Tichys Einblick
Podcast mit Fritz Vahrenholt

Zulassungsstopp für Nord Stream 2 – und die Folgen

Der Stopp des Zulassungsverfahrens von Nord Stream 2 geschah nicht ohne Blick auf die Koalitionsverhandlungen der Ampel. Das sagt Fritz Vahrenholt im TE-Podcast rund um Nord Stream 2 und die Bedeutung für die Energieversorgung Deutschlands.

Schockwellen sendete die Bundesnetzagentur aus, als sie entschied, das Genehmigungsverfahren für die neue Erdgasleitung Nord Stream 2 zu stoppen. Der Teil, der über deutsches Gebiet verläuft, wird von einer Firma betrieben, die nicht in Deutschland angesiedelt ist, sondern in der Schweiz. Damit wird es zusehends enger in Sachen Energieversorgung in Deutschland. Das Projekt verzögert sich so.

Jetzt hat US-Präsident Biden im Gespräch mit dem russischen Präsidenten Putin gedroht, Nord Stream 2 zu stoppen, falls Russland in die Ukraine einmarschieren würde. Die US-Regierung hatte bereits erneut Sanktionen gegen eine Reederei und ihr Schiff verhängt, die an der Leitung beteiligt sind. Ebenso betonten die Grünen wiederholt, sie wollten die Gasleitung nicht.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt: »Der Zeitpunkt ist deswegen interessant, weil ich glaube, dass es nicht unbeeinflusst ist von den Koalitionsverhandlungen. Wir wissen ja, dass die Grünen massiv gegen den Anschluss von Nord Stream 2, die Lieferung durch Nord Stream 2 sind. Die Röhre ist voll, sie ist voller Gas. Das Gas steckt schon in der Röhre, sie ist gefüllt, sie braucht nur ein Schieber. Und ich bin wirklich enttäuscht, dass die FDP ins gleiche Horn gestoßen hat.«

Besonnen und mit kühlem Kopf
Klimawandel – Zeit für kühle Argumente in einer überhitzten Debatte
Berlin habe der Bundesnetzagentur signalisiert, sie solle sich ein bisschen Zeit lassen. Denn im Augenblick könnten die Koalitionsverhandlungen das nicht gut verkraften. »Das ist aber ein Spiel mit dem Feuer«, so Vahrenholt, »denn wir haben ja die Reaktion gesehen. Die Gaswerke haben unmittelbar reagiert, und die Gaspreise sind noch um 7% gestiegen. Jetzt hängen wir einfach ein bisschen an Mutter Natur. Was macht die jetzt in den nächsten Monaten mit dem Wetter? Wenn es einen kalten Winter gibt, werden wir richtig Probleme bekommen. Und zwar nicht nur wir, sondern natürlich auch andere Nationen, an die wir dieses Gas weiterleiten würden.«

Unglaublich sei es, dass ein Antrag vor zwei Monaten gestellt worden sei, und jetzt werde erst gesagt, es müsste eine deutsche Gesellschaft sein. »Das hätte man ja auch vor zwei Monaten sagen können. Also so kompliziert ist das ja nicht!« Der Energieexperte Vahrenholt: »Das heißt, wir sind jetzt darauf angewiesen, dass es vielleicht noch mal gerade gut geht, dass wir überhaupt in der Situation sind, dass wir abhängig sind von dieser Leitung und damit natürlich auch politisch abhängig.« Die Abhängigkeit von Russland sei ganz klar eine Folge der Energiepolitik seit zehn Jahren der Merkelschen Koalitionen.

Gegen Ende des Jahres werden drei weitere Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Damit entsteht eine große Lücke. Die Frage ist, ob in winterlicher Not bei voraussehbaren Energiemangel die Schieber der Gasleitung geöffnet werden.
Vahrenholt: »Ich glaube ganz sicher, dass die Schieber geöffnet werden, weil das Risiko niemand eingehen können wird. Der Ausstieg aus der Kernenergie verschärft es noch mal.« Deutschland ist künftig nicht nur abhängig von Nordstream 2, sondern auch von Stromimporten aus den Kernenergieländern Frankreich, Tschechien, Schweiz, demnächst Polen.

