Eine neue Werbekampagne der ARD gibt die Antwort. Dabei wurde der Claim verändert von “Wir sind eins” zu “WIR SIND DEINS”. Das klingt ziemlich wie ein Formulierungsvorschlag aus dem Manual, wo es heißt “Wir sind ihr.” Und: „Die ARD dient der Gesellschaft“ wird in abgewandelter Form immer wieder wiederholt.
Das ist kein Zufall, sondern die neue Masche, um Widerstand gegen ausufernde Gebühren, die Debatte um ein zu teures Wiederholungsprogramm, überhöhte Gehälter und Pensionen sowie die Kritik an der politischen Einseitigkeit der Programme abzuschneiden. Denn im Framing-Konzept der ARD soll eine unverbrüchliche Identität der Bevölkerung mit der ARD suggeriert und von den Mitarbeitern wohl auf allen Programmen und in jeder Sendung in eigener Sache transportiert werden.
In der hauseigenen ARD-Lyrik der zugekauften Ratgeberin Elisabeth Wehling klingt das so:
„Unsere Eltern und Großeltern haben den gemeinsamen Rundfunk ARD demokratisch beschlossen und mit eigenen Händen aufgebaut. …
Wir beteiligen uns am gemeinsamen Rundfunk ARD um unserer selbst und unseres Landes willen.“
Hat Oma den Rundfunk mit eigenen Händen aufgebaut?
Sind wir wirklich alle ARD und haben unsere Großeltern die Sender „mit eigenen Händen aufgebaut“? Es ist ein ebenso alberner wie durchschaubarer Werbesprech. Aber offensichtlich findet er in die ARD Eingang. „Dieses “Framing Manual” ist Denkanstoß und Diskussionsgrundlage für Mitarbeitende,“ erklärt Susanne Pfab, ARD-Generalsekretärin, einem Mediendienst. Daran werde seit der Zeit des Vorsitzes des MDR von 2016/17 unter Intendantin Karola Wille gearbeitet.
Und tatsächlich – wer den neuen Auftritt der ARD beobachtet, sieht erstaunliche Parallelen. War das Strategiepapier das Geld wert, worüber sich die angeblich so transparente ARD ausschweigt? Es gipfelt ja in zwei erstaunlichen Aussagen mit gefährlichem Unterton einer neuen Volksgemeinschaft, die von den Intendanten der ARD in die Schlacht geführt wird:
„Die ARD ist die Gesellschaft: Wir sind Ihr! Es handelt sich bei der ARD und den Bürgern nicht um getrennte Entitäten.“
Nur geringfügig abgewandelt heißt es dann in der „ARD-Gemeinwohlbroschüre“:
„Die ARD gehört der Gemeinschaft. Daraus ergibt sich unsere Verantwortung, alle Menschen ausgewogen, unparteilich und umfassend über die wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse zu informieren. Sowohl die öffentliche Finanzierung als auch die Kontrolle durch die Gesellschaft garantieren eine verlässliche und von Politik und Wirtschaft unabhängige Berichterstattung.“
Das ähnelt dem Papier, denn bei Wehling wurde angeboten:
„Unsere gemeinsame, freie ARD
Unser gemeinsamer, freier Medienverbund ARD
Unser freier, multimedialer Medienverbund ARD
Unsere gemeinsamen, freien ARD-Medien.“
Es wirkt also.
Wenn nur das liebe Geld nicht wäre ….
Wobei die In-die-Tat-Umsetzer nicht ganz genau hingehört haben. Folgt man Wehling, ist der eingesetzte Begriff der „Finanzierung“ unbedingt zu vermeiden: Denn Finanzierung klingt nach Last, nach Kosten – etwas was in dem Neusprech der ARD eigentlich unbedingt vermieden werden sollte.
Statt „Finanzierung“ sollte man vom „solidarisch finanzierten Rundfunk“ sprechen (obwohl solidarisch ja außerhalb der Basic-Level-Bezeichnung liegt!). So entsteht eine schöne neue Rundfunkwelt, für die immer höhere Beiträge für immer weiter steigende Gehälter für Intendanten und fürstliche Apanagen der Pensionäre zu bezahlen eine wahre Lust sein soll. Nicht mal die Beitragsbefreiung für Taub-Stumme überlebt das Bombardement der neuen Begrifflichkeit:
So soll nicht einmal mehr von Gebührenbefreiung die Rede sein, denn der Begriff »suggeriert, dass sich Bürger „von der Beitragsgebühr befreien lassen“ können oder „von der Rundfunkgebühr befreit sind“. Die Semantik des aktivierten Frames ist für die Ziele der ARD in der Debatte rund um die „Rundfunkbeiträge“ fatal. Denn „befreit“ werden kann man nur von Dingen, die per se negativ sind. Im Umkehrschluss sind all jene, die nicht befreit sind, belastet oder unfrei. Die Beteiligung am gemeinsamen Rundfunk ARD wird mit den genannten Begriffen implizit als Unfreiheit und Last begreifbar gemacht.« Und daher wird die Beitragslast zur Beitragslust umgefrickelt.
Von Beitragslast zur Beitragslust?
Erkennbar wird diese Lust an der Last bei der nächsten Lastschrift ausfallen – es sei denn, die ARD erhält endlich auch Zugriff auf die Banken und darf für ihre Zwecke Lastschrift durch Lustschrift ersetzen. Dieser Spott ist nicht weit hergeholt: „Rundfunkgebühren“ seien „nichts anderes sind als das Beitragen zum gemeinsamen Rundfunkbudget oder auch Rundfunkkapital“. Aber glauben die Bürger das?
Warnung vor Medienkapitalistischen Heuschrecken
Das muss es uns doch wert sein: „Die ARD ist der verlängerte Arm der Bürgers“, wird da empfohlen, und die Faust am Arm richtet sich gegen „ Profitorientierte/-maximierende Sender Medienkapitalistische Heuschrecken“. Merke, so der immer wiederholte Lehrsatz der ARD: „Ihre Kommunikation (muss) immer in Form von moralischen Argumenten stattfinden.“
Und so wird eine wunderbare neue Medienwelt gezeichnet:
„Denn ein Rundfunk, der von allen finanziert wird, der ist auch für alle da. Und damit gemeint sind wirklich alle. Von unseren Großmüttern, die an langen Nachmittagen gerne mit sinnstiftender oder sanfter Unterhaltung einen Blick auf die sich verändernde Welt werfen über Kultur- und Wissenschaftsinteressierte oder jene, die lebensnahe Dokumentationen abseits des Main- und Ramschstreams suchen, bis hin zu allen, die wissen und sich darauf verlassen, dass jeden Abend um 20 Uhr an der Tagesschau die Filterbubble zerplatzt.“
Möglicherweise allerdings könnte es sein, dass die Filterbubble der ARD platzt. Das ist im Kleinen schon geschehen. Die Autorin des Papiers, auffällig von der ARD hochgejubelt in den vergangenen Jahren, ist zwar keine Journalistin, aber immerhin Juror im „Reporterpreis“, der von der Zigarettenfirma Reemtsma wesentlich finanziert wird.
Es ist der Preis, in dem der Medienerfinder und Meisterdichter Relotius so auffällig häufig ausgezeichnet wurde.