Man wollte es nicht für möglich halten – aber sie haben es getan. Gemeinsam stimmen im Bundestag FDP, Grüne und SPD für ein Wahlrecht, wonach Direktmandate geschwächt und Parteien wie CSU und LINKE, die bundesweit kaum die 5-Prozent-Hürde überspringen, aus dem Bundestag fliegen werden. Bislang zieht eine Partei in den Bundestag ein, wenn sie mindestens 3 Direktmandate gewinnt. Dann ziehen nicht nur diese 3 Abgeordneten nach Berlin, sondern auch die gewählten Listen-Kandidaten ihrer Partei. Das kommt der Linken zu Gute. Bundesweit hat sie nur 4,9 Prozent der Stimmen erhalten, aber 3 Mandate direkt gewonnen. Damit zogen insgesamt 39 Abgeordnete ein; das entspricht dem Anteil von 4,9 Prozent. Es ist eine Regel, die das absolute Aus der bisherigen 5-Prozent-Klausel mildern soll und kleinere Parteien etwas privilegiert.
Auch an anderer Stelle wird das Direktmandat zu Gunsten der Parteilisten weiter geschwächt.
Deutschlands Parteienlandschaft ändert ihr Gesicht
Wie die CSU überlebt: Wenn die CSU überleben will, muss sie zum Landesverband der CDU werden – oder sich bundesweit ausdehnen, um so mehr Stimmen zu erhalten. Die CDU wird sie entweder als die konservativere Schwesterpartei integrieren und damit domestizieren – oder es kommt wirklich zur Spaltung der CDU. Gesprochen wurde darüber lange. Als Kreuther Trennungsbeschluss bezeichnet man den Beschluss der CSU-Landesgruppe vom 19. November 1976 im damaligen Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU in der 8. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags nicht fortzuführen – und als eigene Partei bundesweit anzutreten. Aus gutem Grunde wurde darauf verzichtet: CDU und CSU müssten als getrennte Parteien viel Energie zur Bekämpfung der jeweils anderen Partei aufwenden.
Die alte Frage stellt sich jetzt neu: getrennt marschieren – oder sich vereinigen? In der linksgestricken CDU wird die CSU ihren Restcharakter verlieren. Viele Wähler außerhalb entscheiden sich aber für die CDU, weil sie wissen: Es gibt die CSU. Für diese konservativen Wähler entfällt die Union als Alternative, wenn es zur Vereinigung der beiden unterschiedlichen Schwestern kommt.
Immer wurde die CSU als „Regionalpartei“ beschimpft. Wortreich argumentierten hier die Vertreter von SPD, FDP und Grünen. Aber Föderalismus ist kein Regionalismus. Deutschland wurde als föderaler Bundesstaat gegründet. Folgt man insbesondere den FDP-Sprechern, dann ist dies auch ein Schritt Richtung noch mehr Zentralstaat. In Bayern genießt die CSU hohes Ansehen. Jetzt kann sie damit argumentieren, dass die FDP die Rolle Bayerns im Bund schwächen will. Kein guter Ausgangspunkt für die kommende Landtagswahl.
Das Ende der LINKEN? Nicht nur die CSU ist betroffen. Die LINKE überlebt im Bundestag wegen dreier Direktmandate in Berlin und Leipzig. Nach der neuen Regelung fliegt sie aus dem Bundestag. Nun bin ich kein Freund der Linken. Aber politische Debatten sind mit Argumenten zu führen, nicht mit Regelungen, die dem politischem Gegner hinterrücks Sitz und Stimme entziehen. Jetzt stellt sich die Frage neu, ob Sahra Wagenknecht demnächst mit eigener Partei antritt. Die derzeitige Führung der Linken jedenfalls „Kriegt den A…. nicht hoch“, wie eine Sprecherin der SPD so vulgär wie zutreffend bemerkte, „A…“ aussprechend, SPD halt.
Die Hoffnung der SPD: Endlich will sie wieder die einzige Partei im linken Spektrum sein. Aber ob die Hoffnung aufgeht? Aktuell jubelt die SPD über „Regenbogenblut“, also über die Tatsache, dass neuerdings auch Homosexuelle Blut spenden dürfen. Wie auch immer man dazu steht – was ist „links“ am „Regenbogenblut“? Die Wähler der LINKEN vor allem in den neuen Bundesländern wandern eher zur AfD ab.
Gestärkt in dem Verfahren wird die AfD. Sie verfügt bundesweit prozentual über eine zweistellige Wählerschaft und hinreichend Direktmandate obendrauf. Sie kann zudem damit rechnen, einen Teil der Wählerschaft der LINKEN in den neuen Bundesländern zu erben. Hier rächt es sich, dass die CDU und CSU mit dabei waren, durch Geschäftsordnungstricks der AfD den Anspruch auf einen Posten im Bundestagspräsidium zu verweigern wie auch die Möglichkeit, in Ausschüssen den Vorsitz zu übernehmen. Die Union hätte früher erkennen müssen, dass es die beschworene Gemeinschaft der Demokraten nur dann gibt, wenn es der Ampel hilft. Mit dem voraussichtlichen Wegfall der LINKEN und der Schwächung der Union im Bundestag wächst die Bedeutung der AfD. Sie hat sich in der Debatte kaum zu Wort gemeldet. Sie kann in Ruhe zuschauen, wie die Ampel-Koalition jetzt Union und Linke schwächt – und von den Resten profitieren. Allerdings: Die AfD muss fürchten, dass sie über ein Parteienverbot zu Fall gebracht wird. Dem Machtanspruch der rotgrünen Blockparteien ist jedes Mittel recht. Und die Union wird dabei mithelfen – Opposition ist nicht erwünscht im Kartell Parteienstaat.
Auch der Blick auf die FDP ändert sich. Sie hatte noch Reste eines Rufs als Bürgerrechtspartei. Das ist jetzt vorbei. Die FDP hat sich in die bestehende Koalition mit Grünen und SPD fest eingebunden. Als eigenständige Partei ist sie in der rotgrünen Blockpartei nicht mehr wahrnehmbar. Vermutlich werden das viele Wähler erkennen und ihre Schlüsse daraus ziehen: Es reicht eben nicht, wenn Christian Lindner zu Recht am teuren Riesenausbau des Kanzleramt-Schlosses herummäkelt – aber ansonsten jeden Winkelzug der rotgrünen Blockpartei nachvollzieht und Schulden als „Sondervermögen“ schönredet. Wozu braucht man eine gelb lackierte Unterabteilung der rotgrünen Blockpartei?
Die Wähler haben in Zukunft also die Wahl zwischen den irgendwie zueinander stehenden Parteien CDU und CSU einerseits und der AfD als weiterer Oppositionspartei. Die Union wiederum wird ihre Hoffnung aufgeben müssen, die FDP als Koalitionspartei gewinnen zu wollen. Die FDP als virtueller Landesverband der Grünen ist kein Partner für gemeinsame Politik.
Übrigens hat einst die FDP auf die 5-Prozent-Hürde gedrängt, um sich vor kleineren Parteien, als sie es ist, zu schützen.