Tichys Einblick
Eine neue Initiative startet Kampagne zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

ARD und ZDF privatisieren

Historisch gewachsen, aber im Internetzeitalter obsolet: Zwangsgebühren für Hörfunk- und Fernsehen

2,7 Mio. € Gebührengelder dafür, dass Thomas Gottschalk NICHT sendet – das ist der jüngste Fall eines skandalösen Umgangs mit der Haushaltsabgabe. Unfassbar findet das Deutschlands größter Filmverband, die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok). Deren Vorsitzender Thomas Frickel sieht sogar einen möglichen Untreue-Tatbestand gegen die ARD-Entscheider: „Wurde dieser Fall von Leistung ohne Gegenleistung jemals rechtlich überprüft?“ Wie geht es weiter mit ARD und ZDF? Diese Frage steht im Raum, seit sich immer mehr Bürger und Unternehmen über die Haushaltsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ärgern. Der renommierte Ökonom Prof. Justus Haucap, Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomik in Düsseldorf und von 2008 bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission, hat im Auftrag von „Prometheus – Das Freiheitstinstitut“ ein Gutachten verfasst, das die Abschaffung des Rundfunkbeitrags und die Privatisierung von ARD und ZDF vorschlägt. Das Gutachten ist Kernbestandteil einer Kampagne, die Prometheus heute unter dem Motto „Zwangsbeitrag? Nein Danke“ startet.




Extrem teuer

Fast jeder deutsche Haushalt ist gezwungen, monatlich 17,50 € für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu bezahlen. Das sind 210,00 € im Jahr. Auch viele Unternehmen sind seit der Neuordnung des Rundfunkbeitrags im Januar 2013 durch die Neuregelung massiv betroffen. Die Namen Sixt und Rossmann stehen stellvertretend für viele große und kleine Unternehmen. Die Neuordnung hat, wie die FAZ kürzlich berichtete, zu massiven Mehreinnahmen geführt, so dass die Öffentlichen in Deutschland der in absoluten Zahlen teuerste Rundfunk der Welt sind. Mit Einnahmen von über 7,3 Milliarden im Jahr 2012 war er das bereits vor der Einführung des pauschalen Beitrags. Inzwischen liegen die Zahlen für 2014 vor – das Aufkommen ist um eine weitere Milliarde auf über 8,3 Milliarden gestiegen.

Bezahlt werden davon unter anderem 23 Fernsehkanäle und 63 Radiosender. Das ist, so Haucap und seine beiden Mit-Gutachterinnen, angesichts der wachsenden Zahl von privaten Angeboten nicht zu rechtfertigen. Am anschaulichsten wird das sichtbar an dem rasanten Wachstum von Online-Angeboten wie Netflix oder Amazon Instant Video. Aber auch die Zahl regionaler und lokaler Privatsender steigt mit den technischen Möglichkeiten. Online-Angebote und die etwa 400 Fernsehsender, die es inzwischen in Deutschland gibt, sorgen für ein hohes Maß an Vielfalt – im Bereich der Information und Meinungsbildung wie in dem der Unterhaltung. Das beständig steigende Durchschnittsalter der Zuschauer (schon 2011 lag es bei 60 Jahren) zeigt, dass das Konzept des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überholt ist.

Neue Möglichkeiten akzeptieren

Das Gutachten „Eine liberale Rundfunkordnung für die Zukunft“ schlägt vor, diesen veränderten Realitäten Rechnung zu tragen und das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auslaufen zu lassen. Der Rundfunkbeitrag soll abgeschafft und ARD und ZDF sollen privatisiert werden. Die Erträge aus der Privatisierung sollen in einem Fonds angelegt werden, aus dessen Erträgen Programme und Sendungen finanziell unterstützt werden, die von besonderem öffentlichen Interesse oder besonders förderungswürdig sind.Das ist ein sehr weitgehender Vorschlag, der die Rundfunklandschaft auf den Kopf stellen würde. Erstmals würde damit die Herstellung von wertvollen Programmen direkt gefördert, nicht „Anstalten“, die sich als Verwaltungen verstehen.

Das Gutachten soll den akademischen und vor allem den politischen Diskurs anregen und als umsetzbarer Alternativvorschlag dienen. Gleichzeitig wird Prometheus mit einer Unterschriftenaktion und einer Kampagne in den sozialen Medien den Druck auf die politischen Entscheidungsträger erhöhen. Heute geht es los!

Kritik auch von anderen Wissenschaftlern

Der neue Vorstoß reiht sich zu anderen, durchweg prominenten Kritikern. So hat um den Jahreswechsel ausgerechnet der Wissenschaftliche Beirat des Ministeriums in einem Gutachten festgestellt: 

Das heutige System von ARD und ZDF müsse komplett auf den Prüfstand; der Gebührenzwang soll zumindest eingeschränkt und durch eine Art Abo-Modell ersetzt werden; die bisherige Gebührenerhöhung „nach Bedarf“ soll aufgegeben werden und ARD/ZDF nur noch das senden dürfen, was die Privaten vernachlässigen: Fußball gehört sicherlich nicht dazu.

Das sind die Argumente des Beirats:

Ursprünglich war „die Zahl möglicher Fernsehkanäle technologisch eng begrenzt, zunächst auf einen Sendekanal, wenig später auf eine sehr kleine Anzahl von Sendern. Diese Begrenzung besteht heute nur noch theoretisch und ist für alle praktischen Belange keine wirklich bindende Zugangsbeschränkung mehr.“

„Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten betreiben 22 Fernsehkanäle sowie 67 Radioprogramme und entfalten Aktivitäten im Bereich des Internets. Ein normales Jahr hat 525.600 Minuten. Das Jahr 2012 verzeichnete dem gegenüber 10,2 Millionen Fernsehsendeminuten im Bereich der öffentlich-rechtlichen Sender, was in etwa 19 Fernsehjahren entspricht.“

„Diese Sender sind von außen praktisch ununterscheidbar von ihren privaten Pendants. Selbst die Namensgebung von Radioprogrammen (beispielsweise „Jump“, „N-Joy“, „YouFM“, „Fritz“) verschleiert oft deren öffentlich-rechtliche Herkunft. Zweitens kann man auch im TV-Bereich kaum die große Zahl an Unterhaltungssendungen als „Lead- in“ zu den gelegentlichen Nachrichten- und Informationsformaten rechtfertigen.“

„Gelegentlich Nachrichten- und Informationsformate“ – treffender kann man es kaum sagen.

„Das Gericht selbst geht jedoch der Sache nach kaum noch wirklich von Alternativen aus. Zur Problematik dieser Rechtsprechung gehört es, dass die Basis der rechtsdogmatischen Folgerungen ausschließlich mit Eigenzitaten belegt wird und weder ökonomische, sozialwissenschaftliche oder sonstige Fachliteratur einbezieht, der Begründungsduktus mithin zunehmend selbstreferentiell erscheint.“

Gemeiner kann man es kaum formulieren: Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Wirklichkeit nicht wahr.

Soweit der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums. Der Beirat blieb, wie es seine Aufgabe auch ist, bei der Analyse stehen. Die Kampagne allerdings setzt genau daran an und will konkrete Veränderungen.




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