In diesen Tagen ist hübsch zu beobachten, wie Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, husch, husch unter den Rock anderer Leute kriecht und dabei auch noch deren Taschen durchwühlt – nicht etwa auf der Suche nach ein paar Münzen für Schnaps und Zigaretten, sondern beim Grapschen nach den wirklich großen Scheinen: Wegen der Finanzkrise müsse der Staat eingreifen und die Banken retten, fordert jetzt Ackermann. Knapp zwei Wochen zuvor hatte sich das aus seinem Mund noch anders angehört: „Das Finanz- und Bankensystem ist stabil“, nur wenige Banken hätten Verlust gemacht. Erst im September hatte er sich über Banker lustig gemacht, die zu spät aus dem Spiel mit US-Krediten ausgestiegen waren, vom „begrenzten Ausmaß“ der Krise fabuliert und den Selbstheilungskräften des Marktes.
Seither hat der deutsche Steuerzahler über die Staatsbank KfW rund sieben Milliarden Euro in die Pleite-Bank IKB gesteckt, um deren Verluste aus Papieren auszugleichen, die dieser Bank vorher auch von Ackermanns Deutscher Bank verkauft worden waren. Rund 20 Milliarden Euro Steuergelder werden für die öffentlichen Landesbanken fällig.
Die Krise des Finanzmarktes trifft uns dreifach: als Steuerzahler, weil wir irgendwann ausgleichen müssen, was die Banken verzocken; als Unternehmer und Arbeitnehmer, weil in- folge der Finanzkrise die gesamte Weltwirtschaft abkühlt und damit Arbeitsplätze und Wohlstand vernichtet werden, als Sparer, weil die Aktienmärkte in den Keller rauschen. Nur die Banken trifft es nicht. Die haben längst in ihr Geschäftskalkül einbezogen, dass sie nicht pleitegehen können – weil dann die gesamte Wirtschaft in den Abgrund gerissen würde. Sie predigen von der freien Marktwirtschaft, worunter sie im Zweifel ihre Gehälter und Boni verstehen, und lassen sich vom Steuerzahler retten, wenn sie sich verspekuliert haben.
Keine Naturgewalt hat diese Finanzkrise ausgelöst, sondern beschämendes Versagen in den Vorstandsetagen. Die Bundesbank, aber auch der IWF und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben die Krise prognostiziert. Die Herren Bankvorstände aber haben sehenden Auges zu viel Kredit an absehbar insolvente Gläubiger gegeben, sie haben Papiere gekauft, die sie nicht verstanden und/oder geprüft haben, und sie haben dies mit fiesen Bilanzierungstricks getarnt, um die Stopp-Schilder überfahren zu können, die das Risiko begrenzen sollten.
Bemerkenswert ist, dass Ackermann noch kürzlich eine Begrenzung dieser Kreditvergabe mit der Begründung abgelehnt hat, dies „würde das Wachstum des Kreditgeschäfts verlangsamen und damit die ganze Volkswirtschaft beeinträchtigen“. Gekommen ist es genau andersherum – die organisierte Verantwortungslosigkeit, denn eine solche ist die zu geringe Eigenkapitalunterlegung, hat die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben.
Schlimmer noch als diese wirtschaftliche Krise könnte uns eine dadurch ausgelöste wirkliche Systemkrise treffen: Es geht nicht nur um die PR-Krise der Banken – es geht in Deutschland längst um eine Krise unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Hier wird die Marktwirtschaft ad absurdum gemanagt, die Glaubwürdigkeit zerstört. Den Schaden haben Arbeitnehmer und jene Unternehmer, die noch auf eigene Verantwortung wirtschaften: Die kommende Kreditverknappung könnte jene treffen, die dafür noch selbst haften, weil sie nicht unter den Rock des Staates kriechen können. Den Rattenfängern von links und bald von rechts wird so der Weg geebnet.
(Erschienen auf Wiwo.de)