Politik trägt zur Entwicklung bei
Die Energiepreise gehen durch die Decke
Besonders kritisch zu sehen ist die neue Taxonomie-Verordnung, die die EU durchsetzen will. Diese Taxonomieverordnung ist ein scharfes Schwert, um damit Energiestränge zu kappen. Damit werden internationale Finanzströme in Wind- und Sonnenenergienutzung umgeleitet. Das Gefährliche daran ist, so wird es im Gespräch deutlich, dass keine neuen Bergwerke und Erdgasvorkommen mehr erschlossen werden. Denn dafür werden große Kapitalströme benötigt. Doch große Fonds investieren Milliarden in »erneuerbare Energien«, wobei die Frage der Wirtschaftlichkeit nicht ausschlaggebend ist, sondern es gehört jetzt heute zu einem guten Portfolio.

»Das wird uns in den nächsten Jahren auf die Füße fallen«, so Vahrenholt klar. Die Auswirkungen sind bereits jetzt erschreckend. Das bedeutet, dass beispielsweise neue Explorationen nicht mehr stattfinden. Es laufen bereits Klagen gegen zum Beispiel Shell, keine neuen Erdgasfelder und keine neuen Bergwerke mehr zu explorieren, also die Energieversorgung an der Quelle abzuschalten. Allerdings kann die Menschheit nicht auf Kohle als immer noch die mächtigste Energiequelle verzichten. 95 Prozent der Energieversorgung der Welt stammt von Kohle, Öl, Gas, Kernenergie und Wasserkraft, nur 5 Prozent stammen aus Solar und Wind. Vahrenholt: »Jeder, der ein bisschen rechnen kann, weiß, dass dadurch in den nächsten 30 Jahren die 95 Prozent weltweit nicht ersetzbar sein werden.«

»Die amerikanischen Pensionsfonds beispielsweise suchen sich ihre Investitionen nach dieser Nachhaltigkeitsverordnung aus. »Das gleiche gilt für BP und selbst eine Exxon kommt unter Druck, sodass wir am Ende nur noch die drei großen staatlichen Investoren haben, die chinesische Ölgesellschaft, die russischen Öl- und Gasgesellschaften, Gazprom und Rosneft und die arabischen Monarchien, die sich davon nicht beeindrucken lassen, weil sie selber Geld genug haben. Das führt aber am Ende zu Knappheiten.«

„Energieflexibel“ in die Zukunft?
Intelligente Rationierung
»Die haben aber dann nicht mehr das Kapital, neue Minen zu erschließen. Und so versiegt das langsam, dass wir dann irgendwann mal, man beutet die noch bestehenden Minen, die abgespalten sind, aus und dann hat man kein Geld.« Die Konsequenz: »Am Ende wird Energie teuer. Es ist aber nicht nur ein Thema, das die Energie betrifft, sondern es wird die gesamte Gesellschaft betreffen. Alles wird teurer. Aber das Entscheidende wird meistens vergessen: Das sind die Nahrungsmittelpreise.« Die Nahrungsmittelpreise steigen zeitversetzt nach einem Anstieg des Ölpreises zwei, drei Monate später. Der Preis für Düngemittel wird durch den Gaspreis bestimmt. Denn Stickstoffdüngemittel werden aus Erdgas produziert. Für die Feldarbeiten ist ein hoher Energieaufwand in Form von Öl notwendig.

»Die Ölpreise sind schon oben, die Gaspreise sind jetzt explodiert, und jetzt sehen wir, dass die Weizenpreise folgen. Und das bedeutet am Ende: Diejenigen, die sich um die Zukunft der Welt Gedanken machen wie in Glasgow, sorgen dafür, dass die Teller der Armen in der Welt schmaler werden, immer kleiner werden.«

»Das Ganze ist eine fürchterliche Entwicklung. Auch in den entwickelten Ländern; hier wird es natürlich so sein, dass die Unterschicht und die wenig Verdienenden von den Nahrungsmittelpreisen am härtesten getroffen werden. Deswegen ist das eine absolut unsoziale und am Ende inhumane, unmenschliche Politik.«

Mittlerweile dämmert das auch der EU-Politik. Sie will nun Kernenergie und sogar effiziente Gaskraftwerke in der Taxonomieverordnung aufnehmen. Dann wäre der Schaden in Europa eingegrenzt und Investitionen in Kernkraft ausserhalb Deutschlands und in Gaskraftwerke in Deutschland wieder unterstützungsfähig.

Mehr im Gespräch mit Fritz Vahrenholt im Podcast.

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