Wie viel darf ein Manager verdienen? Die Frage ist schwer zu entscheiden, denn sein wahrer Verdienst zeigt sich erst am Ende.
Der jüngste Protest gegen die Managervergütungen entzündet sich an VW-Chef Martin Winterkorn – 17 Millionen Euro ist ja ein Betrag, für den muss Oma lange stricken. Aber Winterkorn hat den Gewinn von 1,8 auf 18,9 Milliarden Euro gesteigert. VW ist eine Erfolgsgeschichte schon vor Winterkorn. Anfang der Neunzigerjahre fast pleite, überredete der Personalvorstand Peter Hartz die Gewerkschaften dazu, die 28,8-Stunden-Woche zu akzeptieren. So befreite er den Konzern von erdrückenden Kosten. Am Ende musste Hartz wegen Bordellbesuchen dieser Betriebsräte vom Hof flüchten. Wie viel ist seine Leistung wert?
Die erstaunlich erfolgsorientierte Gewerkschaft IG Metall nickt dafür in den Aufsichtsräten zweistellige Millionenbeträge ab. Den neuen Maßstab setzten die angelsächsisch getriebenen Banken: So segnete Josef Ackermann 2000 mit dem IG- Metall-Chef Klaus Zwickel jene 60 Millionen ab, damals noch gute Mark, die es dem Mannesmann-Chef Klaus Esser erleichterten, das Unternehmen an Vodafone zu verkaufen. Ackermanns peinliches Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess war das Symbol gleichermaßen für den Beginn der monströsen Gehaltsexzesse und der so wiedererweckten Kapitalismuskritik.
Nun geht Ackermanns Karriere bei der Deutschen Bank zu Ende. War er etwa die 100 Millionen Euro wert, die er in den letzten zehn Jahren dort verdiente? Nach Finanz- und Staatsschuldenkrise muss man sagen: Die Deutsche Bank gibt es noch, wenn auch im globalen Ranking arg zurückgefallen und übel gerupft, mit Schadensersatzprozessen überzogen und demolierter Reputation. Ackermann hat immer versucht, sich aus allen fragwürdigen Deals persönlich wie ein gütiger König herauszuhalten, während seine Gefolgsleute und Barone die Bauern plündern. Persönlich klug und bescheiden, ließ er zu, dass eine semiprofessionelle PR ihn zu einer Art präpotentem Michelin-Männchen des Bankgewerbes aufblies, aus dem allerdings unvermeidlich immer wieder die Luft pfeifend entwich, wenn er an der Realität seiner Mitverantwortung für die Finanzkrise gemessen wurde.
Sein Abgang wird nun von seinen letzten Getreuen inszeniert wie ein Stück fürs Bauerntheater – der Mann vergiftet den Acker, statt ihn seinen Erben gepflegt zu übergeben. Man kann nicht über die Frankfurter Fressgass gehen, ohne von seinen Büchsenspannern mit intimsten Daten, Personalien und Gerüchten gefüttert zu werden. Ohne Joe, wie sie ihn peinlich kumpelhaft titulieren, falle die Bank an eine anglo-indische Gang (deren Chef er mal war), wandere nach London ab (wohin er selbst wollte) und steige das Risiko ins Unermessliche – wobei solche Indiskretionen das eigentliche Risiko darstellen. Die journalistisch peinlichsten Storys über die Deutsche Bank werden in ihren Türmen selbst geschrieben – und dementiert.
Am Ende ist das Loslassen doch die höchste Kunst. Dass es auch anders geht, zeigt Jürgen Großmann: dass er bei RWE einen anderen Erben inthronisieren wollte, spürt man nicht – ein glatter Übergang. Ähnlich lief es bei Henkel: Der neue Chef Kasper Rorsted sagt, dass ihm der erfolgreiche Wechsel von IT zur Chemie nur mit Rat und Tat seines Vorgängers gelingen konnte. Aus der Deutschen Bank wird mit dem Chefwechsel die Deutsche Zank, die Zwietracht aus Leidenschaft pflegt.
Verdienst zeigt sich eben erst am Ende – wie bei Wendelin Wiedeking: Er hat die kaputte Porsche-Manufaktur meisterlich modernisiert und wurde dafür 2008 mit 77,4 Millionen Euro nicht zu hoch honoriert. Am Ende hat er zu riskant gespielt, die Eigenständigkeit verzockt und allen Beteiligten Prozessrisiken in Milliardenhöhe eingehandelt.
Und wie geht es weiter mit der großen Bank? WirtschaftsWoche-Reporter haben in Frankfurt, London und New York die zukünftige Strategie des Geldgiganten recherchiert. Die Bank wird nicht verzockt – vielleicht aber vorher noch verdaddelt, wenn nicht bald klare Schnitte erfolgen.
(Erschienen auf Wiwo.de am 31.2.2012)