 Euro in 10-Euro-Scheinen ergeben einen Stapel von 1 Meter Höhe oder ein Volumen von 8,5 Liter – ein kleiner Rucksack, und das nur bei nagelnagelneuen Scheinen, die noch nicht verknittert sind. Bei 500-Euro-Scheinen wäre der Stapel nur 2 Zentimeter hoch und braucht weniger als ein viertel Liter Volumen; das geht also mit der Brieftasche. Oder als Doppel-Schokoladentafel getarnt. (In der Schweiz gibt es noch den 1000-Franken-Schein, die weltweit werthaltigste Banknote, da reicht die Tafel Toblerone.)
Der GroKo verdanken wir ein Gesetz, wonach Zahlungen ab einer Höhe von 10.000 Euro nicht mehr anonym möglich sind, sondern die Vorlage des Personalausweises verlangt. Damit soll Geldwäsche und – darunter machen sie es nicht – die Terrorismusfinanzierung bekämpft werden. Der Bürger ist generell des Terrorismus verdächtig, wenn er etwas Geld besitzt. Dafür hat er sich auszuweisen und zu rechtfertigen.
Politiker behaupten, nur Kriminelle würden Bargeld für ihre krummen Geschäfte einsetzen. Deshalb wird der 500-Euro-Schein nicht mehr gedruckt und zunehmend zur begehrten Rarität. Auch andere Grenzen sollen eingeführt werden – Bargeld soll nur zu einer Höchstgrenze als Zahlungsmittel erlaubt sein. Die EU diskutiert sogar ein generelles Verbot, Bargeschäfte in Höhe von mehr als 5.000 Euro zu tätigen.
Nun ist die Kriminalität aber nicht so schnell gestiegen wie der Bargeldumlauf. Nein, es sind die stinknormalen Bürger, die ihre Privatsphäre und ihr Geld vor Staat und Zentralbankpolitik schützen wollen. Sie nutzen es als Geldanlage und zum Sparen. Das ist eigentlich ganz normal. Oder sollte es sein. Andersherum wird ein Schuh daraus: Weil die Bürger sich so dem totalen Geldstaat entziehen wollen, wird das Bargeld bekämpft. Denn ohne Bargeld und der damit verbundenen Autonomie würden die Bürger endlich zu pawlowschen Hunden der Geldpolitik: Wenn erst Negativ-Zinsen am Bankkonto knabbern, würden sie schnell ihr Vermögen in die Konjunktur pumpen, hoffen Geld- und Wirtschaftspolitiker. Aus Bürgern, die ihre eigenen Entscheidungen über Sparen und Konsum treffen, wären endgültig Mündel der Wirtschaftspolitik geworden, deren Vermögen mit einer Zinsentscheidung gestrichen werden kann.
Deshalb lacht Bargeld. Solange es das noch gibt.