SPD/Grüne haben ein Perpetuum mobile der Armut konstruiert, das Wahlkampfmunition liefert. Es geht um Erregung – nicht um Arme.
Das Perpetuum mobile ist eine Wundermaschine, die läuft und läuft und keine Energie verbraucht. Der Politik ist es gelungen, ein solches Perpetuum mobile zu konstruieren. Es produziert statistische Armut, ohne dass es Arme gibt. Das Maschinchen heißt “Armuts- und Reichtumsbericht”, den die rot-grüne Koalition erfunden hat, und geht so: Arm ist nicht, wer hungert und friert, keine Schule besuchen kann, das Krankenhaus nur von außen kennt. Arm ist, wer nur 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient. Der Armutsbericht produziert Armut selbst: Denn selbst wenn ein gütiger Gott unser aller Einkommen morgen verdoppeln würde, blieben die Zahl und der Anteil der Armen gleich. Das Schlimmste, was passieren kann: Der reichste Mann der Welt, Carlos Slim Helú, verlegt seinen Wohnsitz nach Berlin, oder 50 chinesische Milliardäre kaufen sich Burgen am Rhein. Dann steigt das Durchschnittseinkommen – und statistisch gelten mehr Menschen als arm, auch wenn sie keinen Cent weniger haben, vielleicht die Steuern der Reichen sogar höhere Sozialleistungen ermöglichen. Wie reich wir auch werden, das Perpetuum mobile der Armut rechnet uns gnadenlos arm – und die künstliche Armut wird als moralische Waffe gegen alle jene eingesetzt, die sich gegen noch mehr Umverteilung zur Wehr setzen. Zur Absicherung wurde gleich ein zweiter Kampfbegriff erfunden: Armutsgefährdung. Gefährdet ist jeder, der sich auch nur in der Nähe der willkürlichen Armutsgrenze bewegt, also etwas weniger als das Durchschnittseinkommen verdient. Der gesunde Menschenverstand sagt dazu: etwas knapp – aber geht doch. Deshalb sind die allermeisten Deutschen mit ihrer Lage ganz zufrieden. Denn sie wissen nicht, was nur die Statistik weiß: Sie sind arm.
Nun ist noch jedem der Erfinder kurz vor dem Ziel eines Perpetuum mobiles etwas dazwischengekommen. Das gilt auch für die automatische Armut. Was stört, sind 2,6 Millionen neue Jobs seit 2005, steigende Löhne – den Menschen geht es besser! Sicherlich bleibt manches zu beklagen, viele Löhne reichen nicht zum Leben. Aber Armut und Ungleichheit schrumpfen, trotz aller Statistiktricks. Gut, dass es Katrin Göring-Eckardt gibt, Spitzenkandidatin der Grünen. Arm ist nicht, wer nichts hat, sondern wer nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann – ist ihr so eingefallen. Diese fabrizierte Armut lässt das Perpetuum mobile wieder lustig sausen. Alle sind plötzlich arm – ich auch. Vor lauter Schreiberei war ich schon Jahre nicht mehr im Theater oder in der Oper. Das Perpetuum mobile kommt in Schwung. Nur manchmal treten noch Störungen auf. Etwa die massenhafte Armutszuwanderung. Wenn 100.000 pro Jahr aus Rumänien kommen und von Sozialleistungen leben, sinkt das Durchschnittseinkommen, der Anteil der Armen sinkt. Aber es steigt die Zahl der Stützeempfänger, die tatsächlich wenig haben. Oh wie wunderbar! Deutschland ist wieder als Hölle des Kapitalismus entlarvt – intoniert das Perpetuum mobile den Wahlkampfsingsang der großen, friedensstiftenden Umverteilung.
Aber schon wieder droht Gefahr, diesmal durch Fleiß: Diese Zuwanderer, denen ihr schreiendes Armutsschicksal in Deutschland so begehrenswert erscheint, dass sie zu ihm hinlaufen: Was ist, wenn sie doch Arbeit finden und wenn es nur für eine Handvoll Euro ist? Man sieht förmlich die Schweißtropfen auf der Denkerstirn des Verelendungspropheten Sigmar Gabriel. Schon wieder sinkt die Armut! Dabei liegt die Lösung so nahe: Mindestlöhne – denn Arbeitsplätze für 8,50 Euro für Menschen ohne Schulabschluss, Berufsausbildung und Deutschkenntnisse – die kann es nicht geben. Mindestlöhne zementieren ihre Arbeitslosigkeit – und schafft dauerhaft Beschäftigung für Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband – die Großkonzerne der Armutsbetreuung.
Das politische Perpetuum mobile der Armut – das können wir. Koste es an Wohlstand, was immer es wolle.
(Erschienen auf Wiwo.de am 16.03.2013)